Die geplante Umsetzung der OECD-Mindeststeuer wird sowohl von wirtschaftsliberaler als auch von linker Seite kritisiert. Während die Denkfabrik Avenir Suisse vor einer neuen, systemfremden Umverteilung warnt, wünscht die SP eine gerechtere Verteilung der Mehreinnahmen auf die Kantone.
Die gesamte Bevölkerung müsse von den Mehreinnahmen profitieren, forderte die SP am Montag an einer Medienkonferenz in Bern. Die vom Bund vorgeschlagene Lösung zur Umsetzung der OECD-Mindeststeuer sorge dafür nicht. Sie sei ungerecht und ineffizient.
Die SP stützte sich bei ihrer Kritik auf eine in ihrem Auftrag erstellte Studie des Beratungsbüros BSS. Die Studie schätzt die kurzfristigen Mehreinnahmen aus der neuen OECD-Mindeststeuer auf rund 1.6 Milliarden Franken.
Mit dieser Schätzung liegt das Basler Büro BSS für volkswirtschaftliche Beratungen im Streubereich der Mehreinnahmen, die die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in ihrem entsprechenden Bericht vom letzten März errechnet hat. Demnach liegt das Potenzial für Mehreinnahmen insgesamt zwischen einer und 2.5 Milliarden Franken.
Das Problem orten die Sozialdemokraten bei der Verteilung: Am meisten profitieren würden gemäss den Berechnungen die Kantone Basel-Stadt (362.2 Mio. Franken), Zug (322.7 Mio.), Aargau (252.1 Mio.) und Zürich (249.1 Mio.). Am kleinsten wäre der Zustupf für die Kantone Jura (0.0 Mio.), Genf (0.1 Mio.), Glarus (0.3 Mio.) und Appenzell Innerrhoden (0.5 Mio. Franken). 75 Prozent aller Mehreinnahmen fielen also gerade einmal in vier Kantonen an.
Die SP will dagegen andere Schwerpunkte setzen. Es gelte, die Kaufkraft von Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu stärken, sagte die Luzerner Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo. Ansetzen solle man dabei etwa bei den Verbilligungen für Krankenkassen-Prämien, Beiträgen an Kita-Plätze oder dem Teuerungsausgleich bei den Renten.
Konkret rechnet die BSS-Studie zwei Möglichkeiten durch, um eine gleichmässigere Verteilung zu erreichen: Im ersten Szenario würde der Bundesanteil an den Mehreinnahmen erhöht. Zudem würde festgelegt, dass ein einzelner Kanton pro Einwohnerin und Einwohner maximal 200 oder 300 Franken mehr erhalten soll. Im zweiten Szenario würde der Bundesanteil wie bei der direkten Bundessteuer auf 78.8 Prozent erhöht.
In eine ganz andere Richtung zielt die Kritik von Avenir Suisse. Die Erwartungen hinsichtlich der Mehreinnahmen seien viel zu hoch. Zumindest müsse auf den Bundesanteil an der Ergänzungssteuer verzichtet werden, schrieb die Denkfabrik in einer am Montag veröffentlichten Analyse.
Die höhere Steuerbelastung werde die Gewinne der Konzerne drücken, so Avenir Suisse. Entsprechend würden die Steuereinnahmen sinken, Vor diesem Hintergrund drohe ein Bundesanteil den finanziellen Spielraum der Kantone unnötig einzuengen.
Die zusätzliche Umverteilung sei zudem ein Fremdkörper im föderalen Gefüge. Die Schweiz kenne einen funktionierenden Finanzausgleich, der interkantonale Unterschiede effektiv zu glätten vermöge.
Kritisch sieht die Analyse auch steuerliche Unterstützungselemente, die über die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von Unternehmen hinausgehen. Diese sollen gemäss den Plänen des Bundesrates die mit der Mindeststeuer verbundenen Nachteile kompensieren.
Es sei besser, sich auf den Erhalt und die Stärkung der allgemeinen Rahmenbedingungen für alle Unternehmen zu konzentrieren, so die Denkfabrik. Dazu gehöre etwa eine rasche und konsequente Digitalisierung der Verwaltung und eine Reduktion der Vermögens- und Kapitalertragssteuern.
Grosse international tätige Unternehmen mit Umsätzen über 750 Millionen Euro sollen ab Anfang 2024 auch in der Schweiz eine Mindeststeuer von 15 Prozent bezahlen müssen.
Erreicht werden soll das über eine Ergänzungssteuer, die die Differenz zwischen einer tieferen Besteuerung und der Mindeststeuer deckt. Von der Massnahme wären laut Finanzminister Ueli Maurer etwa 2000 grosse Unternehmen betroffen.
Nicht unter die neue Regelung fallen 600'000 kleinere und rein national tätige Unternehmen. Das Parlament wird die Vorlage noch in diesem Jahr beraten. Im Juni 2023 ist dann das Stimmvolk an der Reihe.
Der Bundesrat schlägt dem Parlament vor, dass ein Viertel der Mehreinnahmen aus der Besteuerung grosser Unternehmensgruppen an den Bund zurückfliessen soll. Die kantonalen und städtischen Finanzdirektorinnen und -direktoren sind mit an Bord. (sda)
"Die höhere Steuerbelastung werde die Gewinne der Konzerne drücken, so Avenir Suisse. Entsprechend würden die Steuereinnahmen sinken."
Nach dieser "Logik" wären die Steuereinnahmen am höchsten, wenn es keine Steuern gäbe ... Als Privatperson sage ich künftig auch "Wenn die Steuern nicht so hoch wären, würde ich mehr Steuern bezahlen; ganz ehrlich, i schwör's!"