Psychopathen lachen nicht dieses wahnsinnige Lachen.
Leider. Sie sind eher so wie Anton Chigurh in «No Country for Old Men» (2007), der Auftragsmörder, der so grandios von Javier Bardem verkörpert wird. Er ist ruhig. Er spaziert durch die Gegend und tötet Menschen. Mit seinem pneumatischen Bolzenschussgerät.
Das ist die Diagnose des forensischen Psychiaters Samuel Leistedt, der sich in drei Jahren 400 Filme angeschaut hat, um diejenigen mit realistischen Psycho-Charakteren herauszufiltern. Erst hat er sich der Geisterfiguren und denen mit Superkräften entledigt. Es blieben 126 Filme (1915–2010) übrig, die 105 männliche und 21 weibliche potentielle Psychopathen boten. Zusammen mit zehn Kollegen und Filmkritikern machten sie sich an die Auslese.
Aus den Forschungsergebnissen ist eine Art Sozialgeschichte geworden: Wie hat sich die Sicht auf Psychopathen seit des frühen 20. Jahrhunderts verändert? Die Charaktere seien viel realistischer geworden, schreibt Leistedt im Journal of Forensic Sciences:
Leistedt teilt die untersuchten Psychopathen-Figuren in vier Kategorien ein:
Neben diesen vier Typen kann die Psychopathie primär (Ursache unbekannt) oder sekundär (Produkt der Umwelt) sein.
Wir wollen uns nun ansehen, welche der Film-Figuren realistisch gezeichnet wurden und welche nicht.
Kategorie: primärer, klassischer/idiopathischer Psychopath
Der König der klassischen Psychopathen ist der bereits erwähnte Auftragskiller Anton Chigurh aus dem Coen-Brothers-Film «No Country for Old Men». Er läuft mit seinem Bolzengewehr herum und schiesst Menschen in den Kopf. Manchmal erwürgt er sie auch. Und schläft danach ruhig.
Kategorie: sekundärer Pseudopsychopath mit Psychose
Eins der bedeutendsten Werke des deutschen Films ist «M». Die Geschichte des Kindermörders Hans Beckert ist gemäss der Studie ein bemerkenswert realistisches Porträt eines Kinderschänders. Es beschreibt einen nach aussen hin stinknormalen Mann. Der aber seinem Tötungszwang nachgehen muss. Heute würde man ihn wohl als Sexualstraftäter mit Psychose (zeitweiliger Verlust des Realitätsbezugs) bezeichnen, schreibt Leistedt.
Kategorie: primärer, klassischer/idiopathischer Psychopath
Der Low-Budget-Thriller «Henry: Portrait of a Serial Killer» von John McNaughton erzählt nüchtern und realistisch die Geschichte eines Serienmörders in Chicago, der stets nach neuen Methoden sucht, seine Opfer zu töten. Leistedt schreibt zu Henrys Figur:
Realistische Psychopathen-Charaktere gibt es also in der Filmgeschichte, aber laut Leistedt sind sie in der Minderheit.
«Ein gutes Beispiel für ein frühes Porträt eines Irren (madman), dargestellt als Psychopath», schreibt Leistedt. Der Möchtegern-Psycho Tommy Udo mit dem verrückten, hohen Lachen. Gruselig, aber nicht realistisch, lautet das Urteil des forensischen Psychiaters.
Norman Bates – die Hauptfigur aus Hitchcocks «Psycho» – ist inspiriert vom echten Serienkiller Ed Gein, der 1957 festgenommen wurde. Ein unscheinbarer Gelegenheitsarbeiter mit deutschen Vorfahren aus einem Dorf in Wisconsin, der von seiner Mutter streng religiös erzogen wurde. Sie verteufelte die Sexualität, alle Frauen seien Huren, sagte sie. Als sie starb, begann Gein, Frauen zu ermorden. Er weidete ihre Leichen aus und behielt ihre Geschlechtsorgane und Nasen als Trophäen. Aus ihren Gesichtshäuten machte er Masken und die Schädel benutzte er als Schüsseln, um seine Hunde und Katzen zu füttern. Ein menschliches Herz wurde in einer Pfanne auf seinem Herd gefunden.
«Psycho» habe mit Norman Gates ein Genre geschaffen, in dem Aussenseiter und Sonderlinge sexuell motivierte Morde begehen. Diese Charaktere seien dann als psychopathisch gedeutet worden, doch in Wahrheit sei Gein vielmehr psychotisch gewesen, verlor also den Bezug zur Realität. Eine Psychose sei grundsätzlich von der Psychopathie zu unterscheiden und gehe oft mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen einher, schreibt Leistedt.
Er ist fuchterregend, aber nicht von dieser Welt: Seine übermenschliche Intelligenz und Gerissenheit seien eigentlich für niemanden typisch, geschweige denn für einen Psychopathen, meint Leistedt.
Ruhig, kontrolliert, gewandt, charmant und enorm kultiviert wandelt er in eleganten Anzügen durch die Metropolen der Welt und bringt Menschen um, deren Organe und Gehirne er danach verspeist. «Diese Eigenschaften, speziell in dieser Kombination, sind bei echten Psychopathen gemeinhin nicht zu finden», urteilt Leistedt.
Auch Patrick Bateman als «American Psycho» überzeugt Leistedt nicht. Es ziehe sich eine Art Evolutionslinie durch die Hollywood-Psychopathen: Angefangen bei den glupschäugigen Gangstern der 30er (Tony Camone im Original von «Scarface»), über die Slasher-Madmen der 70er und 80er (Jason in «Friday the 13th»), bis zum souveränen Serienmörder der 90er und 2000er, für die er stellvertretend «American Psycho» nennt.
Die Mehrheit dieser filmischen Populär-Psychopathen transportieren nach Leistedt das Bild eines Universal-Bösewichts. Ein Archetypus, dessen Ausgestaltung je nach Entstehungszeit variiert. Einige moderne Portraits seien allerdings sehr nuanciert, Charaktere wie Anton Chigurh in «No Country for Old Men» seien so überzeugend, dass es für Psychiater lohnenswert sei, sich mit solchen Filmen zu beschäftigen, meint Leistedt.
(rof)
Ein Macho? Dann könnte man ja die gesamte Corleone-Familie und alle Häupter der Familien als Psychopathen bezeichnen, nur weil sie ein patriarchales System bevorzugen. Don Vito ist alles andere als eine impulsive Persönlichkeit sondern wohlüberlegt. Selbst als sein wirklich zur Impulsivität neigender Sohn Santino hinterhältig ermordet wurde, verzichtete er auf Rache. Und der Don soll wegen Drogenvergehen im Gefängnis landen? Don Corleone war immer gegen das Drogenbusiness!
Das ist Rufmord! Vendetta!