Schweizer kaufen immer öfter Käse, Wein und Schoggi aus dem Ausland – das sind die Gründe
Ein paar Cailler-Schokoladen, zwei Sorten Ragusa von Camille Bloch und Ovomaltine-Tafeln: Andere bekannte Schweizer Schoggi sucht die hiesige Kundschaft in den Lidl-Filialen vergeblich. Das ist kein Zufall: Die preisbewussten Konsumenten greifen im Discounter meist zu ausländischen Markenprodukten wie Milka, M&Ms oder zu günstigen No-Name-Süsswaren. Zum Beispiel zur deutschen «Fin Carré»-Vollmilchschokolade, eine Lidl-Eigenmarke: Sie kostet gerade mal 79 Rappen pro Tafel.
Der Preiskampf hinterlässt in der traditionsreichen Schweizer Schoggi-Branche deutliche Spuren. Und das nicht erst seit gestern: Im langjährigen Vergleich ist der Importanteil regelrecht explodiert. Um die Jahrtausendwende kam erst jede fünfte verkaufte Tafel aus dem Ausland. Mittlerweile liegt der Wert doppelt so hoch
Der Verband Chocosuisse sieht dafür verschiedene Gründe, die alle mit der Globalisierung zusammenhängen: Zugezogene Discounter böten «preislich aggressive» Importprodukte an, internationale Marken drängten auf den hiesigen Markt, und dank Einkaufstourismus und Online-Plattformen sei Schoggi aus dem Ausland breit verfügbar.
Preise werden 2025 nochmals steigen
Die Schweizer Hersteller müssen sich also auch im Heimmarkt einer internationalen Konkurrenz stellen. Das sind sie sich zwar gewohnt, schliesslich gehen drei Viertel der Schweizer Schokoladenproduktion ins Ausland. Doch während dort die Zahlungsbereitschaft für «Swiss made» gross ist, muss die Branche im Inland eine zunehmend preisbewusste Kundschaft überzeugen.
Das ist angesichts der rekordhohen Kakaopreise nicht einfach. Und diese werden die Hersteller weiter belasten. Die Branche geht davon aus, dass der Kakaopreis erst dieses Jahr überhaupt voll durchschlagen wird, weil mittlerweile die Lager an günstig eingekauften Rohwaren aufgebraucht sind. Hinzu kommt, dass auch Rohstoffe wie einheimischer Zucker oder Milch teurer sind als im Ausland.
Für den Verband Chocosuisse ist es deshalb «die grosse Frage, wie die Konsumentinnen und Konsumenten auf Preiserhöhungen reagieren werden». Er hofft, dass sie der Schweizer Schokolade die Treue halten werden. Bei den Discountern dürfte dies eine Hoffnung bleiben. Lidl hat kürzlich für seine Schoggi-Eigenmarken die Preise nochmals um bis zu 25 Prozent gesenkt. Der Detailhändler verzeichnet laut eigenen Angaben eine «starken Nachfrage».
Zuwanderung erreicht auch das Käseregal
Eine ähnliche Entwicklung hat die Käsenation Schweiz durchlaufen. Seit der Marktliberalisierung haben die hiesigen Käser Marktanteile ans Ausland verloren. Im Jahr 2007 lag der Inlandanteil noch bei 76,7 Prozent. Dieser Wert sank kontinuierlich und hat sich seit 2021 auf etwa zwei Drittel eingependelt. Dazu beigetragen haben insbesondere Importe von Frisch- und Quarkprodukten wie Protein-Quark, Mozzarella oder Hüttenkäse.
Diese Lebensmittel haben dank High-Protein-Trend und steigendem Gesundheitsbewusstsein an Bedeutung gewonnen. Zudem hat sich die Alltagsküche auch wegen der Zuwanderung mediterranisiert. So stellt Coop fest: «Der Trend geht hin zu ausländischen Spezialitäten wie Burrata und Halloumi oder zu Käsen als Zutat in Gerichten, beispielsweise Reibkäse wie Grana Padano oder Parmigiano.» Ein weiterer Faktor dürfte der Preis sein: Laut Milchstatistik liegt der Preis für Importkäse deutlich unter jenem für Exportware.
Stephan Hagenbuch, Direktor des Branchenverbands Swissmilk, freut diese Entwicklung nicht. Immerhin setzten immer noch zwei Drittel der Schweizer Konsumenten auf einheimischen Käse, betont er. «Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Käse-Konsum pro Kopf insgesamt in den letzten Jahren angestiegen ist.» Hagenbuch stellt weiter fest, dass die Schweiz traditionell bei den aufgekommenen Trend-Produkten wie Frisch- und Weichkäse nicht so stark sei wie bei bekannten Hartkäse-Sorten wie Gruyère.
Umso wichtiger sei es, dass die Branche hier der ausländischen Konkurrenz Alternativen gegenüberstelle. Hagenbuch nennt etwa den proteinhaltigen Skyr-Quark von Emmi, einheimischen Mozzarella oder – für das Milchsortiment generell – Mischgetränke wie Caffè Latte. Mit Innovation hofft Hagenbuch auch, den zuletzt schwächelnden Export wiederzubeleben. 2023 importierte die Schweiz erstmals mehr Käse als sie im Ausland absetzen konnte. Dieses Verhältnis hat sich letztes Jahr nun wieder leicht gedreht. Doch wegen des starken Frankens und der US-Zölle bleibt die Situation an der Exportfront schwierig.
Weinhandel steht vor einer Zäsur
Was also tun, ausser Innovationsplänen und dem Prinzip Hoffnung? Beim Schweizer Wein, der noch tiefer in der Krise steckt als Schoggi und Käse, lautet die Antwort der Politik: mehr Werbegelder und Schutz vor «ausländischen Billigweinen». So erhöhte das Parlament während der Pandemie die Absatzförderung auf jährlich 9 Millionen Franken. Das reicht aber offensichtlich nicht, denn die Verkaufszahlen zeigen weiter nach unten. An einem Treffen mit Wirtschaftsminister Guy Parmelin kamen deshalb jüngst auch Importbeschränkungen zur Sprache.
Der Auslöser für den Wein-Gipfel waren besorgniserregende Daten: Letztes Jahr brach der Weinkonsum insgesamt um 8 Prozent ein. Besonders hart traf der Rückgang die einheimischen Winzer. Sie mussten einen Einbruch von 16 Prozent hinnehmen, während italienische, französische oder spanische Weine nur ein Minus von 2,7 Prozent verkraften mussten. Die Gründe dafür sieht Ursula Beutler von der Vereinigung Schweizer Weinhandel in der «rückläufigen Kaufkraft» sowie «einer stark multikulturellen Gesellschaft».
Wie in der Käsebranche haben mediterrane Einflüsse und die hierzulande beliebte Italianità den Weinmarkt grundlegend verändert. Darauf hätten die Schweizer Winzer bisher nicht ausreichend reagiert, findet Beutler: «Bei neuen Weinstilen, zeitgemässer Präsentation und kundengerechter Kommunikation schneiden importierte Weine vielfach besser ab.» Dabei könne Schweizer Wein in vergleichbaren Segmenten bei Preis-Leistung durchaus punkten.
Abschottung ist keine Lösung
Die Branchenorganisation sieht sich mit einem «fundamentalen Umbruch und nicht nur mit einer Krise» konfrontiert. Langfristig sei deshalb entscheidend, «die Trends aus dem globalen Weinmarkt rechtzeitig zu erkennen.» Als Beispiel nennt Beutler den Siegeszug des französischen Rosé-Weins: «Vor bald 20 Jahren starteten die Franzosen ihre Rosé-Offensive – mit dem bekannten durchschlagenden Erfolg. Der überwiegende Teil der Schweizer Produzenten schaute mehrheitlich tatenlos zu und hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig.»
Wer Trends verschläft, dem nützen in einer vernetzten Welt langfristig auch Zoll-Schranken wenig. Deshalb zeigt sich die Vereinigung Schweizer Weinhandel gegenüber protektionistischen Massnahmen skeptisch. Zwar spricht sie sich gegen Einfuhrerleichterungen aus und möchte ausserordentliche Weinkontingente in Freihandelsabkommen streichen. Weitere Restriktionen im bestehenden Importkontingent seien aber «nicht zielführend»: «Wein als globales Produkt macht nicht halt vor Landesgrenzen», sagt Ursula Beutler. (aargauerzeitung.ch)
