Mit dem Black Friday steht die grösste Rabattschlacht des Jahres vor der Tür, die den Händlern in der Regel stark auf die Marge drückt. Als Gegenreaktion haben einige jetzt den White Friday ins Leben gerufen, bei dem sie ihre Preise nicht senken, dafür einen Teil ihrer Einnahmen spenden. Was halten Sie davon?
Marta Kwiatkowski Schenk: Der White Friday ist auf den ersten Blick zwar eine schöne Idee, letzten Endes geht es aber immer noch um Konsum. Damit die Spende zum Tragen kommt, muss man konsumieren. Dabei könnte man ja auch spenden, ohne sich eine neue Jeans oder ein neues Parfüm zu kaufen. Aus der Nachhaltigkeitsperspektive ist das deshalb nicht unbedingt die bessere Lösung. Aus dieser Perspektive scheint auch der White Friday ein Marketinginstrument der Händler, bei dem sich Konsumentinnen und Konsumenten das Gewissen reinwaschen können.
Der Black Friday erhielt erst vor fünf Jahren Einzug in die Schweiz. Heute beteiligen sich Hunderte von Läden daran. Hat sich der Tag in der Schweiz endgültig etabliert?
Ja, der Black Friday ist inzwischen wie ein zusätzlicher Feiertag. Nach Weihnachten und Ostern ist es ein weiterer Konsumfeiertag. Gefördert wurde diese Entwicklung sicherlich auch durch die mediale Begleitung. Die Bekanntheit des Black Fridays wurde dadurch stark erhöht. Viele Leute warten heute bewusst auf den Rabatttag, um grosse und teure Anschaffungen zu machen. Sie sparen sich ihre Einkaufspläne auf und konsumieren bewusster, geplanter. Nicht wenige tätigen dann bereits ihre Weihnachtseinkäufe.
Mit dem Black Friday verbindet man eher Kaufrausch und massloses Geldausgeben. Wird nicht vielmehr der zügellose Schnäppchenjäger in uns geweckt?
Wir sind nicht zwingend Schnäppchenjäger, sondern werden immer mehr zu Schnäppchenjägern trainiert. Es gibt kaum mehr eine Zeit ohne Rabatte im Jahr. Durch all diese Konsumfesttage werden wir darauf konditioniert, nichts mehr zum regulären Preis kaufen zu wollen. Eine Vielzahl von Apps und Plattformen machen uns dabei auf die Sonderaktionen aufmerksam und versorgen uns mit Einkaufstipps.
Ist das grundsätzlich schlecht?
Es gilt zu überlegen, ob das dem Handel den gewünschten Effekt bringt. Weihnachten ist für Detailhändler ein zentrales Ereignis, das ihnen den grössten Umsatz im Jahr bringt. Rabattschlachten können Kannibalisierungseffekte auslösen. Die tiefere Marge müssen sie mit der Menge wettmachen. Dadurch wird die Vermarktung aggressiver. Es stellt sich also die Frage, ob diese Entwicklung einen kommerziellen Mehrwert bringt. Mit Blick auf die Zukunft könnte sich diese Problematik noch verschärfen. Der Black Friday wurde aus den USA in die Schweiz importiert – weitere Konsumfesttage könnten folgen. Beispielsweise wird auch schon der Singles Day aus China Anfang November beworben. In anderen Kulturen gibt es weitere solche Tage. Irgendwann ist die Konsumgrenze erreicht.
Der steigende Konsum steht zudem im Widerspruch zum steigenden Nachhaltigkeitsanspruch und der aktuellen Klimadebatte.
Dieser Gegensatz ist tatsächlich sehr interessant. Die Klimabewegung Fridays for Future geniesst eine hohe Aufmerksamkeit. Ebenso nimmt das Interesse für den Black Friday global betrachtet ungebrochen zu. Diesen Freitag fällt nun der Streik der Bewegung mit dem Shopping-Tag zusammen. Das dürfte für Gesprächsstoff sorgen. Umso mehr, weil am Black Friday vor allem Mode und Elektronik verkauft werden. Also Dinge, die man in der Regel nicht zwingend braucht und die bei der Herstellung punkto Menschenrechte und Nachhaltigkeit hinterherhinken. Man weiss aber auch, dass sich Konsumenten nicht unbedingt ihren Werten entsprechend verhalten. Das zeigt das Phänomen Flugscham, das der Zunahme an Flugreisen bisher keinen Abbruch tut. Der Verzicht fällt uns schwer. Wir wollen alle mehr konsumieren, aber als Individuum nichts mit dem Massenkonsum zu tun haben. Nach der Flugscham könnte nun der Konsumekel eintreten. Am Black Friday dürften es einige vorziehen, anonym auf Schnäppchenjagd zu gehen. So verschiebt sich das Einkaufen weiter vom stationären Handel zum Onlinehandel.
Dieser Tage wurde bereits gegen den sogenannten Konsum-Wahnsinn demonstriert. Stecken dahinter nicht auch Luxus-Attitüden von Leuten, die sich solche Werte leisten können? Anders gefragt: Sind ärmere Leute auf Rabatttage wie den Black Friday angewiesen?
Es gibt sicher beide Dimensionen. Der Black Friday markiert den Auftakt für das Weihnachtsgeschäft. Durch den sozialen Druck fühlen sich Eltern womöglich verpflichtet, ihrem Kind das neuste angesagte Schuhmodell zu kaufen. So können sie ihre Einkäufe gezielt an den Rabatttagen tätigen. Aus Konsumentensicht ist dies nützlich, aus Händlersicht aber das Schlechteste, was passieren kann. Denn so kaufen Konsumenten diejenigen Produkte vergünstigt, die sie vielleicht auch zum regulären Preis gekauft hätten.
Sind Händler grundsätzlich die Verlierer dieser Entwicklung?
Die Rechnung geht für Händler nur auf, wenn die Leute mehr ungeplante Dinge konsumieren. Da der Black Friday eine globale Aktion ist, wird weltweit tatsächlich mehr eingekauft. Je mehr die Konsumenten planen, desto grösser ist aber deren Risiko.
Ganz ehrlich. Diese Schubladisierung der Thematik ekelt mich an. Ihr tut so als würden alle Menschen am Black Friday unnötig viele Dinge kaufen und ihr tut genau so, als würden die meisten Leute mehrfach im Jahr innerhalb der Schweiz den Flieger nehmen.
Ihr denkt gar nicht daran, dass ein grosser, sehr grosser Teil GAR NICHTS kauft und ein kleinerer Teil (Ich z.b.) ganz gezielt nach günstigen Produkte sucht und lediglich eine kleine Menge es vollends übertreibt.
Checkt das endlich bitte.
Wenn sich die Filterblase im Elfenbeinturm ausdehnt, erreicht sie deshalb noch lange nicht den Raum ausserhalb des Elfenbeinturms ^^