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Airbnb will die Alpen erobern: 6 Chancen und Risiken

Internationale Plattformen wie Airbnb könnten Zermatt zusätzliche Gäste beschaffen.
Internationale Plattformen wie Airbnb könnten Zermatt zusätzliche Gäste beschaffen.Bild: KEYSTONE

Airbnb will die Alpen erobern: 6 Chancen und Risiken

01.05.2015, 11:1001.05.2015, 12:12
Roman Rey
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Airbnb hat eine neue Wachstumsstrategie in der Schweiz: Die US-Webseite will sich in den Wander- und Skigebieten ausbreiten, unter anderem in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Tourismusverbänden. Der Wohnungsvermittler kann den Schweizer Tourismus beleben – doch er bringt auch Gefahren mit sich.

1. Chance: Ein Segen für die Skigebiete

Urs Wagenseil, Tourismus-Experte an der Hochschule Luzern, begrüsst die Bemühungen von Airbnb: «Die Bergregionen in der Schweiz hinken beim Tourismus immer noch ein wenig hinterher. Einerseits gegenüber den Städten, andererseits im internationalen Vergleich», sagt Wagenseil. «Airbnb ist ein zusätzlicher Vertriebskanal, der mehr Gäste in eine Region bringen kann.»

Das bedeutet auch Konkurrenz für die Hotels. «Natürlich kommt es vor, dass jemand statt eines Hotelzimmers eine Airbnb-Wohnung bucht», sagt Wagenseil. Dieser Kannibalisierungseffekt sei in den Städten aber höher als in den ländlichen Gebieten. Dort würden Ferienwohnungen, Appartements und Studios aller Art seit Jahrzehnten vermietet.

«Airbnb selbst ist keine Revolution in dem Sinne. Neu ist, dass ein grosses, globales Unternehmen diese Angebote koordiniert», so Wagenseil.

2. Chance: Ein guter Partner für die Tourismusverbände

Mit welchen Regionen man enger zusammenarbeiten will, will Airbnb noch nicht verraten. Feriengebiete wie Zermatt, Gstaad und St.Moritz gaben gegenüber der «Schweiz am Sonntag» an, nichts vom US-Unternehmen gehört zu haben. 

Eine Umfrage bei den Verbänden der grössten Tourismusregionen zeigt: Man ist überall offen für eine Kooperation mit Airbnb, sofern sich der Wohnungsvermittler an die Gesetze halte, die für Anbieter von Ferienwohnungen gelten.

3. Chance: Tourismus-Abgaben kommen auch Airbnb zugute

Viel hängt vom Willen Airbnbs ab, auch mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Als erste Schweizer Stadt verpflichtete Bern Airbnb-Gastgeber, eine Kurtaxe zu bezahlen. Wer diese Gastgeber sind, will das US-Unternehmen aber nicht herausrücken. Die Behörden müssen also die Anbieter auf der Webseite zusammensuchen und anschreiben.

Warum diese Abgaben wichtig sind, erläutert Tourismusexperte Wagenseil: «Die Arbeit der Tourismusbüros wird auch durch die Abgaben der Hotels und der Kurtaxen finanziert. Das muss auch ein Airbnb-Anbieter wissen und bereit sein, dieses System mitzufinanzieren. Er selber hat schliesslich auch etwas davon.»

Diese Praxis gehört jedoch momentan nicht zum Standard. «Die traditionellen B&Bs, Schlafen im Stroh, Ferien auf dem Bauernhof, Hotels und Berggasthäuser liefern monatlich korrekt ihre Logiernächtezahlen», sagt Guido Buob, Geschäftsführer von Appenzellerland Tourismus AI. «Wir wissen von einzelnen Airbnb-Anbietern in Appenzell, dass sie dies nicht tun, obwohl die Gäste genau gleich von der touristischen Infrastruktur profitieren.»

1. Risiko der «Schattenwirtschaft»

Unter anderem deshalb fordert der Dachverband Hotelleriesuisse gleich lange Spiesse für alle. «Es geht dabei nicht um Airbnb, sondern um kommerzielle Anbieter, die die Plattform nutzen», sagt Thomas Allemann von Hotelleriesuisse. Er spricht von einer «Schattenwirtschaft».

Hotels und Anbieter von Ferienhäusern müssen eine Vielzahl von Vorschriften einhalten. Viele davon betreffen die Sicherheit des Gastes. An diese Regeln halten sich Airbnb-Anbieter oft nicht. «Wenn etwas Schlimmes passiert, wirft das ein schlechtes Bild auf die Schweiz als Reiseziel», so Allemann.

Der Bundesrat beschäftigt sich auch mit dem Thema: Im Herbst soll ein Bericht erscheinen, der zeigen soll, ob Regulierungen für Airbnb nötig sind.

2. Risiko: Doppelspurigkeit

Mit Airbnb und Buchungsplattformen wie Booking.com mischen starke internationale Unternehmen im Schweizer Tourismusmarkt mit. «Um ihnen Paroli bieten zu können, müssen Hotels und regionale Verbände enger zusammenarbeiten», sagt Thomas Allemann vom Hotel-Dachverband Hotelleriesuisse.

Die neue Strategie von Airbnb könnte solchen Bemühungen entgegenwirken. «Wenn diverse Einzelregionen nun verschiedene Kooperationsverträge abschliessen, laufen wir Gefahr, dass wir Doppelspurigkeiten haben», sagt Myriam Keller von Graubünden Ferien. «Das würde zu Mehrkosten und einem erhöhten Koordinationsaufwand führen.»

3. Risiko: Dominanz der internationalen Plattformen

Die Buchungsplattformen sorgen bei den Hotels seit längerem für Stirnrunzeln. Es ist eine gewisse Ratlosigkeit spürbar. «Die Hotellerie ist nun gefordert. Sie ist mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert wie die Reisebüros», sagt Experte Wagenseil. «Seit der Kunde online Reisen buchen kann, stehen diese massiv unter Druck. Sie müssen einen Mehrwert bieten, um im Spiel zu bleiben.»

Hotelleriesuisse schlägt auch vor, die Regelungen für Hotels zu lockern, um sie den Bedingungen der Airbnb-Anbieter anzugleichen. Von dieser Idee hält Wagenseil nicht viel: «Airbnb ist ein Trend und ein Kundenbedürfnis und es gilt, diesen möglichst rasch in unser System zu integrieren.» Der hiesige Tourismus sei seit der Loslösung des Frankens an den Eurokurs noch mehr unter Druck. «Ein kompletter Systemwechsel würde Jahre dauern», sagt Wagenseil.

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