Wissen
Auto

Die CO₂-Werte bei Neuwagen sind deutlich höher als angegeben

CO₂-Werte bei Neuwagen sind deutlich höher als angegeben

Eine neue Studie aus Deutschland deckt auf, dass die realen CO₂-Emissionswerte von Neuwagen rund 14 Prozent höher sind als angegeben.
31.01.2024, 02:1631.01.2024, 08:48
Mehr «Wissen»

Die Mitenthüller des VW-Skandals haben eine neue Studie vorgelegt: Demnach klaffen die offiziellen und realen CO₂-Emissionswerte von Neuwagen in Deutschland weiter als bisher auseinander.

Die Studie in 5 Punkten:

Emissionen im Schnitt 14 Prozent höher

Im Jahr 2022 lag die Differenz für in Deutschland neu zugelassene Autos durchschnittlich bei 14,1 Prozent, wie die Forscher am Mittwoch in der deutschen Hauptstadt Berlin mitteilten.

Das bedeutet den Autoren zufolge: Die Werte seien im realen Betrieb um 14,1 Prozent höher gewesen als von den Autobauern angegeben. 2018 habe die Differenz noch bei durchschnittlich 7,7 Prozent gelegen.

Mehr als 160'000 Autos verglichen

Für die Analyse haben die Forscher offizielle CO₂-Emissionsdaten der Europäischen Umweltagentur (EEA) mit realen Verbrauchsdaten von mehr als 160'000 Autos verglichen. Letztere dienten demnach als Mass für den tatsächlichen CO₂-Ausstoss. Die Daten für den Verbrauch stammten von der Website spritmonitor.de. Bei den untersuchten Fahrzeugtypen handelte es sich um Verbrenner- und konventionelle Hybridfahrzeuge. Autos mit Plug-in-Hybrid-Antrieb wurden demzufolge bereits in einer früheren Studie analysiert.

Allradfahrzeuge und SUVs sind nach wie vor beliebt. Dies ist einer der Gründe dafür, dass das CO2-Ziel bei den Neuwagen nicht erreicht wird. (Symbolbild)
Seit 2010 schreibt die Pkw-CO₂-Verordnung in der EU vor, dass Autohersteller den CO₂-Ausstoss ihrer Fahrzeuge ausweisen und Abgaben zahlen müssen, wenn sie bestimmte Grenzen überschreiten.Bild: KEYSTONE

Indikator für die Entwicklungen auf EU-Ebene

Die Forscher gehen davon aus, dass die Entwicklung der CO₂-Emissionen der Neuwagenflotte in Deutschland auch ein guter Indikator für die Entwicklungen auf EU-Ebene ist. Sie begründen das in der Studie unter anderem damit, dass der deutsche Fahrzeugmarkt der grösste in Europa ist und auch die Flottenzusammensetzung für nicht-elektrische Autos weitgehend dem EU-Durchschnitt entspricht.

Der offizielle CO₂-Ausstoss von neuen Fahrzeugmodellen wird in einer kontrollierten Laborumgebung ermittelt. Dafür wurde im Jahr 2017 in der Europäischen Union das Prüfverfahren WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) eingeführt. Dieses ist gründlicher als das vorherige Verfahren NEFZ und liefert dadurch realistischere Werte bei den Schadstoff-Emissionen sowie beim Spritverbrauch.

EU-Bemühungen untergraben

Im ersten Jahr nach der Umstellung sei die Differenz zwischen den Labor- und den realen Werten deshalb auch von 32,7 Prozent auf 7,7 Prozent gesunken. Nun vergrössert sich der Abstand demnach wieder. Jan Dornoff, leitender ICCT-Wissenschaftler und Mitautor, teilte dazu mit:

«Wird hier nicht gegengesteuert, verlieren die offiziellen CO₂-Emissionswerte zunehmend an Aussagekraft für die tatsächlichen Emissionen».

Der Trend untergrabe die EU-Bemühungen, verkehrsbedingte CO₂-Emissionen durch strengere Vorgaben zu senken. Ausserdem müssten Verbraucher mehr für Kraftstoff bezahlen als erwartet.

Seit 2010 schreibt die EU-Pkw-CO₂-Verordnung vor, dass Autohersteller den CO₂-Ausstoss ihrer Fahrzeuge ausweisen und Abgaben zahlen müssen, wenn sie bestimmte Grenzen überschreiten. Bis 2035 sollen Neuwagen keine Emissionen mehr ausstossen.

Vorschlag für Korrekturmechanismus

Die offiziellen CO₂-Emissionswerte sind den Studienautoren zufolge zwischen 2018 und 2022 um rund 7,3 Prozent gesunken. Im Realbetrieb auf der Strasse sei von der Reduktion mit 2,3 Prozent aber nur weniger als ein Drittel übrig geblieben. Um das auszugleichen, schlagen die Forscher vor, die Daten der seit Anfang 2021 in Neufahrzeugen vorgeschriebenen Verbrauchsmessgeräte heranzuziehen.

ICCT-Geschäftsführer Peter Mock sagte dazu:

«Damit lässt sich ein Korrekturmechanismus einrichten, der sicherstellt, dass die offiziellen CO₂-Emissionswerte, die die Hersteller in den kommenden Jahren erfüllen müssen, so aktualisiert werden, dass sie auch real den ursprünglich beabsichtigten und gesetzlich festgeschriebenen Minderungszielen entsprechen.»

Die International Council on Clean Transportation (ICCT) ist eine unabhängige Forschungsorganisation. Sie hat 2015 in den USA den VW-Abgasskandal mit aufgedeckt.

(cst/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
22 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Pontifax
31.01.2024 07:20registriert Mai 2021
Sagte ich es doch: Die Europäischen Autobauer haben NICHTS gelernt. Und dann wundern sie sich, warum immer mehr Menschen lieber asiatische Fahrzeuge kaufen. Wechselt endlich die Greise in den Führungsetagen der Konzerne aus.
5818
Melden
Zum Kommentar
avatar
GianniR
31.01.2024 09:17registriert April 2020
Die meisten Kommentare hier zeugen von wenig Ahnung über Auto(-technik). Wer von Betrug und "Schummelsoftware" schreibt, versteht schlicht die Zusammenhänge nicht. Das neue Testprozedere WLTP definiert präzise, welche Testfahrt (% Stadt, Landstrasse, Autobahn usw.) absolviert werden muss. Da kann man nicht bescheissen. Der einzige Vorwurf, der bleibt: Das definierte Testprozedere bildet die reale Nutzung der Fahrzeuge nicht genügend richtig ab (z.B. weniger Beschleunigungsphasen als in der realen Nutzung). Das ist aber nicht der Fehler der Autohersteller. Und gilt auch für China-Hersteller!
306
Melden
Zum Kommentar
avatar
Homelander
31.01.2024 08:13registriert Oktober 2014
Der CO2 Ausstoss hängt direkt mit dem Verbrauch zusammen. Ob man einen Liter Benzin in einem Eimer oder einem Motor verbrennt spielt keine Rolle. Da die vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte zu tief sind, sind es somit auch die CO2 Werte. Die Studie war nutzlos.
267
Melden
Zum Kommentar
22
Flugzeugcrash auf dem Gauligletscher: Geburts­stun­de der Bergret­tung aus der Luft
Als im November 1946 eine Dakota C-53 auf über 3000 Metern auf dem Gauligletscher notlandete, war das nicht nur eine Meisterleistung des Piloten. Die Rettung aller zwölf Überlebenden war auch der Startschuss zur modernen Bergrettung aus der Luft.

Der damals 25-jährige Pilot Ralph Tate Jr. erinnert sich: «Ich sehe dunkle Linien unter uns, sehr schnell, und dann – ich verstehe es erst später, es waren Gletscherspalten und sie wurden automatisch zu einem Gletscher...». Er sollte acht Passagiere und vier Mannschaftsmitglieder von Wien über Marseille nach Pisa fliegen. Nach dem Start machte der schnell vereisende rechte Motor aber massive Probleme, sodass die Maschine in München zwischenlanden musste.

Zur Story