Wissen

Chip im Hirn: Gelähmter steuert erstmals Arm mit Gedanken

Ian Burkhart mit seiner Chiphand.
Ian Burkhart mit seiner Chiphand.Bild: HANDOUT/REUTERS

Chip im Hirn: Gelähmter steuert erstmals Arm mit Gedanken

13.04.2016, 19:0813.04.2016, 20:12
Mehr «Wissen»

Ein querschnittsgelähmter Mann kann seine rechte Hand mittels Chip durch Gedanken bewegen. Die Entwicklung macht Hoffnung, von einer breiten Anwendung ist sie jedoch noch weit entfernt.

Der Chip im Gehirn des Mannes setzt Muster von Hirnaktivitäten in Handbewegungen um. So kann er über Hirnsignale eine Manschette steuern, die bestimmte Muskeln in seinem Unterarm elektrisch stimulieren. Die Forscher vom Battelle Memorial Institute und von der Ohio State University (beide in Columbus) präsentieren ihre Entwicklung im Fachjournal «Nature».

Dem damals 24 Jahre alten, querschnittsgelähmten Ian Burkhart aus Dublin (US-Staat Ohio) wurde 2014 ein erbsengrosser Computerchip in jenes Hirnareal eingesetzt, das Bewegungen steuert. Wenn er sich eine Bewegung vorstellt, etwa «die Hand öffnen», dann erzeugt sein Hirn ein charakteristisches Muster dieser Aktivität. Die Forscher entwickelten eine lernfähige Software, die solche Muster entschlüsseln kann.

Vom Gedanken zur Bewegung

Das Computerprogramm übersetzt den Gedanken in Echtzeit in Impulse für die Unterarmmanschette, die gezielt Muskelpartien elektrisch stimuliert. Daraufhin führt die Hand die vorgestellte Bewegung aus. Burkhart ist es - mit viel Training - inzwischen gelungen, aus einer Karaffe einzuschenken, eine Kreditkarte zu handhaben und sogar ein Gitarren-Videospiel zu spielen.

Eine breite Anwendung der Technik erscheint jedoch noch in weiter Ferne. Burkhart war der erste eigens ausgewählte Querschnittsgelähmte. Die Forscher haben nun einen zweiten Teilnehmer ausgesucht, der im Sommer in die Studie zu dieser Technik aufgenommen werden soll.

Hirnsignale entziffern

«In den vergangenen zehn Jahren haben wir gelernt, die Hirnsignale von vollständig gelähmten Patienten zu entziffern», sagt Chad Bouton laut einer Pressemitteilung der Forschungsinstitute. Bouton leitete das Battelle-Team und arbeitet heute am Feinstein Institute for Medical Research in New York, USA. «Nun werden diese Gedanken zum ersten Mal in Bewegung verwandelt.»

Er habe immer Hoffnung gehabt, sagt Burkhart, der seit einem Unfall vom Hals abwärts gelähmt ist. «Aber nun weiss ich aus erster Hand, dass es Fortschritte in Wissenschaft und Technik gibt, die mein Leben besser machen werden.»

Noch sind die einzelnen Teile des Systems per Kabel miteinander verbunden. Doch der beteiligte Neurochirurg Ali Rezai von der Ohio State University denkt schon weiter: «Wir hoffen, dass sich diese Technologie zu einem drahtlosen System entwickeln wird, das Hirnsignale und Gedanken mit der Aussenwelt verbindet.»

Medizinische Fortschritte

Immer wieder berichtet die Medizinforschung über Fortschritte bei der Behandlung von Lähmungen. So schilderte 2012 ein Team um Susan Mackinnon von der Washington University in St. Louis, Missouri, den Fall eines gelähmten Mannes, der nach einer Operation wieder leicht greifen konnte. Die Ärzte hatten Nerven des Patienten neu miteinander verschaltet, so dass ein Nerv, der eigentlich Signale für den Oberarm gab, Befehle für die Finger lieferte.

Bereits ein Jahr zuvor hatte eine Forschungsgruppe um Susan Harkema von der Universität Louisville im US-Staat Kentucky einem Gelähmten mit Hilfe elektrischer Muskelstimulation auf die Beine geholfen: Der Patient konnte immerhin einige Minuten selbstständig auf seinen Füssen stehen. Allerdings war seine Lähmung nicht vollständig, weil er im gelähmten Bereich noch etwas fühlte. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Themen
Das könnte dich auch noch interessieren:
6 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Aliyah
13.04.2016 21:04registriert März 2016
Höh? Ich versteh ja nicht viel von Humanbiologie aber es steht er sei querschnittsgelähmt. Aber wenn die Arme ebenfalls gelähmt sind ist er doch Tetraplegiker und nicht Paraplegiker. Liege ich falsch?
270
Melden
Zum Kommentar
6
Die Mär von der gescheiterten Böögg-Verbrennung von 1923 und wie sie entstanden ist
Der Böögg 2024 lebt! Wegen zu starker Windböen konnte er am Zürcher Sechseläuten gestern nicht verbrannt werden. Eine Premiere, denn die Story, dass die Böögg-Verbrennung 1923 buchstäblich ins Wasser fiel, stimmt nicht.

Was für eine Enttäuschung für die zu Tausenden aufmarschierten Zünfter, Schaulustigen und Hobby-Brätlerinnen und -Brätler: Da der Wind am Montagabend auf dem Zürcher Sechseläutenplatz zu heftig bläst, kann der Böögg nicht verbrannt werden. Hauptsorge der Organisatoren sind die Funken, welche durch die Windböen ins Publikum hätten fliegen und eine Massenpanik auslösen können.

Zur Story