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Bärtierchen überleben auch Strahlung. Eine Studie zeigt, wie sie das tun

Baby Bärtierchen

http://imgur.com/gallery/Xxx1xov
Bärtierchen sind bekannt als die wohl talentiertesten Überlebenskünstler des Tierreichs.Bild: Imgur

Darum überleben Bärtierchen eine tausendmal stärkere Strahlung als wir

16.04.2024, 19:51

Bärtierchen (Tardigrada) sind winzig. Und sie sind wahre Überlebenskünstler. Die kleinen achtbeinigen Tierchen können in der Kryptobiose – das ist ein todesähnlicher Zustand, in dem die Stoffwechselvorgänge zum Erliegen kommen – extremste Umweltbedingungen aushalten. Sie überstehen kurzzeitig Extrem-Temperaturen von –200 und +150 °C. Und sie sind die einzige Tierart, die im absolut lebensfeindlichen Weltraum zumindest eine Zeitlang überleben kann.

Kein Wunder, dass ihnen auch eine Strahlungsdosis nichts anhaben kann, die uns Menschen mit Sicherheit umbringen würde: Sie überleben sogar Strahlung, die tausendmal stärker ist als die für Menschen tödliche Dosis.

Das weiss man allerdings schon seit sechzig Jahren. Doch nun hat eine neue Studie der University of North Carolina den Grund für die erstaunliche Strahlungsresistenz der Bärtierchen herausgefunden: Sie können Schäden an ihrer DNA reparieren. «Wir waren überrascht von dem, was wir sahen», erklärt der Leiter des Forschungsteams, der Biologe Bob Goldstein. «Die Bärentierchen tun etwas, das wir nicht erwartet haben.»

Bärtierchen
Bärtierchen sind winzig: Ihre Grösse liegt bei den meisten Arten zwischen 100 und 500 Mikrometern (µm). Bild: Shutterstock

Strahlung schädigt die DNA. Wenn wir zu viel davon abbekommen, können Krankheiten wie Krebs die Folge sein. Auch Bärtierchen sind nicht immun gegen die Folgen der Strahlung, doch im Gegensatz zu uns können verfügen sie über die Fähigkeit zur Wiederherstellung des durch die Strahlung beschädigten Erbguts.

Massenhaft Reparaturgene

Sie tun dies, indem sie mehr sogenannte DNA-Reparaturgene produzieren. Im Gegensatz zum Menschen können Bärtierchen die Produktion dieser Reparaturgene so stark steigern, dass sie zu den häufigsten Genprodukten gehören, die bei Tieren vorkommen.

Das hat die Forscher überrascht. «Diese Tierchen haben eine unglaublich starke Reaktion auf Strahlung, und das scheint das Geheimnis ihrer extremen Überlebensfähigkeit zu sein», sagt Studienautorin Courtney Clark-Hachtel. Diese Erkenntnis könnte auch für andere Tiere von grossem Nutzen sein. «Was wir darüber lernen, wie Bärtierchen Strahlung aushalten, könnte zu neuen Ideen führen, wie man andere Tiere und Mikroorganismen vor schädlicher Strahlung schützen kann.»

Das Bärtierchen Milnesium tardigradum
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22716809
Milnesium tardigradum, eine Bärtierchenart. Die Winzlinge überleben auch eine Strahlung, die tausendmal stärker ist als die für Menschen tödliche Dosis.Bild: Wikimedia/Schokraie E, Warnken U, Hotz-Wagenblatt A, Grohme MA, Hengherr S, et al.

Weitere Studie mit ähnlichem Befund

Eine französische Studie, die bereits im Januar erschienen ist, hat übrigens ähnliche Resultate ergeben wie das Papier der University of North Carolina: Die Forscher konnten bei Bärtierchen ein neues Protein nachweisen, das die Tierchen als Reaktion auf ionisierende Strahlung bilden und das ihre DNA schützt.

Ob diese Erkenntnisse uns dereinst etwa vor durch UV-Strahlung verursachtem Hautkrebs schützen könnten, steht noch in den Sternen. Sicher ist dagegen, dass die Bärtierchen immer wieder für eine wissenschaftliche Überraschung gut sind. (dhr)

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Zähe Winzlinge: Bärtierchen
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Zähe Winzlinge: Bärtierchen
Bärtierchen pressen beim Fressen ihren Mundkegel gegen die betroffene Pflanzenzelle oder die Haut ihrer Beute. Dann stechen sie sie diese mit ihren nadelscharfen Stiletten an und saugen den gesamten Zell- oder Körperinhalt aus. (Bild: Wikipedia/Frank Fox)
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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Demetria
16.04.2024 21:10registriert März 2020
Strahlungsresistent, interessant...

...und sie sehen aus wie eine niedliche Version von einem prallen Staubsaugerbeutel auf Beinchen... irgendwie muss man die kleinen Gesellen einfach mögen.
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McShrimp (aka Rollassel)
16.04.2024 20:35registriert Mai 2021
Wo kann ich mich als Testperson für Bärtierchen-DNA anmelden?
Vielleicht kann ich moch dann wie Deadpool regenerieren
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Qualmkopf
16.04.2024 20:50registriert Juni 2022
Wenn die Tiere rechtzeitig auf Planeten gebracht werden die nicht so 'schnell' in die Sonne geraten, könnte die Evolution zu gegeben Zeitpunkt noch was draus werden lassen.
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Überflu­tet? Touris­mus­kri­tik um 1900
Der Archäologe Jakob Wiedmer kam durch seine Heirat mit der Wengener Hotelbesitzerin Marie Stern eher zufällig in Kontakt mit dem Tourismusboom der Belle Époque im Berner Oberland. Seine Eindrücke verarbeitete er im tourismuskritischen Roman «Flut», der umgehend zum Rückzug als Hoteldirektor führte.
Jakob Wiedmer, geboren 1876 als Sohn eines Bäckers in Herzogenbuchsee (BE), galt schon früh als eine Art Genie. In der Schule lernte er rasch und leicht. Aber «Studiergrinde» gäbe es genug, meinte sein Vater; sein Bub solle etwas Rechtes lernen, nämlich den Beruf eines Kaufmanns. Kaum hatte Wiedmer eine Stelle als Kaufmann in Zürich angetreten, als ihn sein Arbeitgeber nach Athen schickte. Der Aufenthalt dort förderte die archäologischen Interessen allem Anschein nach mehr als die kaufmännischen. Wieder in Bern zurück sehen wir den jungen Mann als Ausgräber, Schriftsteller und im Januar 1904 als Hochzeiter: Mit 27 Jahren heiratete er Marie Stern, Hotelbesitzerin in Wengen, und wurde nach damaligem Recht Hoteldirektor.
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