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Corona: Diese Medikamente braucht ein Patient auf der Intensivstation

Video: watson/Emily Engkent

Diese Medikamente braucht ein Covid-Patient auf der Intensivstation – an nur einem Tag

03.12.2021, 10:3403.12.2021, 12:17
Corsin Manser
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Emily Engkent
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Dicke Schneeflocken fallen vor dem Stadtspital Zürich Triemli an diesem Morgen vom Himmel. Der Winter ist definitiv in der Schweiz angekommen. Obschon die kalte Jahreszeit gerade erst begonnen hat, herrscht im Spital bereits Hochbetrieb. «Die Intensivstation ist im Moment voll», sagt Patricia Fodor. «Wir stehen ständig im Kontakt mit den anderen Spitälern in der Region, es sieht nirgends besser aus.»

Fodor leitet seit zehn Jahren die Intensivstation im Triemli. Sie ist stellvertretende Chefärztin des Instituts für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Man merkt es ihr an, sie will nicht pessimistisch sein. Dennoch gibt sie deutlich zu verstehen, dass die Lage ernst ist. Man könne natürlich zusätzliche Betten heranschaffen, so Fodor. «Aber das nützt nichts. Wir haben zu wenig Fachpersonen.»

Video: watson/Emily Engkent

Weshalb es gut geschulte und erfahrene Leute braucht, wird uns in der folgenden Stunde klar. Denn Fodor zeigt uns die Medikamente, die eine Covid-Patientin oder ein Covid-Patient auf der Intensivstation bekommt – an einem einzigen Tag. Es sind über zwei Dutzend Präparate, die mit höchster Vorsicht und genau aufeinander abgestimmt, verabreicht werden müssen.

Fodor hat die Medikamente auf einem Tisch vor uns ausgebreitet:

Diese Medikamente erhält eine Covid-Patientin oder ein Covid-Patient auf der Intensivstation an einem einzigen Tag.
Diese Medikamente erhält eine Covid-Patientin oder ein Covid-Patient auf der Intensivstation an einem einzigen Tag.bild: watson

Schlaf- und Schmerzmittel

Man liest häufig von Covid-Patientinnen und Covid-Patienten, die im «Koma» liegen. Fodor erklärt: «Man sagt dem manchmal einfach ‹Koma›, aber korrekt ist ‹künstliche Narkose›. Das machen wir.»

Fentanyl gegen die Schmerzen.
Fentanyl gegen die Schmerzen.bild: watson

Da die Patientinnen und Patienten den Schlauch des Beatmungsgerätes bei Bewusstsein nicht ertragen, brauchen sie Schlaf- und Schmerzmittel. Im Zürcher Stadtspital verabreichen sie dazu eine Viererkombination an Medikamenten – bestehend unter anderem aus Propofol und dem sehr starken Opiat Fentanyl. «Diese Medikamente sind Bestandteil einer normalen Narkose», sagt Fodor. Manchmal brauche es auch noch ein Muskelrelaxan.

«90 bis 95 Prozent unserer Covid-Patientinnen und Covid-Patienten sind ungeimpft», so Fodor. Ob es Personen gibt, die ihren Entscheid bereuen, weiss sie nicht. Die Patientinnen und Patienten sind auf der Intensivstation meistens nicht in der Lage, zu sprechen.

Blutdruck

Weil der Blutdruck durch die Schlafmittel fällt, muss er stabilisiert werden. Im Stadtspital Zürich werden den Patientinnen und Patienten dafür zwei Medikamente verabreicht: Noradrenalin und Terlipressin.

Medikamente zur Regulation des Blutdrucks.
Medikamente zur Regulation des Blutdrucks.bild: watson

Gleichzeitig muss auch die Thrombosegefahr bekämpft werden. Zur Blutverdünnung wird deshalb Liquemin eingesetzt. «Wir geben den Patienten aber nicht wie sonst eine kleine Dosis», so Fodor. Covid-Patientinnen und Covid-Patienten hätten eine so hohe Tendenz zu Thrombosen, dass man das Liquemin viel höher dosiere. «Das müssen wir ganz engmaschig im Labor überwachen.»

Bakterieller Infekt

Häufig kommt es vor, dass sich die Patientinnen und Patienten neben dem Virus auch noch einen bakteriellen Infekt einfangen. Dann arbeiten die Intensivmedizinerinnen und die Intensivmediziner mit Antibiotikum.

Antibiotikum gegen bakterielle Infektionen und Pilzmittel.
Antibiotikum gegen bakterielle Infektionen und Pilzmittel.

Pilzinfektion

Nebst dem Virus und der bakteriellen Infektion besteht auch die Gefahr einer Pilzinfektion. Dabei handle es sich um Pilzinfektionen, die man sonst eher selten auf der Intensivstation beobachte, erklärt Fodor. Diese müsse man mit speziellen Pilzmitteln bekämpfen.

Die Pilzinfektionen können sehr gefährlich sein. «Wir hatten auch schon zwei, drei Fälle, die den Pilz nicht überstanden haben», sagt Fodor.

Magen-Darm-Trakt

Die Patientinnen und Patienten können auf der Intensivstation aktiv keine Nahrung zu sich nehmen. Deshalb werden ihnen die wichtigsten Nahrungsmittel via Magensonde verabreicht. Wenn die Patientinnen und Patienten stabil sind, erhalten sie 1500 Kalorien am Tag. Bei instabilen Personen liegt die Kalorienzufuhr zwischen 0 und 800 am Tag. «Der Körper darf auf der Intensivstation seine Energie nicht für die Verdauung aufbrauchen, er braucht sie an anderen Stellen», erklärt Fodor.

Mit diesem Mittel werden die Patientinnen und Patienten ernährt.
Mit diesem Mittel werden die Patientinnen und Patienten ernährt.bild: watson

Weiter wird ein spezielles Mittel mit Proteinen verabreicht. Auch die Spurenelemente dürfen nicht fehlen: etwa Kalium, Phosphat, Magnesium und Vitamine.

Aufgrund des hohen Stresses haben die Patientinnen und Patienten einen zu hohen Blutzuckerspiegel. Mit Insulin muss dieser Spiegel wieder auf ein normales Level gebracht werden.

Der Magen muss mit einem Magenschutz behandelt werden. Da das Blut stark verdünnt wird, besteht die Gefahr, dass es zu Magengeschwüren oder Magenblutungen kommt.

Zusätzlich werden Abführmittel verabreicht. «Eines alleine reicht dabei nicht, meistens braucht es drei, vier Abführmittel, damit der Magen-Darm-Trakt funktioniert», führt Fodor aus.

Abführmittel, damit der Magen-Darm-Trakt funktioniert.
Abführmittel, damit der Magen-Darm-Trakt funktioniert.bild: watson

Trotz der Nahrungsmittel und der Medikamente verliert der Körper während der Behandlung viele Muskeln. Denn die Patientinnen und Patienten liegen lange auf der Intensivstation: «Wir haben viele Personen, die ein bis zwei Monate bei uns sind», sagt Fodor.

Falls sie es schaffen, müssen sie in die Rehabilitation – nicht nur für einige Wochen, sondern bis zu einem Jahr. Auch dann werden die meisten nicht mehr so fit wie vorher.

Covid-19

Zur Behandlung von Covid-19 selber gibt es nach wie vor wenige Medikamente. Benutzt wird vor allem Cortison, das entzündungshemmend wirkt. «Zunächst starten wir mit einer tiefen Dosierung», sagt Fodor. «Wenn das Covid nach zwei, drei Wellen dann aber nochmals auftaucht, verabreichen wir sehr hohe Dosen. Das ist dann jeweils unsere letzte Hoffnung. Es gibt junge Patientinnen und Patienten, die es dann noch packen.»

Cortison gegen das Covid.
Cortison gegen das Covid.bild: watson

Das Cortison hat jedoch starke Nebenwirkungen. Unter anderem werden die Patientinnen und Patienten anfälliger auf Infekte, da das Medikament das Immunsystem schwächt. Zudem könne es ein «grauenvolles» Delirium auslösen, so Fodor.

Viel Aufmerksamkeit erhielt während der Pandemie auch das Medikament Remdesivir. Remdesivir ist jedoch kein typisches Medikament für Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation. Es muss innerhalb der ersten zehn Tage nach Krankheitsbeginn verabreicht werden und wird abgesetzt, sobald die Patientin oder der Patient einen höheren Sauerstoffbedarf hat.

Delirium

Wenn die Patientinnen und Patienten in den Wachzustand geholt werden, erleben viele von ihnen ein Delirium. «Bei Covid ist das sehr ausgeprägt», sagt Fodor. Es gibt jene, die dabei hyperaktiv um sich schlagen. Andere sind hingegen hypoaktiv. Sie liegen eigentlich ruhig da, erleben aber trotzdem ein Delirium. «Sie träumen, aber das sind keine schönen Träume», erzählt Fodor. Um das Delirium zurückzudrängen, wird das Medikament Dexdor eingesetzt. Oftmals ist das Delirium derart stark, dass zusätzlich Schmerz- und Schlafmittel verabreicht werden.

Dexdor gegen das Delirium.
Dexdor gegen das Delirium.bild: watson

Fodor berichtet von Patientinnen und Patienten, die nach dem Aufwachen stark weinen müssen. «Man muss sich das vorstellen. Die haben ein Loch von mehreren Wochen, wachen auf einem Intensivbett auf und können sich nicht mehr bewegen.»

Die Behandlung auf der Intensivstation hinterlässt nicht nur physische Spuren, sondern auch psychische. Viele Patientinnen und Patienten müssen nach dem Aufwachen mit Antidepressiva behandelt werden.

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286 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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egrs
03.12.2021 10:41registriert Juni 2019
Ich vermute mal da nützen die besten Argumente nichts mehr. Die meisten die jetzt noch ungeimpft sind werden vermutlich nicht mal Angst vor der Impfung und deren potentiellen Nebenwirkungen haben sondern die stören sich mehr an den ganzen Regeln, Ausgrenzungen, Pflichten oder es ist einfach nur noch Trotz resp. die Naivität dass 'mein Körper kann das problemlos wegstecken'. Bis es dann anders kommt.
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El Vals del Obrero
03.12.2021 11:00registriert Mai 2016
Aber Hauptsache, man hat es "der Pharma gezeigt", in dem sie nichts an der Impfung verdient ...

Dabei profitieren Medikamentenhersteller von einem einzigen Covid-Patienten in der Intensivstation wohl so sehr wie von etwa 10000 oder mehr Impfungen zusammen.
26714
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stereo
03.12.2021 10:43registriert Februar 2018
Ich habe auch schon versucht jemanden in meinem Umfeld, das anhand eines ähnlichen Beispiels zu erklären……..hat nicht viel gebracht. Sie sind ja unverletzlich! 🤦🏻‍♂️
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