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Brüssel schlägt verschärfte Schutzmassnahmen auf Stahl vor

19.09.2024, Niedersachsen, Georgsmarienh
Blick in die Werkshalle eines Stahlwerks in Niedersachsen.Bild: keystone

Brüssel schlägt verschärfte Schutzmassnahmen auf Stahl vor

07.10.2025, 20:4107.10.2025, 20:41

Die Europäische Kommission will bestehende Schutzmassnahmen auf Stahl signifikant verschärfen. Zudem sollen länderspezifische Kontingente wegfallen. Schweizer Industrieverbände sind von den angekündigten Massnahmen besorgt.

In die EU sollen künftig jährlich noch 18,3 Millionen Tonnen Stahl zollfrei importiert werden können, wie die Europäische Kommission am Mittwoch in Strassburg forderte. Damit würden die heutigen zollfreien Mengen von insgesamt 30,5 Millionen Tonnen um 47 Prozent reduziert.

Zusätzlich schlägt die Brüsseler Behörde vor, Stahlimporte ausserhalb der Kontingente mit einem 50-Prozent-Zollsatz zu belegen. Derzeit liegt dieser Zollsatz bei 25 Prozent.

APA17433002-2 - 13032014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT AI - THEMENBILD: Illustration zum Thema EU / EU-Wahl. EU-Fahnen vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel aufgenommen am 14. Juni ...
EU-Fahnen vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel.Bild: APA

Die Kommission will mit den Massnahmen die Stahlindustrie in der EU vor weltweiten Stahlüberkapazitäten schützen. Gemäss eigenen Angaben betragen diese derzeit 620 Millionen Tonnen und würden zunehmen.

Nach Ansicht der Kommission sind die Massnahmen mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) konform. Der Kommissionsvorschlag soll die bestehenden Schutzmassnahmen, die Ende Juni 2026 auslaufen, ersetzen.

Keine Ausnahme für die Schweiz

Die neuen Regeln sollen weltweit gelten und länderspezifische Kontingente seien derzeit nicht vorgesehen, wie ein EU-Beamter in Brüssel sagte. Ausnahmen gebe es für die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) – Norwegen, Island und Liechtenstein – sowie Beitrittskandidaten, die sich in einer «aussergewöhnlichen und unmittelbaren Sicherheitslage» befänden – sprich die Ukraine.

Unter den heutigen Schutzmassnahmen profitieren Schweizer Stahlproduzenten für spezifische Stahlprodukte von Kontingenten. Diese gewährte die EU-Kommission der Schweiz nach Verhandlungen mit dem Bund.

EU-Kommission zeigt sich offen für Verhandlungen

Die Brüsseler Behörde verzichtete diesmal auf länderspezifische Kontingente. Ihrer Ansicht nach besteht ein globales Problem, welches eine globale Lösung erfordert.

Es sei aber nun das Ziel mit gleichgesinnten Wirtschaftspartnern Gespräche aufzunehmen, sagte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic an einer Medienkonferenz in Strassburg. Die Kommission habe diesen Weg gehen müssen, um WTO-konform zu handeln. «Wir wollen mit unseren Freihandels-Partner fair sein», sagte der Handelskommissar.

Die EWR-Abstimmung 1992 spaltete das Schweizer Stimmvolk.
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Person mit Europa-Schirm vor dem Bundeshaus.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum / ASL

Ohne Lösung wird Schweizer Produktion «undenkbar»

Der Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem erwarte nun, dass die Schweiz von der EU zumindest angemessene länderspezifische Kontingente erhalte, sagte ein Sprecher des Verbands der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage. Das Ziel bleibe, dass die Schweiz von diesen Massnahmen ausgenommen werde.

Mit Kontingenten in der Grösse wie bis anhin oder einer minimen Reduktion würden sich die Folgen für die Schweizer Stahlindustrie in Grenzen halten. Wenn nicht, würde ein weiterer Teil des europäischen Stahlmarktes für Schweizer Firmen wegbrechen.

Auch der Dachverband des Werkstoffkreislaufs Metalle «Metal Suisse» hofft auf einen konstruktiven Dialog zwischen den schweizerischen und europäischen Behörden, wie sein Geschäftsführer, Andreas Steffes, auf Anfrage sagte. Ohne eine Lösung werde eine Produktion in der Schweiz «undenkbar».

Ohne länderspezifische Quote würde das Prinzip «first come, first serve» gelten. Dieses sei für die Schweizer Recyclingwerke keine Option, da jeweils nur Stahl produziert werde, wenn es auch Bedarf gebe. Daher tragen aus Sicht von Metal Suisse die Schweizer Werke nicht zum Problem der weltweiten Überproduktion bei, gegen welches sich die EU schützen möchte.

Vorschlag braucht Zustimmung von Rat und Parlament

Der Vorschlag der Kommission wird nun dem Rat der EU, in welchem die Mitgliedstaaten vertreten sind, und dem Europäischen Parlament unterbreitet. Die neuen Handelshürden sollen spätestens im Sommer 2026 in Kraft treten und die heutigen Schutzmassnahmen ersetzen.

Letztere gelten seit dem Juni 2018 und wurde als Reaktion auf die damaligen US-Zölle auf Stahl und Aluminium eingeführt. Die EU-Schutzmassnahmen wurden mehrmals verlängert. Allerdings dürfen sie gemäss WTO-Regeln nicht über acht Jahre hinweg gelten.

Der Stahlkonzern Swiss Steel kann die Auswirkungen noch nicht abschätzen. Entscheidend seien Bemühungen der Schweizer Diplomatie. Diese habe wiederholt bei der Welthandelsorganisation WTO interveniert und gefordert, die Schweiz von den Schutzmassnahmen auszunehmen, da der Handel zwischen der Schweiz und der EU im Freihandelsabkommen geregelt sei. (sda)

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