«Denny's» gehört in Amerikas Vorstädten zum Inventar. Mehr als 1400 Filialen betreibt die Restaurant-Kette, die sich auf Frühstücksklassiker wie Pancakes und Spiegeleier spezialisiert hat, im ganzen Land.
Das Restaurant an der Berryessa Road in San José (Kalifornien), am Rande des Silicon Valley, sticht aber aus dem Einheitsbrei hervor. Denn hier legten drei Freunde im Jahr 1993 den Grundstein für Nvidia: Eine Firma, die heute an der Börse 2360 Milliarden Dollar wert ist. Nur Microsoft und Apple weisen derzeit eine höhere Marktkapitalisierung auf.
«Denny's» sei der ideale Ort gewesen, um ein neues Unternehmen zu gründen, sagt Jensen Huang, 61 Jahre alt und Chef des Halbleiter-Entwicklers. «Es gab so viel Kaffee, wie man trinken konnte, und niemand wollte uns rausschmeissen.»
Heute muss sich Huang, der bei seiner Geburt in Taiwan auf den Vornamen Jen-Hsun getauft wurde, keine Sorgen mehr über Sitzungsorte machen. Das persönliche Vermögen des langjährigen Konzernchefs von Nvidia – auf Amerikanisch «En-Wid-e-a» ausgesprochen – wird auf mehr als 79 Milliarden Dollar geschätzt. Und Huang gilt im Silicon Valley, zumindest unter Investoren, als Orakel.
Dabei können wohl die wenigsten Börsianer aus dem Stegreif erklären, warum die Nvidia-Chips der Konkurrenz von Broadcom, AMD und Konsorten technisch derart überlegen sein sollen. Und warum die Aktie des Unternehmens in den vergangenen zwölf Monaten um fast 250 Prozent zugelegt hat.
Aber Huang ist es gelungen, seine Firma als Speerspitze einer neuen «industriellen Revolution» zu positionieren, wie er kürzlich in einem Analystengespräch sagte. Diese Woche stellte er an einer Konferenz im Silicon Valley, die den Beinamen «Woodstock der Künstlichen Intelligenz» trägt, einen neuen Super-Grafikprozessor vor. Der Blackwell-Chip, so verspricht Nvidia, könne die unheimlich grossen Datenmengen, die von KI-Systemen auf der Suche nach Output durchkämmt werden müssen, effizienter verarbeiten. Mit einem Preis von bis zu 40'000 Dollar pro Stück ist das neue Produkt auch viel teurer als Vorgängermodelle.
Natürlich lassen sich solche Aussagen nicht auf ihre Verlässlichkeit überprüfen. Tatsache aber ist, dass die – recht exklusive – Nvidia-Kundschaft mit dem Produkt zufrieden ist. Der Quartalsumsatz stieg in den vergangenen zwei Jahren von 7,6 Milliarden Dollar auf zuletzt 22,1 Milliarden Dollar. Und der Gewinn für das letzte Quartal, das am 28. Januar 2024 endete, betrug satte 12,3 Milliarden Dollar.
Solange Nvidia solche Zahlen vorlegt, so lange werden die Börsianer der Firma die Stange halten – auch wenn es natürlich skeptische Stimmen gibt, die vor einer KI-Blase warnen.
Parallelen zum langjährigen Investoren-Darling Apple drängen sich auf. Die Aktie des Technologiekonzerns legte in den vergangenen zwölf Monaten um gegen 275 Prozent zu; der Börsenwert von Apple beträgt nun 2660 Milliarden Dollar. Und ein Ende ist vorerst nicht absehbar, auch weil es Apple immer wieder gelingt, neue Konsumentenwünsche zu erfüllen. Zum Vergleich: Nestlé, die wertvollste Schweizer Firma, ist an der Börse aktuell «nur» 284 Milliarden Dollar wert.
Eine andere Parallele zwischen Apple und Nvidia sticht ins Auge, obwohl die beiden Firmen letztlich in ganz unterschiedlichen Sektoren tätig sind: die Art und Weise, wie sich der Konzernchef inszeniert. Huang gibt in der Öffentlichkeit gerne den Rockstar, indem er eine vergleichsweise billige Lederjacke trägt – wie der 2011 verstorbene Apple-Chef Steve Jobs fast immer einen schwarzen Rollkragen-Pulli anhatte und den Intellektuellen spielte.
Jensen Huang is clearly one of my favorite founder / CEOs ever now.
— tyler hogge (@thogge) March 13, 2024
This guy’s interviews are top tier. pic.twitter.com/hWCZU5g8Ui
Die Biografie des Nvidia-Chefs ist ähnlich unwiderstehlich wie die Aufsteiger-Geschichte von Steve Jobs. Seine Familie schickte ihn im Alter von neun Jahren nach Amerika, wo Huang in Washington, Kentucky und Oregon aufwuchs. 1992 schloss er ein Elektrotechnik-Studium an der renommierten Stanford University im Silicon Valley ab und heuerte bei AMD an. Ein Jahr später, nach zahlreichen Gesprächen im «Denny's» in San José, gründete er mit seinen Freunden Chris Malachowsky und Curtis Priem ein neues Unternehmen. Das damalige Ziel von Nvidia: einen Chip zu entwickeln, der realistische 3D-Grafiken auf PCs ermöglichen würde.
Sechs Jahre später folgte der Börsengang des Unternehmens. 12 Dollar kostete die Nvidia-Aktie ursprünglich. Heute ist das Papier fast 943 Dollar wert. Dafür kann man in einem «Denny's» viele Pancakes kaufen.