Auch nach seinem Freispruch im Asbest-Prozess ist für den Schweizer Milliardär Stephan Schmidheiny wohl noch kein Ende der italienischen Justizverfahren in Sicht. Dies machte der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guariniello am Donnerstag klar.
«Wir werden nicht aufgeben», sagte Guariniello einen Tag nach dem überraschenden Freispruch Schmidheinys durch das Oberste Gericht Italiens in Rom. Damit meinte er seine Arbeit an einer Anklage gegen Schmidheiny wegen vorsätzlicher Tötung. Das Verfahren, das am Mittwoch mit einem Freispruch für den Schweizer endete, basierte auf dem Vorwurf der vorsätzlichen Verursachung einer andauernden Umweltkatastrophe.
Der Kassationshof habe nicht eine «Absolution» ausgesprochen, sagte Staatsanwalt Guariniello. Das Vergehen sei klar begangen worden, ergänzte er gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Er habe seiner vor einigen Monaten begonnenen Arbeit an einer Totschlag-Anklage 50 weitere Dossiers hinzugefügt. Es geht dabei um 213 Personen, die an Brustfellkrebs gestorben waren.
In einer schriftlichen Reaktion Schmidheinys auf den Freispruch vom Mittwoch war auch auf die laufenden Strafuntersuchungen in Turin verwiesen worden. Die Verteidigung Schmidheinys erwarte, dass der italienische Staat Schmidheiny vor weiteren ungerechtfertigten Strafverfahren schütze und sämtliche laufenden Verfahren einstellen werde, hiess es.
Der Freispruch Schmidheinys war auch vom italienischen Regierungschef Matteo Renzi kommentiert worden. Er äusserte sich erschüttert und sprach von einem «Albtraum der Verjährung». Wenn für einen solchen Skandal niemand zur Rechenschaft gezogen werde, müssten die Gesetze geändert werden, sagte Renzi. «Es gibt Schmerzen, die die Zeit nicht heilt.»
Der 67-jährige Schweizer Milliardär war am Mittwoch in letzter Instanz freigesprochen worden. Seinen Antrag auf Annullation hatte Generalstaatsanwalt Francesco Iacoviello damit begründet, dass das Delikt 1986 geendet habe. Damals wurde das letzte italienische Eternit-Werk geschlossen.
Damit hätten die Emissionen von Asbest-Fasern in die Umwelt aufgehört. Die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall 20 Jahre. Damit sei das Delikt 2006 verjährt, erklärte Iacoviello.
Diesem Antrag folgten die Richter der ersten Strafkammer des Römer Kassationshofes nun. Sie hoben das im Juni 2013 vom Appellationshof in Turin gegen Schmidheiny verhängte Urteil auf.
Im Verfahren ging es um nahezu 3000 durch Asbest erkrankte oder an asbestbedingten Krankheiten verstorbene Menschen im Zusammenhang mit den Eternit-Werken in Italien. Die von Stephan Schmidheiny ab 1976 geführte Schweizerische Eternit-Gruppe SEG war von 1973 bis zum Konkurs 1986 zunächst grösster und später Hauptaktionär der Eternit (Italia) SpA.
Schmidheiny kündigte am Mittwochabend an, ein seit 2008 laufendes Entschädigungsprogramm für Personen mit Asbesterkrankungen fortsetzen zu wollen. Mehr als 1500 Personen hätten das Angebot bisher angenommen und es seien über 50 Millionen Franken ausbezahlt worden. (aeg/sda/afp/ans)