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«Für einen 16-Jährigen ist 8 Uhr Schulbeginn unzumutbar»

Hajak: «Die meisten Jugendlichen bauen in der Woche ein Schlafdefizit auf – aber sie können im Gegensatz zu Erwachsenen auch mal 14 Stunden durchschlafen.»
Hajak: «Die meisten Jugendlichen bauen in der Woche ein Schlafdefizit auf – aber sie können im Gegensatz zu Erwachsenen auch mal 14 Stunden durchschlafen.»Bild: Shutterstock
Interview mit einem Schlafforscher

«Für einen 16-Jährigen ist 8 Uhr Schulbeginn unzumutbar»

Warum sind Teenager morgens immer müde? Schlafforscher Göran Hajak erklärt, wie die innere Uhr die mentale Fitness beeinflusst. Und weshalb Betriebe auf Lernende Rücksicht nehmen sollten. 
20.01.2015, 14:4920.01.2015, 16:00
frederik jötten
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Es gibt den Ausspruch: «Der Schlaf vor Mitternacht ist der beste» – stimmt der? 
Der Satz wäre richtig, wenn er heissen würde: Der Schlaf der ersten Nachthälfte ist der wichtigste, weil man sich da den meisten Tiefschlaf holt. Das ist quasi der Pflichtschlaf, wenn man den hat, schläft man gut – aber das kann auch gut nach Mitternacht sein. 

Eine gute Nachricht für Menschen, die nie vor 24 Uhr ins Bett gehen. 
Das sind sogenannte Eulen. Sie wollen eher lange aufbleiben und dann ausschlafen. Andere Menschen sind Lerchen, sie gehen früh ins Bett, wachen um 4 Uhr auf und wollen dann aufstehen. Das ist individuell festgelegt und hängt von der inneren Uhr ab. Wir haben ein Nervenzellsystem, das taktet unseren Schlaf und steuert ihn. 

Woher weiss man, welcher Schlaftyp man ist? 
Die meisten Menschen wissen das. Wer unsicher ist, sollte im Urlaub mit verschiedenen Zeiten experimentieren und testen, mit welchem Rhythmus er am fittesten ist. Junge Menschen sollten versuchen, ihre Berufswahl danach auszurichten. Instinktiv machen das viele, aber manche nicht und die bekommen dann Probleme. Sie schlafen schlecht und sind leicht gestresst, weil ihr Biorhythmus nicht stimmt. Wer also bereits im Jugendalter oder als junger Erwachsener ein Frühaufsteher ist, der sollte nicht Nachtarbeiter werden.

Zur Person
Göran Hajak ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und leitet in Bamberg die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Michelsberg mit den Schwerpunkten Psychotherapie und Schlafmedizin. Er ist Autor mehrerer Fachbücher zum Thema Schlafstörungen.

Viele Teenager wirken morgens verschlafen… 
Als Teenager werden die meisten Menschen Spätschläfer, das heisst: Im Alter von 16 bis 23 macht man gerne Nächte durch, um dann in den Tag hinein zu schlafen. Es ist eigentlich für einen 16-Jährigen unzumutbar, um 8 Uhr wach in der ersten Stunde zu sitzen. 

Der Lehrer der ersten Stunde kann davon ausgehen, dass zwei Drittel der Schüler bei offenen Augen nicht aufpassen.

Das ist die Biologie, man kann wenig dagegen tun. Das ist wissenschaftlich gut untersucht. Mit 30 ist diese extreme Phasenverschiebung in der Regel wieder verschwunden.  

Warum beginnt die Schule bei uns trotzdem um 8 Uhr morgens? 
Wir Menschen haben eine Ignoranz für viele biologische Notwendigkeiten entwickelt. Wir meinen, uns mit moderner Technik über sie hinwegsetzen zu können. Wir haben Licht rund um die Uhr, damit ignorieren wir unsere natürlichen Bedürfnisse. Das führt dazu, dass einige Leute sagen: Wer lang schläft, leistet weniger.  

Demjenigen, der lang schläft, wird schnell das Etikett «faul» verpasst. 
Die Wissenschaft sagt, das stimmt nicht. Es geht darum, dem subjektiven Schlafbedürfnis und individuellen Schlafrhythmus nachzukommen, ohne in einen regelmässigen Schlafentzug von mehr als einer Stunde pro Tag zu kommen. 

Faulheit hat mit viel oder wenig Schlaf nichts zu tun.

Lehrer würden vielleicht sagen: Wenn Schüler morgens nicht ausgeschlafen sind, sollten sie abends eben nicht so lange aufbleiben.
Die Antwort darauf ist, dass das kein Fehlverhalten der Schüler sein muss, sondern zu einem wesentlichen Teil biologisch bedingt ist. Selbst wenn man Teenager ohne Computer und Fernseher auf eine Insel schicken würde, hätten die meisten diesen Rhythmus. Warum, weiss niemand, aber es ist wohl genetisch bedingt.  

Eine Studie mit Azubis hat ergeben, dass sie alle zu wenig schlafen, nur 6,5 Stunden.
Wir müssen davon ausgehen, dass eine Vielzahl der Jugendlichen, die in die Schule gehen oder arbeiten, an einigen Stunden des Tages nur halb wach sind. 

Es ist schade, dass wir uns in den Berufsanforderungen wenig an diese Lebensbiologie anpassen können.

Wir könnten schon. Aber die entscheidenden Leute wollen nicht? 
Mir ist klar, dass es schwierig ist, für Lehrlinge die Betriebsordnung umzugestalten. Aber es wäre wichtig, dass wir auf die jungen Leute Rücksicht nehmen. Man könnte bestimmt auch in Betrieben Lösungen finden. Zum Glück können junge Menschen verlorenen Schlaf gut nachholen. Die meisten Jugendlichen bauen in der Woche ein Schlafdefizit auf – aber sie können im Gegensatz zu Erwachsenen auch mal 14 Stunden durchschlafen. 

Warum können Erwachsene das nicht mehr? 
Weil deren innere Uhr über Jahre trainiert ist, sie zur gewohnten Zeit zu wecken – selbst wenn eigentlich Zeit zum Ausschlafen wäre, können die meisten Erwachsenen deshalb Schlaf nicht nachholen.

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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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thymar
20.01.2015 14:30registriert November 2014
Die Umfrage ist vorurteilsbehaftet. Es sollte heissen "Frühaufsteher" & "Spätaufsteher", denn länger schlafen die Spätaufsteher nicht, nur zeitversetzt zu den Frühaufsteher. Man könnte die zwei Gruppen auch Frühzubettgeher und Langwachbleiber nennen. Das bietet eine andere Perspektive auf die ganze Situation. Nach dem Nachtessen wird bei mir gearbeitet und wenn andere müde aus der Wäsche schauen und zu nichts mehr zu gebrauchen sind und bald bettfertig sind, bin ich noch lange produktiv. Die Arbeitsmenge kann bei Menschen beider Gruppen genauso gross sein, sie wird nur nicht zur selben Tageszeit verrichtet. Ich finde, dieser Umstand wird im Artikel etwas wenig hervorgehoben.
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zappeli
20.01.2015 12:41registriert Juli 2014
Weiss nicht so recht, wie ernst das dem Autoren ist. Eher Satire? Trotzdem könnte man mal drüber nachdenken. Ist schon schön, wenn man früh aufstehen kann und den ganzen Tag vor sich hat. Aber ich pack es nicht. Meine beste und kreativste Zeit ist abends oder sogar nachts.
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Stellar
20.01.2015 13:56registriert Februar 2014
Persönlich würde ich mich zu den Eulen zählen und diesem Wahn in gewisserweise zustimmen.
Besonders das teilweise ignorrante Verhalten wenn man später zur Arbeit erscheint, obwohl man auch später die Arbeitsstelle verlässt kenn ich aber auch. Dabei kann man auch sagen das Arbeiten mit flexiblen Zeiten, hat sich je nach Branche schon ziemlich angepasst.
Was gesellschaftlich auch sinnvoll ist und eigentlich ausgeweitet werden sollte um unnötige Peak-Zeiten zu vermeiden. Wie Absurd ist es das der Grossteil der Arbeitnehmer zur gleichen Zeit zur Arbeit eilen und damit die Verkehrskapazitäten ausreizen, was wieder in strukturellen Ausbauarbeiten mündet. Das gleiche gilt natürlich auch für die Mittagszeiten. Was weitergedacht in einer Liberalisierung enden wird, da auch in Anbetracht der höheren Bevölkerungsdichte es wohl schwierig wird anderst zu agieren ohne weitere Ressourcen zu verschwenden. Das aufbrechen hat durch die sogenannte 'globalisierung' teilweise ein bisschen stattgefunden.
Natürlich hängt auch sehr vieles von der Regelung der Kommunikation ab um komplexere Abläufe auch zu koordinieren.
Seitens der UniTrier gibt es einen ein bisschen fundierteren Bericht bezüglich Chronotypen (http://www.uni-trier.de/fileadmin/fb1/prof/PSY/HBF/mindmag86-tgb.pdf)
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