In den Wochen nach den US-Präsidentschaftswahlen verdoppelte sich der Wert einer Tesla-Aktie von 242 auf 479 Dollar. Elon Musks Image als Einflüsterer des neuen Präsidenten, manche nannten den Multimilliardär bereits Schattenpräsident, liess die Aktie in die Höhe schnellen. Parallel dazu erreichte auch Elon Musks Vermögen neue schwindelerregende Höhen. Am 17. Dezember erreichte Musks Besitz einen Wert von 486 Milliarden Dollar. Seit Bloomberg die reichsten Menschen der Welt indexiert, besass nie ein Individuum ein so grosses Vermögen wie der geborene Südafrikaner.
Doch seither ist einiges passiert. Donald Trump hat mit Zöllen gegen Mexiko, Kanada, China und die EU einen Handelskrieg angezettelt. Ausländischer Stahl und Aluminium wird mit 25 Prozent belastet – das trifft unter anderem auch die US-Autoindustrie hart. Gleichzeitig offenbart Tesla-CEO Elon Musk, der immer mehr im Rampenlicht steht, ein geradezu erratisches Verhalten. Zuerst liess er sich zu zwei Hitlergrüssen hinreissen, kürzlich relativierte er Hitlers Rolle beim Genozid während des Zweiten Weltkriegs mit einem Retweet. Gleichzeitig zeigt er sich in Interviews nachdenklich, beinahe weinerlich. Und die Gerüchte um seinen Drogenkonsum und regelmässige Heul-Attacken nehmen nicht ab. Das einstige Liebkind der Liberalen hat die Maske abgelegt. Und das schadet seiner Autofirma.
Die Verkaufszahlen von Tesla brechen weltweit ein. In Europa, in grossen Märkten wie Deutschland, Frankreich, Italien zwischen 45 und 75 Prozent. Bei einer Umfrage von t-Online gaben 94 Prozent der Befragten an, sie würden keinen Tesla mehr kaufen. Auch im wichtigen Markt in China taucht Tesla um 50 Prozent – und verkaufswillige Besitzer beklagen sich, dass im Tesla-Occasionsmarkt die Angebotsseite die Nachfrageseite geradezu überflutet.
Derweil wüten Proteste vor den Filialen des Autoherstellers. In Frankreich werden Teslas angezündet und in den USA müssen Polizisten zum Schutz von Filialen eingesetzt werden. In den sozialen Medien werden stolz Tesla-Ersatz-Elektrofahrzeuge der Konkurrenz gezeigt und Grossinvestoren zeigen sich über den Verlauf der Aktie besorgt. Kein Wunder. Seit Trump im Amt ist – und Elon Musk an seiner Seite wütet –, hat die Tesla-Aktie die Kursgewinne nach der Wahl wieder eingebüsst und tauchte kurzfristig gar bis unter 230 Dollar. Doch das Problem ist noch gravierender.
Wie bei keinem anderen Autobauer beruht die Bewertung der Tesla-Aktie auf dem Prinzip Hoffnung – also auf einem Zukunftsversprechen. Teslas Gewinn betrug 2024 7 Milliarden – der Konzern wird aber mit über 780 Milliarden bewertet: mit dem Hundertfachen des Jahresgewinns. Laut «Frankfurter Rundschau» ist dies äusserst ungewöhnlich. VW wies einen Gewinn von 19 Milliarden aus – wird aber nur auf 60 Milliarden geschätzt. Dasselbe Bild bei Toyota: Der Gewinn belief sich auf 43 Milliarden – die Marktkapitalisierung beträgt 268 Milliarden. Tesla hat auch nach den enormen Kursverlusten noch immer dreimal so viel Wert wie der weltweit grösste Autobauer.
Wird Tesla dem Zukunftsversprechen gerecht werden können? Die Zweifler werden immer lauter. Bereits im Juni will Musk mit seiner Robo-Taxi-Flotte – genannt «Cybercab» – starten. Dabei ist ihm beim autonomen Fahren die Konkurrenz enteilt. Während europäische Hersteller wie Mercedes, BMW und Stellantis von den fünf Stufen bis zum vollautomatischen Fahren bereits bei Level 3 sind, tuckert Tesla noch bei 2+ herum. Teslas Marketing und die Verwendung irreführender Begriffe haben dazu geführt, dass dem US-Hersteller länger als verdient der Ruf anhing, auf Augenhöhe mit den Besten zu sein. Kenner der Szene, etwa der Ex-CEO von Konkurrent Waymo, glauben, Tesla sei noch Jahre von einem funktionierenden autonomen Fahrzeug entfernt. Einige amerikanische Medien sind dem Projekt gegenüber so kritisch eingestellt, dass sie gar einen Rohrkrepierer befürchten.
Als womöglich «überverkauft» gelten auch andere Tesla-Projekte. Der humanoide Allzweckrobotor Optimus musste bei Präsentationen von Menschen gesteuert werden. Wann die angekündigte Wunderbatterie kommt, steht in den Sternen – auch bei der Batterietechnologie machte die Konkurrenz viel Boden gut. Die üblichen Verdächtigen VW, Mercedes und Toyota liebäugeln bereits mit Solid-State-Batterien. Und dann ist da noch das Cyber-Truck-Debakel. Angekündigt für unter 40’000 Dollar, kostete der Stahlkoloss am Ende über 60’000 Dollar.
Viel erreicht hat Elon Musk zweifelsohne. Beim viel Versprechen ist er aber noch besser. Das Gute an Musk ist: In seinem Fall lässt sich seine Glaubwürdigkeit messen – am Kurs der Tesla-Aktie. Wir werden sehen, wohin dieser sich bewegt.
Und jetzt, da die Verkäufe dank Musks Eskapaden einbrechen, gleichzeitig der Innovationslack ab ist und auf weiter Flur absolut nichts verkaufsträchtiges auf dem Weg ist - Musk hin oder her - kann der Kurs eigentlich nur eine Richtung nehmen.
Und dass ist auch gut so. Es ist befriedigend zu sehen, wie der Grössenwahn so langsam korrigiert wird…