Diese Woche sind in der Schweiz von weiteren Grosskonzernen die Gehälter bekannt geworden. Bei der Swatch Group hat sich Nick Hayek für das Coronajahr 2020 einen Lohn von 4.6 Millionen Franken auszahlen lassen – und damit rund einen Viertel weniger als im Vorjahr. Hingegen erhält der Chef beim Rückversicherungskonzern Swiss Re noch 200'000 Franken mehr, nämlich rund 6.1 Millionen.
Bei der Grossbank Credit Suisse erhält der neue Chef Thomas Gottstein für sein erstes Jahr schon 8.5 Millionen Franken. Damit erhält Gottstein etwas weniger, als sein Amtsvorgänger Tidjane Thiam in seinem ersten vollen Amtsjahr bekam, nämlich 10.2 Millionen.
Und Verwaltungsratspräsident Urs Rohner erhält für das Coronajahr 2020 genau gleich viel wie für das Vorjahr, nämlich total 4.7 Millionen.
Zuvor waren schon einige Millionen-Saläre bekannt geworden. Sergio Ermotti erhielt 13 Millionen für sein letztes Jahr als UBS-Chef. Präsident Axel Weber bezieht wie schon im Vorjahr rund 5 Millionen. Beim Industriekonzern ABB sind es 9 Millionen für CEO Björn Rosengren. In der Pharmabranche erhält Severin Schwan rund 11 Millionen als Roche-Chef und Vas Narasimhan 12.7 Millionen als Chef von Novartis.
Diese eindrücklichen Gehälter wollten nicht so recht passen zu den Signalen, die noch vor ein paar Monaten aus der Wirtschaft kamen. Damals wollten zahlreiche Chefs noch Zeichen setzen. Inmitten einer tiefen Weltwirtschaftskrise, in der Millionen ihren Job verloren, wollten sich viele als gute «Corporate Citizens» zeigen, als gute Unternehmensbürger. Also verzichteten sie öffentlichkeitswirksam auf einen Teil ihrer Grundgehälter.
In Europa gab rund ein Drittel der Chefs der grössten Konzerne zumindest einen Teil ihres Grundsalärs weg, wie eine Erhebung der Unternehmensberater HKP zeigt. In der Schweiz waren Björn Rosengren von ABB und Sergio Ermotti von der UBS prominente Beispiele, auch Thomas Gottstein von der Credit Suisse.
Die Spitze des Industriekonzerns ABB senkte sich den Grundlohn. Präsident Peter Voser liess verlauten, man wolle ein Zeichen der Solidarität setzen. Vom damaligen Chef der Grossbank UBS Sergio Ermotti wurde eine Millionen-Spende bekannt, via Boulevard-Zeitung «Blick». Die Situation in seinem Heimatkanton Tessin sei dramatisch. Bei der Credit Suisse spendete Gottstein für ein halbes Jahr einen Fünftel seines Grundsalärs.
Daneben gab es auch weniger prominente Beispiele von Verzicht in den Chefetagen. So beim Personalvermittler Adecco oder dem Industriekonzern Georg Fischer. Beim Flughafendienstleister Swissport strich sich der Chef sogar die Hälfte seines Lohnes.
Noch im Dezember 2020 war diese Stimmung weit verbreitet. Credit Suisse-Chef Gottstein sagte zu Finanzmedien, es sei eine Herausforderung, bei den Boni die richtige Balance zu erwischen. Auf der einen Seite habe man Mitarbeiter, die ihre Ziele übertroffen hätten. Auf der anderen Seite hätten Millionen ihren Job verloren.
Gottstein sagte damals, noch sei es zu früh, um sich festzulegen, aber für die Credit Suisse gelte:
Verzicht üben, spenden, Zeichen der Solidarität setzen – und zugleich Millionen-Gehälter verdienen: Ist das ein Gegensatz? Wird die Wirtschaftselite damit den Forderungen gerecht, die Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt unlängst formuliert hat?
«Viel Sensitivität» brauche es. Die wirtschaftliche Lage der einzelnen Firma sei zu beachten, zugleich eine «gesellschaftspolitische Dimension». Vogt warnte seine Kollegen und Kolleginnen auf den Chefetagen: «Das ultimative Korrektiv in der Schweiz – auch in Sachen Vergütung – ist die direkte Demokratie. Es gibt kein Land auf der Welt, wo der Weg von der Volksempörung zum Verfassungsartikel so kurz ist.»
Die Banken sind zudem explizit von der Europäischen Zentralbank gemahnt worden. Sie sollten nicht unterschätzen, welche Auswirkungen es auf ihre Reputation haben könnte, wenn Sie hohe Boni auszahlten. Später schob die Zentralbank nach, die Banken müssten extrem vorsichtig sein. Es werde sich erst noch zeigen, welche Schäden die Pandemie in ihren Bilanzen anrichten werde.
Die Debatte über die Boni könnte in der Coronakrise wieder an Fahrt gewinnen. Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, sprach schon von «Gift für den Zusammenhalt in der Schweiz». Thomas Minder, Vater der Abzocker-Initiative, rät den Firmen angesichts einer «Jahrhundertkrise» zu extremer Zurückhaltung bei ihren Löhnen. «Auf Boni sollten sie verzichten.»
In der Debatte dürfte von Seiten der Wirtschaft angeführt werden, dass der Schein trügen kann – zumindest ein bisschen.
Das zeigt sich am Beispiel des CS-Chefs Thomas Gottstein. An seinem Lohn von 8.5 Millionen lässt sich nicht ablesen, wie sehr er sich an seine eigene Vorgabe von «Solidarität» und «soziale Verantwortung» gehalten hat. Denn Gottstein spendet von diesen 8.5 Millionen einige Hunderttausend Franken. Gemäss seinen Ankündigungen und einem Basissalär von ungefähr 2 Millionen Franken, dürften es etwa 200'000 Franken sein.
Auch UBS-Chef Ermotti hat nicht auf Lohn «verzichtet». Sondern er hat für das Jahr 2020 rund 13 Millionen erhalten – und hat rund 1 Million gespendet für den Kampf gegen Corona. Die angekündigten «Zeichen von Solidarität» sind also durch die öffentlich gewordenen Millionen-Saläre nicht etwa ungeschehen gemacht worden. Die Öffentlichkeit sieht nun bloss, welche Saläre diesen Spenden gegenüberstehen.
Und die Löhne von Ermotti oder von Schwan täuschen. Sie geben kein repräsentatives Bild davon ab, wie sich die Chef-Gehälter insgesamt entwickelt haben. Denn der UBS und der Pharmabranche lief es im Coronajahr ausgesprochen gut. Sie erlebten so etwas wie eine Sonderkonjunktur.
Dagegen litten viele Unternehmen sehr stark – etwa in Industrie, Touristik oder Personalvermittlung. Ihre Krise schlägt voll auf die Gewinne durch – und somit auch auf die Boni. Darum werden dieses Jahr die höchsten und die tiefsten Boni stark auseinander gehen, glauben die Berater von HKP. Insgesamt würden die Boni im Schnitt um 20 Prozent tiefer ausfallen, mindestens.
In den nächsten Wochen werden noch mehr Informationen zu den Boni bekannt werden, wenn sich die Horden von Aktionärsberatern über die Zahlen gebeugt haben.
Einerseits Millionen-Saläre, als gäbe es keine Krise – und andererseits Chefs, deren Saläre von der Krise heruntergezogen werden: Welcher dieser Trends die öffentliche Debatte bestimmen wird, wird sich zeigen müssen. Im Urteil der Gewerkschaften ändert das Coronajahr ohnehin nichts am Gesamtbild, das die Managerlöhne seit Jahren abgeben.
Diese Löhne stünden schon lange in keinem Verhältnis zur Leistung, sagt Arno Kerst, Vizepräsident im Dachverband Travailsuisse. Kein Chef leiste 100 Mal mehr als ein normaler Mitarbeiter. «Wenn es auch in dieser Jahrhundertkrise keine echte Zurückhaltung gibt, bestätigt dies nur, wie abgehobenen die Managerklasse ist.»
Viel spass mit dieser Info.