Wissen
Digital

Warum Wasserstoff-Antriebe kein Wundermittel gegen den Klimawandel sind

Hyundai ix35 Fuel Cell - COOP Wasserstofftankstelle in Hunzenschwil (AG) / Coop eroeffnet die erste oeffentliche Wasserstoff-Tankstelle der Schweiz und nimmt zwoelf neue Hyundai ix35 Fuel Cell in den  ...
Auf Wasserstoff basierende Kraftstoffe: nicht grün, aber teuer.Bild: PPR

E-Fuels? Brennstoffzelle? Warum uns der gehypte Wasserstoff-Kraftstoff nicht retten wird

06.05.2021, 17:0007.05.2021, 06:06
Mehr «Wissen»

Auf Wasserstoff basierende Brennstoffe sind in naher Zukunft keine allumfassende Lösung, um die Welt unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen. Das ist das Fazit einer im Fachmagazin «Nature Climate Change» erschienenen Studie eines internationalen Forschungsteams mit Schweizer Beteiligung.

Der Hype um Wasserstoff und den darauf basierenden Energieträgern ist riesig. Sie sollen Sonnen- und Windenergie speichern, Fahrzeuge antreiben, Gebäude heizen, den Flugzeug- und Schiffsverkehr sowie ganze Industrien aus der Abhängigkeit von fossilen Kraftstoffen befreien.

Ein Team aus der Schweiz, Deutschland und Österreich unter Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) untersuchte nun anhand von Literaturrecherchen und Modellierungen, welche Sektoren ihre Hoffnung tatsächlich in diese alternativen Energieträger stecken sollten.

Fazit: «Solche Brennstoffe als universelle Klimalösung sind ein bisschen ein falsches Versprechen. Sie sind zwar wunderbar vielseitig, aber es ist nicht zu erwarten, dass sie fossile Brennstoffe auf breiter Front ersetzen können», sagte der Studienerstautor Falko Ueckerdt gemäss einer Mitteilung des PIK vom Donnerstag.

Flugzeuge ja, Autos nein

Vielmehr sollten Kraftstoffe aus Wasserstoff auf diejenigen Anwendungen beschränkt werden, die kaum elektrifizierbar seien, so die Forschenden. «Das grösste Potential bergen in der Schweiz sicherlich Langstreckenflüge», sagte Mitautor Christian Bauer vom Paul Scherrer Institut (PSI) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Denn dort gebe es fast keine Alternative für CO2-freie Treibstoffe. International sei es auch sinnvoll, die grünen Kraftstoffe in energieintensiven Industrien wie Stahl und Chemie einzusetzen.

Für Autos oder Gebäudeheizungen seien Wasserstoff und darauf basierende Brennstoffe hingegen zu ineffizient, zu teuer und die Verfügbarkeit zu unsicher. Hier sei es vielversprechender, auf Wärmepumpen und Elektroautos zu setzen, die mit erneuerbarem Strom angetrieben würden, so der Umweltwissenschaftler und auf Ökobilanzen spezialisierte Forscher.

Darum ist Wasserstoff nicht besser

Erneuerbarer Strom ist zentral für die Herstellung von Wasserstoff. Durch die sogenannte – energetisch relativ ineffiziente – Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile aufgespalten. Wenn dem Wasserstoff CO2 hinzugefügt wird, entstehen synthetische Kohlenwasserstoffe, sogenannte E-Fuels. Für deren Transport und Lagerung kann anders als für reinen Wasserstoff die bereits bestehende Infrastruktur genutzt werden und sie können fossile Brennstoffe in herkömmlichen Motoren direkt ersetzen.

Allerdings falle die Klimabilanz sogar dann bescheiden aus, wenn Wasserstoff mit dem derzeitigen, klimafreundlichen Schweizer Strom-Mix produziert werde, so Bauer. Demnach schneidet Wasserstoff nur etwas besser ab als Benzin oder Diesel. Und aus Wasserstoff hergestellte E-Fuels ähnlich schlecht wie fossile Treibstoffe.

Alle grossen Autobauer haben in den letzten Jahren auf Elektroautos umgeschwenkt, zuletzt sogar Toyota. Die Japaner haben lange den auf Wasserstoff-basierenden Brennstoffzellen-Antrieb favorisiert. Doch die Brennstoffzelle kann mittelfristig bei den Kosten nicht mit Lithium-Ionen-Batterien mithalten. Und auch beim Ausbau der Ladeinfrastruktur hat sich das E-Auto bereits in vielen Ländern gegen den Wasserstoff-Antrieb durchgesetzt.

Effiziente Wasserstoff-Lösung kommt für Klimaschutz viel zu spät

Bei einer ausschliesslich sauberen Herstellung von Wasserstoff liegen die Kosten für die Vermeidung von einer Tonne CO2 mit E-Fuels heute zwischen rund 880 und 1300 Franken, wie die Forschenden berechneten. Die Preise im Europäischen Emissionshandelssystem liegen derzeit bei etwa 44 Franken pro Tonne CO2.

Technologischer Fortschritt könnte diese CO2-Vermeidungskosten bis 2050 senken: Auf rund 20 Franken für flüssige und 300 Franken für gasförmige Brennstoffe. Allerdings wäre dies für die Stabilisierung des Klimas für viele Sektoren zu spät.

Fazit: Wasserstoff und E-Fuels in der Nische sinnvoll

Klar ist auch: Das Potential für erneuerbare Energien ist in der Schweiz wie in ganz Europa zu klein, um grünen Wasserstoff in den Mengen herzustellen, die es für einen kompletten Ersatz von Erdöl und Erdgas braucht. «Ein realistisches Szenario ist daher, Wasserstoff oder E-Fuels aus südlichen Ländern zu importieren, wo das Potential für Sonnenenergie gross ist», sagte Bauer. Gewisse Abhängigkeiten blieben daher bestehen, aber sie würden sich geografisch verschieben und diversifizieren.

«Wenn man das Ziel einer klimaneutralen Schweiz bis 2050 ernst nimmt, dann müssen wir auf alle Arten von CO2-freien Energieträgern setzen», sagte Bauer. Damit auch Wasserstoff und E-Fuels eine Rolle in diesem Mix spielen könnten, brauche es technologische Fortschritte, die durch das Festlegen von höheren Preisen für CO2-Emissionen, massive Subventionen sowie Investitionen getrieben würden.

(oli/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Top 10 weltweit meistverkaufte E-Autos 2020
1 / 13
Top 10 weltweit meistverkaufte E-Autos 2020
Platz 10: Great Wall ORA R1 (47'000 Verkäufe im Jahr 2020). Der chinesische E-Autobauer Great Wall Motors verkaufte den günstigen Stromer (umgerechnet rund 10'000 Franken) zunächst nur in China. Er soll 2021 auch in Indien und Lateinamerika zugelassen werden.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Es wird mir schlecht» – Toggi und Baroni im Polestar-Testdrive
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
140 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
auslandbasler
07.05.2021 06:56registriert Februar 2015
Autsch SVP und Imark. Jeder der sich etwas damit auseinandersetzt kommt zu diesem Schluss....
15046
Melden
Zum Kommentar
avatar
7immi
07.05.2021 08:20registriert April 2014
Wasserstoff ist keine Allgemeinlösung, wie es Batterien nicht sind, es gibt sie schlicht nicht. Je grösser ein System ist, desto eher lohnt sich Wasserstoff. Auch Gewicht und Reichweite spielen eine Rolle. Kleinfahrzeuge lohnen sich schlicht nicht, bei Alternativen zu Diesellokomotiven, Flugzeugen, LKWs, etc. sieht die Sache anders aus. Auch als Langzeitenergiespeicher im Flachland (ohne Speicherseen) sind solche Systeme sicherlich eine Überlegung wert. Eine Diversifikation ist sicherlich sinnvoll, auch der Versorgungssicherheit wegen...
10211
Melden
Zum Kommentar
avatar
balzercomp
07.05.2021 08:02registriert Januar 2016
Ich habe gestern einen Bericht über die Brennstoffzellentechnologie auf Basis von Methanol gesehen. Das scheint mir eine interessante Alternative zu sein. Die Probleme der Lagerung und Betankung von H2 fallen dabei weg. Die Doku ist in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks zu finden.
5923
Melden
Zum Kommentar
140
Forschende entschlüsseln Skelett-Wachstum von Embryos
Wie entsteht eigentlich das Skelett eines Embryos? Dieser Frage sind britische Wissenschaftler nachgegangen. Herausgekommen sind einmalige Aufnahmen.

Ein Team von Forschenden hat bis auf die einzelnen Zellen genau entschlüsselt, wie das Skelett eines ungeborenen Kindes entsteht und wächst. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Ken To vom Wellcome Sanger Institute in Grossbritannien haben ihre Erkenntnisse kürzlich im renommierten Fachjournal Nature veröffentlicht.

Zur Story