Krankenkassenprämien: So lässt sich das Leben von 85 % der Schweizer verändern
In der Schweiz wurden im Jahr 2023 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Krankenkassenprämien aufgewendet. Das BIP stellt den gesamten Mehrwert dar, der in der Schweiz geschaffen wird: Es ist die Summe aller Ausgaben oder auch die Summe aller Einnahmen. Wenn man sich an diesen 3,5 % orientiert, müsste jemand, der den Medianlohn zu 100 % verdient, also etwa 6800 Franken pro Monat, eine Prämie von 238 Franken zahlen, während eine Familie mit zwei Kindern und einem Einkommen von 10’000 Franken insgesamt 350 Franken pro Monat zahlen müsste.
Leider beträgt die durchschnittliche Prämie für eine Einzelperson fast 400 Franken, und eine Familie mit zwei Kindern zahlt für diesen Kostenpunkt oft deutlich über 1000 Franken pro Monat. Das ist also völlig unverhältnismässig.
Ein zutiefst ungerechtes System
Natürlich kann man weiterhin nach Wegen suchen, die Kosten zu senken – auch wenn das immer leichter gesagt als getan ist, insbesondere wenn man unser Gesundheitssystem nicht zerstören will.
Angesichts dieser Tatsache ist es an der Zeit, den Hauptgrund dafür anzugehen, warum die Prämien für die überwältigende Mehrheit der Haushalte untragbar sind: Es handelt sich um ein völlig ungerechtes Finanzierungsmodell. Im Gegensatz zu anderen öffentlichen Dienstleistungen werden die Prämien nicht entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezahlt, sondern pro Kopf – eine Prämienform, die für die Mittelschicht exorbitant teuer geworden ist. Das bedeutet im Klartext: Würde diese Belastung gerechter verteilt, wäre sie wesentlich tragbarer.
Zudem hätte eine gerechte Finanzierung auch einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheitskosten: Heute verfügen die Ultrareichen, Milliardäre, Oligarchen, die multinationalen Konzerne und Vermögenden über mehr als 70 % der Stimmen im Schweizer Parlament. Und da sie nur einen kleinen Teil der Prämien zahlen, haben sie kaum ein Interesse daran, tatsächlich etwas zu unternehmen, um die Kosten einzudämmen, wie beispielsweise die Begrenzung der Arzneimittelkosten oder bestimmter überhöhter Löhne im Gesundheitswesen.
Mit dabei: Nicolas Feuz (Schriftsteller), Anne Challandes (Schweizer Bauernverband), Roger Nordmann (Berater, ehem. SP-Nationalrat), Damien Cottier (FDP), Céline Weber (GLP), Karin Perraudin (Groupe Mutuel, ehem. CVP), Samuel Bendahan (SP), Claude Ansermoz (ehemaliger Chefredaktor von «24 Heures»), Ivan Slatkine (Präsident der FER) und die QoQa-Otte.
Aber an dem Tag, an dem die Prämien einkommensabhängig festgelegt werden, werden dieselben Lobbyisten, die einen grösseren Anteil zu tragen haben werden, plötzlich auch ein Interesse daran haben, für eine Begrenzung der Kosten zu kämpfen.
Tausende Franken für die Mittelschicht
Wir befinden uns mitten in einer Kaufkraftkrise, verbunden mit einer Krise der Demokratie: Die Mittelschicht – und sogar die obere Mittelschicht – hat Mühe, ihre Rechnungen zu bezahlen, und kann kaum noch Geld sparen. Die explodierenden Mieten, die Inflation und die Prämien verringern jedes Jahr das verfügbare Einkommen und erschweren damit nicht nur das Leben aller, sondern schwächen zusätzlich unsere Wirtschaft.
Diese zunehmenden Schwierigkeiten für die breite Mehrheit der Bevölkerung gehen einher mit einer obszönen Konzentration von Reichtum und Macht in wenigen Händen. Grosse multinationale Konzerne wie die UBS oder Novartis treiben ihre Preise in die Höhe, bedrohen das Land in grossem Stil, während sie gleichzeitig massiv die bürgerlichen Parteien finanzieren, die ihre Interessen vertreten.
Einige Milliardäre beflügeln die radikale Rechte des Landes, indem sie Hass und Angst vor dem Anderen schüren, um von den wirklichen Problemen unserer Gesellschaft abzulenken. Die Initiative der SVP zur Kündigung der bilateralen Abkommen ist nur ein Beispiel für eine abstossende Kampagne, deren Folge ein grösseres Leiden der Mittelschichten sein könnte, während allein die Ultrareichen, die nicht dazu gezwungen sind, arbeiten zu müssen, um zu leben, die Freiheit hätten, jederzeit dorthin zu gehen, wohin sie wollen.
Kaufkraft ist auch Demokratie
Dass alle Menschen ein menschenwürdiges Leben führen, vernünftig arbeiten, ihre Freizeit geniessen und die Wirtschaft am Laufen halten können, bedeutet, dafür zu sorgen, dass unser System nicht zu sehr von einigen wenigen Menschen abhängig ist, sondern von allen zusammen.
Menschen, die besser leben, haben auch Zeit, sich für die Demokratie zu interessieren und sie mitzugestalten. Kaufkraft ist nicht nur ein materialistischer Kampf, sondern auch Teil unseres grundlegenden Kampfes für Demokratie.
Den Abgrund vermeiden
Die Festlegung der Prämien nach dem Einkommen wird nicht alle Probleme lösen, aber es ist eine der spektakulären Massnahmen, die ergriffen werden können, um das Leben von 85 % der Haushalte der Mittel- und Unterschicht von heute auf morgen zu verändern. Ihnen würde damit eine spürbare Entlastung zuteil.
Die Initiative für einen Rabatt auf Krankenkassenprämien, die die SP lancieren wird, würde es erlauben, eine vollständige Prämienbefreiung für alle Kinder des Landes zu gewährleisten und Prämienrabatte für 85 % der Haushalte, einschliesslich eines Teils der oberen Mittelschicht, zu gewähren. Eine Familie mit zwei Kindern und einem mittleren Einkommen, die einen Rabatt von 200 Franken auf ihre Prämien erhält, könnte somit jährlich mehr als 7000 Franken sparen – was die Situation drastisch verändern würde.
Das bedeutet natürlich, dass sehr wohlhabende Haushalte mehr beitragen müssen als heute. Im Hinblick auf die gegenwärtigen Umstände wird wohl niemand schockiert sein, wenn ein Haushalt, der 1’ 000’ 000 Franken pro Jahr verdient, 3,5 % seines Einkommens für Krankenkassenprämien bezahlt statt nur 0,4 %. Es sei schliesslich daran erinnert, dass manche Familien derzeit mehr als 15 % ihres Einkommens dafür ausgeben.
Wir dürfen nicht vergessen: Der Kampf für die Kaufkraft der Mittelschicht dient nicht nur dazu, dass es der gesamten Bevölkerung gut geht, sondern auch dazu, dass unsere Wirtschaft widerstandsfähiger und stärker wird. Es geht vor allem auch darum, unsere wertvolle Demokratie und unsere Freiheiten zu bewahren – denn sie sind es, die uns davor bewahren, in der Dunkelheit zu versinken.