Wie Ägyptologen arbeiten? Sie sitzen mit einem Pinsel und einer Kelle in der prallen Sonne und inspizieren die Wände von alten Tempeln, suchen nach Tonscherben auf alten Friedhöfen oder graben die Wüste um. Vielleicht tun sie das wirklich – von Zeit zu Zeit.
Und zwischendurch wickeln Ägyptologen nebenbei Mumien aus. Halt! Das tun sie bestimmt nicht – zumindest nicht mehr. Denn Forschende lassen Mumien heutzutage eingepackt.
Allerdings erliegen auch Ägyptologen regelmässig dem Charme von altägyptischen Mumien und wollen doch etwas genauer wissen, wer sich in den meterlangen Mumienbinden verbirgt und welche Schätze die alten Ägypter ihren Toten eng am Körper mitgegeben haben.
So auch der berühmte Ägyptologe Zahi Hawass. Er wollte einen «Einblick in das Aussehen, die Gesundheit, die Todesursache und die Art der Mumifizierung der Mumie von Pharao Amenophis I.» Grund genug für Hawass, den alten König in ein CT-Gerät zu verfrachten – und ihn digital zu entpacken. Denn der mumifizierte Körper Amenophis I. ist in der Neuzeit nicht entblösst worden, indem er aus seinem Mumienbinden-Kokon ausgewickelt wurde – ein Schicksal, das viele seiner Vor- und Nachfahren besonders im 19. Jahrhundert erleiden mussten.
Am 28. Dezember veröffentlichten Hawass und die Radiologin Sahar N. Saleem ein Paper in der medizinischen Fachzeitschrift «Frontiers in Medicine» mit den Ergebnissen des königlichen CT-Scans. Es gibt einiges zu berichten: Die Ergebnisse des CT-Scans sind faszinierend und geben Aufschluss über das Aussehen des Pharaos oder den Schmuck des Pharaos.
Saleem schwärmt gegenüber der englischen Zeitung The Guardian von Amenophis I.: «Er hatte ein schmales Kinn, eine kleine schmale Nase, lockiges Haar und leicht vorstehende obere Zähne.» Und sowieso sei das ganze Projekt aufregend gewesen: «wie das Auspacken eines Geschenks».
Weiter sagt sie über den König: «Er war etwa 169 cm gross, beschnitten und hatte ein gutes Gebiss.»
Zum Zustand der Mumie entdeckten Hawass und Saleem überraschendes: Häufig wird berichtet, dass die alten Ägypter ihren Toten das Gehirn entfernten – und zwar durch die Nase oder ein Loch im Schädel. Die CT-Scans haben nun aber gezeigt, dass Amenophis' I. Gehirn intakt war. Ganz im Gegensatz zu den Mumien anderer Könige aus dem Neuen Reich, wie Tutanchamun oder Ramses II., denen das Gehirn entfernt wurde.
Zum Zustand der Mumie sagt Saleem weiter: «Wir konnten zeigen, dass zumindest bei Amenophis I. die Priester die von den Grabräubern zugefügten Verletzungen liebevoll repariert haben, seine Mumie wiederhergestellt haben und den prächtigen Schmuck und die Amulette an Ort und Stelle bewahrten».
Amenophis I. regierte Ägypten um das Jahr 1500 v. Chr. Seine Regierungszeit betrug wohl etwa 20 Jahre. Amenophis I. war der zweite König der 18. Dynastie und wird somit von den Ägyptologen dem sogenannten Neuen Reich zugeordnet.
Das Neue Reich war über lange Strecken eine Hochzeit des Alten Ägyptens: Die Pharaonen liessen Tempel bauen und ausbauen oder vergrösserten das ägyptische Territorium durch Eroberungen – so auch Amenophis I. Aus heutiger Sicht zeugen auch die spektakulären Gräber im «Tal der Könige» von der Grösse Ägyptens während des Neuen Reichs. Das «Tal der Könige» ist die letzte Ruhestätte einer ganzen Reihe von Pharaonen aus dieser Epoche. Allerdings wurde das Originalgrab von Amenophis I. bis jetzt nicht identifiziert – weder im «Tal der Könige» noch ausserhalb.
Woher stammt dann die intakte Mumie von Amenophis I., wenn sein Grab unbekannt ist? 1881 wurde die Mumie Amenophis' I. zusammen mit anderen Königsmumien in der sogenannten «Cachette von Deir el-Bahari» in der Nähe der heutigen Stadt Luxor entdeckt: Die grossen Pharaonen des Neuen Reichs wurden also zusammengepfercht in einem Mumiendepot ausserhalb ihres Friedhofs gefunden. Zum Glück. Denn bereits in der Antike haben Grabräuber die königlichen Gräber im Tal der Könige geplündert und auch vor den wertvollen Amuletten und Schmuckstücken, die in die Mumienbinden der Könige eingewickelt waren, nicht haltgemacht. Darum haben Beamte der sogenannten Dritten Zwischenzeit (ca. 1000–650 v. Chr.) die ramponierten Königsmumien aus ihren angestammten Gräbern geholt, neu eingewickelt und an einem geheimen Ort neu bestattet.
Hawass und Saleem erhofften sich, mittels des CT-Scans Belege dafür zu finden, wie Amenophis I. gestorben war. Dies ist ihnen bis jetzt aber nicht gelungen: «Wir konnten keine Wunden oder krankheitsbedingte Entstellungen finden, die die Todesursache rechtfertigen würden. Was wir gefunden haben, sind zahlreichen Verstümmelungen, die post mortem zugefügt wurden – vermutlich von den Grabräubern nach der ersten Bestattung», so Saleem.
Die CT-Scans zeigen, wie bei der zweiten Bestattung mit einigen dieser Verstümmelungen umgegangen wurde: Unter anderem wurde der Kopf des Königs wieder auf den Halswirbeln fixiert sowie abgebrochene Finger im Bauchraum des Königs verstaut.
Der Scan des Schädels von Amenophis I. zeigt, dass der König, im Gegensatz zu vielen anderen königlichen Mumien, ein gutes Gebiss hatte.
Basierend auf der Schliessung der Epiphysenfuge der Röhrenknochen, der Schambeinfuge sowie aufgrund des Gebisses schlussfolgern die Autoren: «Das Todesalter Amenhotep I. liegt bei ungefähr 35 Jahren».
In Amenophis' I. Mumienbinden sind rund 30 Amulette eingewickelt. Direkt auf dem Körper des Pharaos liegt ein Gürtel, der aus 34 Goldperlen und einem Amulett-Anhänger besteht.
Diese Amulette waren nicht bloss Schmuck, sondern sollten den verstorbenen König im Jenseits schützen und begleiten.
Hawass und Saleem veröffentlichen im Paper die Hypothese, dass einige Amulette von den Priestern der Dritten Zwischenzeit bewusst auf den von Grabräubern zerstörten Bauchraum gelegt wurden, um diesen vor weiteren Schäden zu schützen.
Womöglich wird man in Zukunft dem Pharao Amenophis I. mit neuer Technik noch weitere Geheimnisse entlocken. Bis dahin ist die Mumie in Kairo zu bestaunen.
Shabaqa
PrinzLionel
obi