Wirtschaft
Umwelt

Ein Milliardär will den grünen Kapitalismus gründen

Yvon Chouinard am Mt. Hood, Oregon, Ende der 1970er-Jahre.
https://de.wikipedia.org/wiki/Yvon_Chouinard#/media/Datei:Yvon_Chouinard._Mt_Hood.jpg
War ein Kletter-Pionier: Yvon Chouinard.Bild: Wikimedia

Ein Milliardär will den grünen Kapitalismus gründen

Patagonia-Gründer Yvon Chouinard wollte nie Unternehmer werden. Gerade deswegen ist er zu einem Vorzeige-Unternehmer geworden.
15.09.2022, 14:5015.09.2022, 21:00
Mehr «Wirtschaft»

John Rockefeller war einst nicht nur der reichste Mann der Welt. Er ist auch der Begründer einer Weltanschauung, die besagt: Wer reich ist, sollte auch reichlich spenden. Seinen zweiten Lebensabschnitt – und den nach eigenen Worten viel härteren – verbrachte er deshalb vorwiegend damit, wie er seinen Reichtum sinnvoll für die Allgemeinheit einsetzen könne. Rockefeller gründete unter anderem die Chicago University und vor allem die heute noch bedeutende Rockefeller Foundation.

Rockefellers Beispiel machte Schule. In den USA gibt es zahllose Stiftungen, die von Superreichen gegründet wurden. Bill Gates und Warren Buffett sind aktuell die bekanntesten Namen, aber auch die geschiedene Frau von Jeff Bezos und die Witwe von Steve Jobs gehören dazu.

John D. Rockefeller, Sr., American industrialist and philantropist in Cleveland, Nov. 1911. (AP PHOTO)
Sein Beispiel hat Schule gemacht: John D. Rockefeller.

Nicht immer sind diese Stiftungen reine Philanthropie. Oft handelt es sich auch schlicht um Steuerhinterziehung. So erklärt David Callahan, der Gründer der Website Inside Philanthropy gegenüber der «New York Times»: «Selbst diejenigen, die ein Spende-Versprechen abgegeben haben, spenden oft gar nicht so viel und werden jedes Jahr reicher.»

Im Fall von Patagonia trifft dies definitiv nicht zu. Yvon Chouinard, der 83-jährige Gründer der legendären Outdoor-Bekleidungs-Firma, hat soeben sein Unternehmen an eine wohltätige Stiftung vermacht – und zwar vollumfänglich. Konkret wird eine Stiftung, der Patagonia Purpose Trust, zwei Prozent des Aktienkapitals, aber sämtliche Stimmrechte erhalten. Die restlichen Aktien werden einer Organisation namens Holdfast Collective überwiesen. Diese NGO wird darüber entscheiden, wie die rund 100 Millionen Dollar, welche Patagonia durchschnittlich pro Jahr erwirtschaftet, verwendet werden.

Sorgfältig wurde auch darauf geachtet, dass die Steuern regulär entrichtet wurden. Die Familie hat 17,5 Millionen Dollar dem Fiskus überwiesen.

Die beiden Kinder von Chouinard, Fletcher und Claire, gehen leer aus. Sie werden jedoch weiterhin für das Unternehmen tätig sein. Das ist durchaus in deren Sinn. «Es ist ihnen sehr wichtig, dass sie nicht als finanziell Begünstigte dastehen», erklärt dazu Ryan Gellert, der CEO von Patagonia, gegenüber der «New York Times». «Ich weiss, es mag ein bisschen nonchalant tönen, aber sie verkörpern die Vorstellung, wonach jeder Milliardär ein Versagen der Politik darstellt.»

Es handelt sich hier offensichtlich um einen klassischen Fall von zwei Äpfeln, die nicht weit vom Stamm gefallen sind. In seiner Jugend lebte Vater Chouinard mehr als bescheiden. Der fanatische Kletterer hielt sich am liebsten im Yosemite Valley in Kalifornien auf. Dabei hauste er in seinem Auto und ernährte sich von Katzenfutter. Heute wohnt er in zwei bescheidenen Häusern im Bundesstaat Wyoming, trägt meist zerschlissene Kleider und fährt einen verbeulten Subaru.

Der Gründer und bisherige Besitzer der Outdoor-Firma Patagonia, Yvon Chouinard, hat sein Unternehmen an gemeinnützige Stiftungen übertragen.
Lebt auch als Milliardär bescheiden: Yvon Chouinard.Bild: Patagonia

Zum Unternehmer wurde Chouinard wider Willen. «Ich wollte nie ins Business eintreten», hat er vor Jahren dem «Wall Street Journal» verraten. «Ich habe an Patagonia festgehalten, weil ich das Gefühl habe, damit etwas Gutes tun zu können. Ich will damit zeigen, dass auch Unternehmen ein sinnvolles Leben führen können.»

Wider Willen wurde Chouinard auch zum Milliardär. «Als ich zum ersten Mal in der Forbes-Liste der Milliardäre erschien, hat mich das stinksauer gemacht», sagt er. Mit seinem Unternehmen an die Börse zu gehen, war daher nie eine Option. «Wer an der Börse kotiert ist, muss sich einzig um den Profit kümmern und verliert die Kontrolle über sein Unternehmen», sagt er und betont, dass nun «die Erde sein Aktionär» geworden sei.

Chouinard kümmert sich nicht nur um die Umwelt, er mischt sich auch in die Politik ein. Als ein bekannter Skiort in Wyoming einen Anlass mit der Trump-Verehrerin Marjorie Taylor Green durchführte, untersagte er die Lieferung von Patagonia-Artikel an die örtlichen Kleidergeschäfte.

Patagonia wird ein kapitalistisches Unternehmen bleiben, aber eines der besonderen Art. «Ich hoffe, dass ich eine neue Art des Kapitalismus angestossen habe», erklärt Chouinard gegenüber der «New York Times». «Ein Kapitalismus, der nicht dazu führt, dass ein paar wenige sehr reich und andere sehr arm werden. Deshalb werden wir so viel Geld wie möglich an Menschen verteilen, die sich aktiv darum kümmern, diesen Planeten zu retten.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die reichsten Prominenten
1 / 12
Die reichsten Prominenten
Platz 1: Sängerin Taylor Swift – 170 Millionen Dollar.
quelle: al powers/powers imagery/invision/ap/invision / al powers/powers imagery
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Recycling in der Schweiz? Das werde ich nie beherrschen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
70 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
s'Paddiesli
15.09.2022 15:59registriert Mai 2017
"wonach jeder Milliardär ein Versagen der Politik darstellt."

Dem stimme ich 100%ig zu.
19415
Melden
Zum Kommentar
avatar
Garp
15.09.2022 15:11registriert August 2018
Ich bin zwiespältig. Milliardäre sollten keine Möglichkeiten haben Steuern zu sparen, da jeder Staat viele Aufgaben zu bewältigen hat. Danach bleibt immer noch Geld für persönliche Herzensangelegenheiten.

Der einfache Bürger kann auch nicht entscheiden, wie sein Geld eingesetzt werden soll. Also sollten sich Milliardäre zuerst dafür einsetzen, Steuerschlupflöcher zu stopfen und ihren Steueranteil zu erhöhen.
9818
Melden
Zum Kommentar
avatar
Moeff
15.09.2022 16:16registriert November 2019
Am System Kapitalismus ändert das ja null und nichts. Wenn die Mehrheit der Unternehmer*innen so denken und handlen würden, dass es den Menschen und Umwelt gut geht, wäre es kein Kapitalismus mehr. Dann wäre es eine Gemeinwohlökonomie
479
Melden
Zum Kommentar
70
UBS beendet Vereinbarungen mit Apollo für früheres CS-Geschäft

Die Grossbank UBS schliesst die Ausgliederung des früheren CS-Geschäfts mit verbrieften Produkten vollständig ab. Dazu hat sie mit der US-Gesellschaft Apollo vereinbart, die bisher gültigen Abmachungen zur Verwaltung zu beenden.

Zur Story