Die Kosten für Heizen und Strom würden explodieren, warnt der Schweizerische Verband der Mieterinnen und Mieter. In den kommenden Wochen und Monaten würden die Mieter mit grossen finanziellen Problemen konfrontiert. «Tausende von Franken» könnten die Mehrkosten betragen. Nicht alle würden dies fristgerecht bezahlen können, was bis zum Verlust der Wohnung führen könne. Die Generalsekretärin des Verbands, Natalie Imboden, hält fest:
Wie schlimm wird die Energiekrise in der Schweiz werden, wie schwer Putins Stresstest fürs Familienbudget? Russlands Präsident Wladimir Putin baut darauf, dass in westlichen Ländern die Unterstützung für den Abwehrkampf der Ukraine wegbricht. Wie Energieministerin Simonetta Sommaruga gegenüber Radio SRF sagte: «Putin dreht den Gashahn zu. Davon ist auch die Schweiz betroffen.»
Und so funkt Putin hinein in die Stromrechnungen und in die Nebenkosten.
Putin verknappt das Gas in Europa. Weil es dort unter anderem zur Produktion von Strom gebraucht wird, kann Putin nicht nur Europas Gaspreise hochdrücken, sondern zugleich die Strompreise. Die Schweiz wiederum ist teils auf europäischen Strom angewiesen – indem sie ihn importiert, ist sie den Manipulationsversuchen Putins ausgesetzt.
Diesen Zusammenhang formulierte die Schweizer Strombehörde Elcom so: «Bedeutender Treiber für die sehr hohen Strompreise in Europa und damit auch in der Schweiz sind die Gaspreise, die im Zuge des Russland-Ukraine-Kriegs ausserordentlich stark anstiegen.» Um wie viel die Tarife für 2023 in die Höhe gehen, wird die Elcom bald bekannt geben. Doch ein Stromhändler warnt heute schon, der richtig grosse Preisschub komme später. Der Reihe nach.
An Vorwarnungen fehlt es nicht. Eine der ersten kam im Juni, als die Elcom in einer Medienmitteilung schrieb, im Grosshandel zeige sich bei den Preisen ein «historisch einmaliger Anstieg». Diese Einmaligkeit wird nun von den Stromversorgern weitergereicht an die privaten Haushalte. Gemäss einer Elcom-Umfrage werden sie im Schnitt rund 47 Prozent mehr verrechnen für die reine Energie. Also fast 50 Prozent mehr. Doch der Preis, den die Haushalte pro Kilowattstunde zahlen, wird weniger extrem ansteigen. Es ist noch eine Art Puffer eingebaut.
Das kommt daher, dass im endgültigen Strompreis neben der Energie noch Netzentgelt und Abgaben enthalten sind. 2022 zahlte ein Haushalt national einen Strompreis von 21 Rappen pro Kilowattstunde. Davon kostete die reine Energie rund 8 Rappen. Dieser Energietarif nimmt nun um rund 47 Prozent zu, also von 8 Rappen auf fast 12 Rappen – was einen Endpreis von etwa 25 Rappen ergibt. Ein Anstieg von 21 auf 25 Rappen entspricht nicht ganz 20 Prozent. Hochgerechnet auf den Verbrauch eines typischen Haushaltes von etwa 4500 Kilowattstunden kommt die Elcom auf Mehrkosten von 180 Franken.
Doch das war im Juni. Seither ist Strom nochmals viel teurer geworden.
Und vor allem sind diese 180 Franken bloss ein nationaler Mittelwert. Dahinter verbergen sich gewaltige Differenzen – man könnte auch von einer grossen Strompreis-Lotterie sprechen. Dem Zürcher «Tages-Anzeiger» sagte der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, die Hälfte der Versorger würden um 30 Prozent und mehr aufschlagen. Das wären dann Mehrkosten von 280 Franken.
Im Kanton Graubünden werden Vorwarnbriefe verschickt, der Strompreis werde sich verdoppeln. Das sind Mehrkosten von 360 Franken. Pech gehabt. Glück haben sie in Zürich – laut Ankündigung des städtischen Elektrizitätswerks EWZ sind die Preiserhöhungen, wenn es sie überhaupt gibt, «marginal». Auch die Nidwaldner werden nur 4 Prozent mehr für ihren Strom bezahlen müssen.
Glück und Pech hängen von vielen Faktoren ab. Doch besonders ins Gewicht fällt, ob der Stromversorger eines Haushalts sich aus eigener Produktion eindecken kann – oder ob er am freien Markt einkaufen muss. Denn dort ist seit Monaten der Teufel los. Die Grosshandelspreise sind regelrecht explodiert. Und diese Preisexplosion schlägt in den Strompreisen für 2023 noch gar nicht voll durch. Dieser Strompreis-Schlag trifft die Haushalte erst 2024 und 2025, wie ein Händler erklärt.
Pascal Vautier, Geschäftsführer beim Stromhändler Ompex, erklärt, die Stromversorger würden sich drei Jahre im Voraus eindecken. Der Strompreis, den sie ihren Kunden für 2023 verrechnen, setzt sich daher zusammen aus einem Mix ihrer Einkaufsjahre von 2020, 2021 und 2022. Mit anderen Worten, es sind aktuell noch zwei gute Jahre enthalten, in denen günstig eingekauft wurde. Vautier sagt:
Dann sei im Vergleich zu 2022 gar eine Verdreifachung des reinen Energiepreises möglich. Das wären Strompreise von 37 Rappen und Mehrkosten von 700 Franken. Vautier warnt: «Allerdings sehe ich noch Potenzial nach oben – die Handelspreise sind gerade derart exorbitant.»
Der grössere Kostenhammer droht aktuell jedoch nicht vom Strom – das Heizen belastet die Budgets ungleich mehr. Wie auch beim Strom spielt das Schicksal mit hinein. Wann hat der Vermieter oder die Vermieterin zuletzt den Heizöltank aufgefüllt? Wie lange bleiben die Preise noch so weit oben? Derzeit kostet Heizöl doppelt so viel wie in den Jahren vor Corona, beim Gas ist es ähnlich. In einer Überschlagsrechnung kommt der Mieterverband darum auf einen Kostenanstieg von heute 1200 auf neu 2400 Franken – eine Verdoppelung.
Strom und Heizen zusammen könnten gemäss Mieterverband so manches Budget sprengen. Zumal der Zufall hineinspielt – und es den einen Haushalt deutlich härter treffen kann als den anderen. Aus einer Erhebung des Bundesamtes für Statistik ist zu entnehmen, dass 20 Prozent der Bevölkerung eine unerwartete Rechnung von 2500 Franken nicht innerhalb eines Monats bezahlen können. (aargauerzeitung.ch)
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