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Der Kampf der Titanen: Die beiden wichtigsten Banken der Welt wollen eine gegensätzliche Geldpolitik

Der Hauptsitz der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.
Der Hauptsitz der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.Bild: KEYSTONE
Erklärbär

Der Kampf der Titanen: Die beiden wichtigsten Banken der Welt wollen eine gegensätzliche Geldpolitik

Die US-Notenbank will die Wirtschaft weiter mit billigem Geld ankurbeln. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hingegen fordert höhere Zinsen und mehr Sparen. Wer hat Recht? 
09.07.2014, 14:4709.07.2014, 15:11
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Kürzlich sorgte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) für Schlagzeilen: Sie kritisierte die anderen Zentralbanken für ihre lockere Geldpolitik und forderte sie zu einer härteren Gangart auf. Will heissen: endlich die Leitzinsen zu erhöhen und künstliche Massnahmen wie das quantitative Easing (QE) einzustellen. 

Unter dem QE versteht man das Phänomen, dass die Zentralbanken im grossen Stil Wertpapiere aufkaufen, um so die langfristigen Zinsen zu drücken. 

Die Antwort der amerikanischen Notenbank, dem US Federal Reserve System (Fed), liess nicht lange auf sich warten. Die neue Fed-Präsidentin Janet Yellen gab umgehend bekannt, sie denke vorläufig nicht daran, die Leitzinsen zu erhöhen. Ausser höheren Arbeitslosenzahlen würde diese Massnahme überhaupt nichts bringen. Yellen warnte zudem ausdrücklich vor der Gefahr einer «säkularen Stagnation». Will heissen: vor einer langen Periode mit stagnierendem Wirtschaftswachstum. 

Janet Yellen, Präsidentin des US Federal Reserve System (Fed).
Janet Yellen, Präsidentin des US Federal Reserve System (Fed).Bild: EPA

Der Turm von Basel

All dies mag nach einem technischen Streit unter Ökonomen tönen. Doch es geht um mehr, sehr viel mehr sogar. Der Ausgang dieses Streits wird die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft entscheidend mitprägen. Doch zunächst gilt es die Frage zu klären: Wer sind die beiden Streithähne überhaupt? 

Die meisten Schweizerinnen und Schweizer kennen das Gebäude der BIZ. Es wurde in den 1970er-Jahren gebaut, liegt direkt neben dem Hauptbahnhof von Basel und ist inzwischen so etwas wie ein Wahrzeichen der Stadt. Gelegentlich wird das Gebäude auch «der Turm von Basel» genannt. 

Bild: KEYSTONE

Die BIZ ist in Basel, aber nicht in der Schweiz

Selbst Basler wissen jedoch kaum über Sinn und Zweck der BIZ Bescheid. Deshalb das Wichtigste in Kürze: Sie wurde im Frühjahr 1930 gegründet mit der Absicht, die Reparationszahlungen der Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg zu regeln. Damit sich Deutschland und Frankreich nicht in die Haare geraten konnten, wurde ihr Sitz in die neutrale Schweiz verlegt, und damit die Politiker sich nicht einmischen konnten, wurde die BIZ mit einem undurchdringbaren, juristischen Regelwerk eingeigelt. 

Das Gebäude der BIZ steht zwar in Basel, gehört aber nicht zur Schweiz. Der Turm befindet sich auf extraterritorialem Gelände, Schweizer Behörden dürfen ihn nur mit Genehmigung betreten. Der Zugang beschränkt sich weitgehend auf die rund 600 BIZ-Mitarbeiter und Angestellte von Notenbanken. 

Das Gebäude hat seinen eigenen Schutzbunker, ein eigenes Minispital und ein weit verzweigtes Untergrundarchiv. Wenn sie überhaupt Zutritt erhalten, werden Besucher stets von Wachpersonal begleitet. 

Geplant war eine globale Schattenregierung

Der ganze Zirkus kommt nicht von ungefähr. Die BIZ, schreibt Adam Lebor in seinem Buch «Tower of Basel», sei nicht mehr und nicht weniger als die «geheime Bank, welche die die Welt regiert». Diese These mag verschwörerisch klingen – ganz falsch ist sie nicht. 

Die treibenden Kräfte hinter der Gründung der BIZ waren die damals mächtigsten Zentralbanker der Welt: Montagu Norman, der Gouverneur der Bank of England, und Hjalmar Schacht, Präsident der deutschen Reichsbank. Die beiden wollten mit der BIZ mehr erreichen als die deutschen Kriegsschulden regeln. Sie wollten sie zu einem Club der wichtigsten Zentralbanker machen, einer Art Schatten-Weltregierung gewissermassen. 

War die BIZ einst ein Arm der Reichsbank?

Die Rolle der BIZ im Zweiten Weltkrieg ist umstritten. Kritiker wie Lebor werfen ihr vor, wegen umstrittener Goldgeschäfte mit den Nazis «de facto ein Arm der Reichsbank» gewesen zu sein. Unbestritten ist, dass sich die BIZ nach dem Krieg zu einer «Zentralbank der Zentralbanken» entwickelt hat. Jährlich pilgern tausende von Mitarbeitern der verschiedensten Zentralbanken nach Basel, um sich im Turm aus- oder weiterbilden zu lassen. 

Auch die 18 wichtigsten Zentralbanker der Welt reisen regelmässig an den Centralplatz 2, um miteinander unter Ausschluss der Öffentlichkeit die anstehenden Probleme zu erörtern. So gesehen mag die BIZ zwar nicht die Welt regieren, ihr Einfluss ist jedoch nicht zu unterschätzen. 

Zahlreiche Mitarbeiter der Zentralbanken lassen sich in Basel aus- und weiterbilden.
Zahlreiche Mitarbeiter der Zentralbanken lassen sich in Basel aus- und weiterbilden.Bild: KEYSTONE

Warum die Fed bei uns missverstanden wird

Das gilt auch für die Fed. Die US-Zentralbank wurde 1913 gegründet, reichlich spät im internationalen Vergleich. Die Bank of England beispielsweise wurde schon 1698 geschaffen und selbst die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist sechs Jahre älter. Doch heute ist die Fed diskussionslos die wichtigste Zentralbank der Welt. 

Anders als beispielsweise die SNB und die meisten anderen Zentralbanken muss sie nicht nur für eine stabile Währung sorgen, sie ist auch verpflichtet, Konjunkturpolitik zu betreiben. Will heissen: mit ihrer Geldpolitik der Wirtschaft in Krisenzeiten unter die Arme zu greifen. 

Milton Friedman.
Milton Friedman.Bild: AP NY

Diese Doppelfunktion der Fed wird oft missverstanden, vor allem in Europa. In den USA hingegen ist sie unbestritten. Milton Friedman, der geistige Vater des Neoliberalismus, hat diese Geldpolitik ausdrücklich gebilligt und die Fed dafür gerügt, dass sie diese Politik nicht schon in den 1930er-Jahren angewandt hat. Der kürzlich zurückgetretene Fed-Präsident Ben Bernanke hat sich bei seiner Geldpolitik stets ausdrücklich auf Friedman berufen. Auch Janet Yellen versteht ihre Politik des billigen Geldes als Waffe im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. 

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Ist die Krise ein Betriebsunfall oder weit mehr?

Die BIZ hingegen steht in einer ganz anderen Tradition. Ihr Verständnis von einer vernünftigen Geldpolitik ist bis heute geprägt von Per Jacobsson, einem schwedischen Ökonomen, der zwischen 1931 und 1956 als Berater für die Bank tätig war. Jacobsson war ein überzeugter Vertreter der österreichischen Schule im Sinne von Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek. Für die beiden waren Inflation, Staatsschulden und Staatsinterventionen ökonomische Todsünden. In diesem Sinn fordert nun auch die BIZ die Zentralbanken auf, endlich die Finger von diesen Interventionen zu lassen. 

Hinter diesen beiden gegensätzlichen Positionen steht ein völlig verschiedenes Verständnis der aktuellen Krise. Für die Fed und Janet Yellen handelt es sich um einen schweren Betriebsunfall, der jedoch mit der richtigen Politik wieder korrigiert werden kann. Sie gehen davon aus, dass die Wirtschaft wieder auf ihren ursprünglichen Wachstumspfad zurückkehren wird und danach die geldpolitischen Krücken nicht mehr nötig hat. 

Eine Aufnahme aus dem Hauptsitz der Fed in Washington, D.C.
Eine Aufnahme aus dem Hauptsitz der Fed in Washington, D.C.Bild: EPA

Die Geschichte gibt der Fed Recht

Die Ökonomen der BIZ hingegen gehen davon aus, dass die Krise unwiederbringliche Verluste verursacht hat und dass der Versuch, dies mit geldpolitischen Mitteln zu korrigieren, fehlschlagen und noch grössere Schäden verursachen wird. Die Krücken helfen dem Patienten nicht, sie verhindern seine Genesung. Wer hat Recht?

Eine objektive Antwort gibt es nicht, denn Ökonomie ist keine exakte Wissenschaft. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Janet Yellen und die Fed die besseren Argumente haben. In den 1930er-Jahren wurde auf eine harte Geldpolitik gesetzt, auf hohe Zinsen und Sparen. Das Resultat war die Grosse Depression. 

Höflich zuhören – und Nein sagen

Eine harte Geldpolitik im Sinne der BIZ würde heute mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einem ähnlichen Ergebnis führen. Deshalb stellt Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times», fest: «Es ist das gute Recht der BIZ zu warnen. Die Zentralbanken sollten ihr höflich zuhören. Aber sie müssen die meisten ihrer Ratschläge verwerfen.»  

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