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MoneyTalks: Warum Geld mehr Vielfalt braucht und was du dafür tun kannst

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Warum Geld mehr Vielfalt braucht und was du dafür tun kannst

Ein Blick hinter die Kulissen des Finanzsystems mit Fakten und Zahlen, die zeigen, wie Voreingenommenheiten unsere Wahrnehmung und unseren Umgang mit Geld prägen, warum dich das etwas angeht und was du dagegen tun kannst.
12.05.2022, 14:37
Olga Miler
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Wie zufrieden bist du mit deiner Bank? Würdest du für ein besseres Angebot wechseln? Wenn ja, warum? In meinen jetzt fast 17 Jahren in der Finanzindustrie habe ich viel Forschung betrieben, wie Menschen mit Geld umgehen und was für Dienstleistungen sie sich wünschen. Dabei bin ich auf einige Fakten und Beispiele gestossen, die es wert sind, dass wir alle und nicht nur die Finanzindustrie sie kennen und etwas zum Fortschritt beitragen. Hier ist, was mir so aufgefallen ist, warum das System noch mehr Vielfalt braucht, und was du tun kannst.

Zufrieden, aber nicht begeistert

Die Stimmung ist positiv: 75% der Befragten der GfS Meinungsumfrage 2021 zu Schweizer Banken sagen, sie hätten ein positives oder sogar sehr positives Bild ihrer Bank. Das deckt sich mit den Daten der jährlichen IFZ Retail-Banking-Studie der Hochschule Luzern 2021: Schweizer Kund:innen sind mit ihren Hausbanken zufrieden, sie werden als verlässlich, vertrauenswürdig und gute Arbeitgeber:innen wahrgenommen und der Finanzplatz geschätzt. Solide Werte, die ihren Zweck erfüllen, aber nicht unbedingt emotional begeistern – nur etwa jede:r fünfte Befragte würde seine Bank an Freunde weiterempfehlen (IFZ).

Verbindung zum wahren Leben hat noch Luft nach oben

Geld ist für viele ein eher emotionales Thema, schafft es doch Freiräume und Möglichkeiten, kann aber auch Ängste und Stress verursachen. Obwohl wir mit unseren Banken sehr zufrieden sind, fehlt die lebensechte, emotionale Verbindung vielen Menschen. Die jährliche Retail Banken Studie «The customer engagement imperative» von Cap Gemini hat dieses Jahr erforscht, was Menschen sagen, das sie von ihrer Bank nicht bekommen. Bei den Antworten für die Schweiz wurden die folgenden Punkte genannt:

  • 61% nannten keine lohnende oder positive Erfahrung
  • 56% nannten keinen Spass
  • 54% nannten keine emotionale Verbundenheit und Verbundenheit mit dem wahren Leben

Vielleicht muss ein Finanzinstitut auch gar nicht Spass machen, solange es unser Geld vertrauenswürdig aufbewahrt und verwaltet? Die fehlende Verbindung zu unserem Leben ist da schon eine grössere Herausforderung, z.B. bei der Finanzplanung, die ja genau da ansetzen soll: an der Verbindung von Geld, Plan und unserem Leben.

Die eher technische Herangehensweise birgt auch andere Herausforderungen, da sie einige grosse Kundengruppen nicht wirklich einschliesst: Gerade junge Menschen, die ihr Vermögen erst aufbauen, fühlen sich weniger angesprochen – fast jede:r sechste (58%) der 25–40-Jährigen gaben an, dass ihnen eine emotionale Verbindung fehlt, und Frauen fühlen sich in ihren Lebensmodellen nicht verstanden. So gaben z.B. 65% der 41–65-jährigen Frauen (52% der Männer) an, dass ihnen eine Verbindung zu ihrem Leben von ihrem Bankinstitut fehlt.

Mehr Vielfalt – bessere Produkte und Service für alle

Um noch bessere Produkte und Dienstleistungen für uns alle zu erbringen, fehlt es dem gesamten Finanzsystem an Vielfalt. In der globalen Studie von BNY Mellon «The Pathway to Inclusive Investment» (2021) gaben fast neun von zehn Vermögensverwaltern (86%) an, dass sie ihren Standardanlagekunden als Mann identifizieren und 73% richten ihre Anlageprodukte hauptsächlich an Männer aus – dies obwohl verschiedene Daten zeigen, dass in der Zukunft die von Frauen kontrollierten Vermögen in den nächsten Jahren stark zunehmen werden.

Der eher einseitige Fokus überrascht nicht angesichts der Tatsache, dass in vielen Finanzinstituten zwar mehr Frauen im Verwaltungsrat Einzug gehalten haben (25% Repräsentation, IFZ Retail Banking Studie) aber in den Geschäftsleitungen, die über Prozesse und Produkte entscheiden, Frauen mit gerade mal 10% vertreten sind. Die Repräsentation von anderen Zielgruppen und Minoritäten wie z.B. Menschen mit Behinderung, oder unterschiedlichen Kulturen wird oft gar nicht untersucht.

Bei den neueren Fintechs sieht dieses Bild leider auch nicht viel besser aus, Daten der Financial Alliance for Women haben gezeigt, dass 58% der B2C Fintechs gar keine Untersuchungen zum Kundenverhalten nach z.B. Geschlecht machen. Mit mehr Vielfalt im System könnte sich die Produktgestaltung als auch die Customer Experience für uns alle verbessern, sagten doch fast die Hälfte (46%) der 25–40-jährigen Männer, dass auch sie sich von den Banken mehr Lebensnähe wünschen.

Voreingenommenheiten prägen unseren Umgang mit Geld

Fehlende Vielfalt im System führt nicht nur zu einem weniger guten Service, sie beeinflusst auch, wie wir Geld wahrnehmen und mit unseren Finanzen umgehen. Studien in England z.B. haben gezeigt, dass Frauen und Männer im Umgang mit Geld in Medien anders dargestellt werden (Starling Bank, 2021): 52% der Bilder zeigten Frauen als kindlich, mit kleinen Beträgen. Männer hingegen wurden mit grösseren Summen und als aktiv porträtiert.

Dabei geht es nicht nur um die Darstellung zwischen den Geschlechtern, verwandte Studien haben festgestellt, dass z.B. auch viel weniger ältere Personen (z.B. mit grauen Haaren), Menschen mit Behinderung oder Menschen mit Übergewicht in lebensechten Situationen gezeigt werden, wenn es um Finanzen geht. Dies prägt unsere Wahrnehmung und auch unser Geld-Selbstverständnis und das unserer Kinder. So sagen z.B. weniger (43%) der Mädchen, dass sie sich kompetent im Umgang mit ihrem Taschengeld fühlen (ggü. 51% der Jungs).

Was du tun kannst für mehr Vielfalt im System

Mehr Vielfalt im System wird Veränderungen hervorrufen, die uns allen und auch den Finanzdienstleistern nützen. Dabei geht es nicht nur darum, dass mehr Frauen Einzug in die Geschäftsleitungen der Finanzinstitute finden, sondern um die Repräsentation von verschiedenen Gruppen und die Aussendarstellung. Wenn du das nächste Mal deine Bank oder deinen Finanzdienstleister anschaust, stell Fragen, die weiter gehen als Kosten und Rendite (beides wichtig!), z.B.:

  • Wer sitzt in der Geschäftsleitung?
  • Welche Nachhaltigkeits-Standards werden wirklich umgesetzt
  • Welche Diversity-Standards setzt sich der Dienstleister?
  • Wofür werden Sponsoring und Marketing-Gelder ausgegeben?
  • Wie stellt sich das Institut mit Bildern und Texten und in der Kommunikation dar?

Mit mehr Vielfalt im System haben wir die Chance eine Finanzwelt zu schaffen, die alle mit einbezieht: junge Menschen, Frauen, Menschen mit anderen Lebensmodellen oder mit Behinderungen. Als Kund:innen haben wir die Wahl. Geld ist unweigerlich mit unserem Leben verbunden und wir alle dürfen uns wünschen, dass unsere Finanzdienstleister unsere Finanzen nicht nur sicher und kosteneffizient verwalten, sondern uns auch als das wahrnehmen, was wir sind: Menschen mit einem einmaligen Leben.

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Olga Miler ...
... war über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen bei der UBS tätig, unter anderem hat sie dort das Frauenförderungsprogramm und den UBS Gender ETF aufgebaut. Jüngst gründete sie das Start-up SmartPurse, eine Plattform, auf der sie digitale Kurse und Workshops zum Thema Finanzen für Frauen anbietet. Letztes Jahr schrieb Miler den watson-Blog «Frauen und Geld» und wird uns dieses Jahr mit «MoneyTalks» an ihrer Expertise teilhaben lassen.

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