Er war angetreten als Saubermann, als bescheidener Kantonalbanker, der die angeschlagene Reputation der Raiffeisen-Gruppe nach den wilden Pierin-Vincenz-Jahren wiederherstellen wollte.
Und Guy Lachappelle hat nach seiner Wahl zum Verwaltungsratspräsidenten der Raiffeisen im November 2018 das gemacht, was man von ihm erwartet hatte: Er brach mit allem radikal, was Vincenz vorgelebt hatte – auf geschäftlicher wie auch auf symbolischer Ebene. Er hat die alten Weggefährten des langjährigen Raiffeisen-Lenkers entfernt, den Versicherungspartner ausgetauscht, das Boni-System revidiert und die Chauffeure abgeschafft.
Doch die neue Bodenständigkeit hielt nicht lange an. Nur zweieinhalb Jahre nach seiner Wahl muss Lachappelle sein Amt wieder abgeben: Er tritt per Ende Juli zurück - wegen einer Liebesaffäre, die schlecht geendet hat. Und die nun dazu geführt hat, dass gegen den Raiffeisen-Präsidenten zwei Strafanzeigen eingereicht worden sind. Die eine betrifft Vorwürfe im persönlichen, die anderen im beruflichen Bereich. Er soll in seiner früheren Funktion als Chef der Basler Kantonalbank bankinterne Dokumente an seine Geliebte weitergeleitet haben.
Lachappelle streitet die Weitergabe der Dokumente nicht. «Ich habe ihr ein internes Dokument zugestellt», sagte er am Donnerstagabend in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in einem Basler Zunftsaal. Und bezeichnete das als «riesengrossen Fehler», und weiter: «Das war unklug von mir.» Strafrechtlich sei dies wohl nicht relevant, aber sein Verhalten lasse sich unter dem Gesichtspunkt der Integrität nicht entschuldigen:
Der Banker tritt aber nicht nur als Raiffeisen-Präsident zurück, sondern auch von all seinen anderen Ämtern: Vom Präsidium des Genossenschaftskompetenzzentrums Idée Coopérative, das er erst per 1. Juni von der Migros-Präsidentin Ursula Nold übernommen hatte, und vom Verwaltungsrat des universitären Kinderspitals beider Basel (UKBB), dem er seit dem 1. Juli angehört.
Und Lachappelle kündigte auch gleich an, dass er sich ganz «aus der Finanzbranche zurückziehen» werde. Damit hält er sich die Finanzmarktaufsicht (Finma) vom Hals. Denn wenn er nicht mehr in der Finanzbranche tätig ist, erübrigt sich auch eine allfällige Gewährsprüfung durch die Aufsichtsbehörde.
Dass sich ein Gewitter über Lachappelle zusammenbraut, war absehbar. Vergeblich versuchte es der Banker mit juristischen Mitteln abzuwenden: Zuerst unterband er die Weiterverbreitung einer 50-seitigen Publikation seiner Ex-Geliebten, in der es um «Toxic Leaders» geht, also um Führungspersonen, die das Arbeitsklima vergiften, und in der nebst wissenschaftlichen Ausführungen auch die Geschichte von «Sophie» und «Joe» nachgezeichnet wird.
Lachappelle hat sich als «Joe» wiedererkannt, den er als «Psychopathen» beschreibt. Dann ging er juristisch gegen den «SonntagsBlick» vor, der über besagtes Publikationsverbot berichten wollte. Doch das Verbot machte die Informationen noch interessanter, die in der Folge über ausländische Server in zig Mailboxen landeten.
Doch jetzt musste Lachappelle aufgeben. Er hat nach eigenen Angaben am Mittwoch durch einen Tamedia-Journalisten von der Strafanzeige wegen unerlaubter Dokumentenweitergabe erfahren. Er hat sofort seine Ferien abgebrochen, ist am Donnerstagvormittag nach Basel zurückgekehrt, um dann nach Börsenschluss seinen Rücktritt bekannt zu geben - vom Posten, den er vor zweieinhalb Jahren unbedingt wollte.
Es war Lachappelle, der damals auf Headhunter Guido Schilling, der mit der Suche nach dem neuen Raiffeisen-Präsidenten beauftragt worden war, zuging und sich als potenziellen Kandidaten anerbot. In Basel trat er nun ohne Flankenschutz aus der Raiffeisen-Zentrale auf, sondern als «Privatperson, als Mensch».
In seinem 18-minütigen Statement, in dem er immer wieder gegen die Tränen ankämpfen musste, schilderte er seine Sicht der Dinge auf die Beziehung mit «dieser Frau», die 2017 anfing. Aus seiner Sicht der Dinge war sie es, die nicht loslassen konnte, die seine Nähe suchte: