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Studie: Wirkstoff aus «Magic Mushrooms» hilft gegen schwere Depressionen

Therapiesitzung mit dem natürlichen, aus sogenannten Magic Mushrooms gewonnenen Wirkstoff Psilocybin in New York.
Die bewusstseinsverändernde Substanz Psilocybin in der Psychotherapie einzusetzen, ist bislang nur in Ausnahmefällen möglich. Dank einer neuen Studie liegen nun erstmals belastbare klinische Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit vor.Bild: Compass Pathfinder

«Magic Mushrooms» helfen gegen schwere Depressionen – doch es gibt einen Haken

Psilocybin, der aktive Wirkstoff in Rauschpilzen, ist ein Hoffnungsschimmer gegen therapieresistente Depressionen. Wie eine grosse Studie zeigt, hilft das Halluzinogen zumindest manchen Patienten tatsächlich. Aber nur, wenn die Dosis hoch ist.
09.11.2022, 22:02
Stephanie Schnydrig / ch media
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Als Inhaltsstoff von «Magic Mushrooms» löst Psilocybin nicht nur einen psychedelischen Rausch aus, sondern löst auch Ängste. Seit einigen Jahren wird der kleine Bruder der Hippiedroge LSD deshalb zunehmend in der Psychiatrie erforscht. Und tatsächlich schürten eine Reihe kleinerer Studien die Hoffnung, einem Wundermittel gegen therapieresistente Depressionen auf der Spur zu sein.

Nun präsentierte ein internationales Forschungsteam die Resultate einer grösseren Studie, die von der britischen Firma Compass Pathways finanziert wurde.

Was für eine Studie ist das?

Die 233 Studienteilnehmenden wurden in drei Gruppen mit unterschiedlich hoch dosiertem Psilocybin eingeteilt: 1 Milligramm, 10 Milligramm oder 25 Milligramm.

Wie die Forschenden um den emeritierten Psychiatrieprofessor Guy Goodwin im Fachblatt «The New England Journal of Medicine» berichten, trat eine Besserung nur bei denjenigen Patienten auf, welche die höchste Dosis, also 25 Milligramm, erhielten.

Dabei handelt es sich um eine psychoaktive Dosis, bei der man normalerweise einen Rausch verspürt. In dieser Gruppe liessen die depressiven Symptome bei fast einem Drittel signifikant nach.

Was ist mit Nebenwirkungen?

Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel traten nur etwas häufiger auf als in den anderen Gruppen. Ein paar wenige Personen, welche die zwei höheren Dosen Psilocybin erhielten, berichteten zudem von Suizidgedanken, suizidalem und selbstverletzendem Verhalten.

So zeigen die Ergebnisse zwar, dass Psilocybin bei einigen Patienten tatsächlich wirksamer ist als ein Placebo. Doch die Euphorie aus früheren Studien wurde gedämpft.

Psilocybin fördert Vernetzung zwischen Hirnregionen

Dass nicht alle Patienten gleichermassen profitierten von einer Therapie, sei bei psychiatrischen Erkrankungen nicht überraschend, sagt die Neuropsychologin Katrin Preller von der Universität Zürich, die nicht an der Studie beteiligt war. In Zukunft müsse besser untersucht werden, wer von der Therapie profitiere und wer nicht. Auf jeden Fall gehe aus der Studie hervor, dass es sinnvoll sei, den Wirkstoff klinisch weiter zu prüfen.

Und die Schweiz?

In der Schweiz leiden gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) neun Prozent der Bevölkerung an Depressionen. Von therapieresistenten Depressionen spricht man, wenn auf eine Behandlung mit mindestens zwei Antidepressiva keine Besserung eintritt. In solchen Fällen greifen Mediziner unter anderem auf die Elektrokrampftherapie oder Magnetstimulation zurück.

Der Wirkstoff Psilocybin, der in über 100 Pilzarten vorkommt, ist noch nicht Teil eines zugelassenen Medikaments und kann nur in bewilligten Studien eingesetzt werden. In der Schweiz gebe es zudem die Möglichkeit des sogenannten «Compassionate Use», sagt Preller. «Hierfür muss der entsprechende Behandler eine Ausnahmebewilligung beantragen, worauf jeder Fall einzeln geprüft wird.»

Psilocybin aktiviert das Serotoninsystem im Gehirn und verändert die Wahrnehmung.
Psilocybin aktiviert das Serotoninsystem im Gehirn und verändert die Wahrnehmung.screenshot: compasspathways.com

Wie Psilocybin im Hirn wirkt, um Depressionen zu lindern, weiss man nicht genau. Untersuchungen von Hirnscans deuten darauf hin, dass das Halluzinogen die Vernetzung zwischen verschiedenen Hirnregionen fördert. Das macht das Gehirn flexibler und weniger verhaftet in den negativen Denkmustern.

Wie gehts weiter?

Um eine Zulassung von Psilocybin zu erreichen, muss nun eine längere und grössere Studie zeigen, dass das Medikament Depressionen behandeln kann, wenn andere Therapien versagen.

Kürzlich hat Compass Pathways denn auch angekündigt, eine Phase-3-Studie mit über 900 Probanden voraussichtlich Ende dieses Jahres zu starten. Es wäre weltweit das erste Mal, dass eine Psilocybin-Therapie in diese Studienphase eintreten würde.

Quellen

(aargauerzeitung.ch)

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52 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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0 o
10.11.2022 01:34registriert November 2019
Psychoaktive Substanzen besitzen das Potential, Krankheiten so zu verändern, dass sie zwar weiter existieren, aber ihre Pathogenen Eigenschaften verlieren, also nicht mehr "krank" machen.

Nicht unbedingt im Interesse der grossen Pharmafirmen, aber ein Heiliger Gral für die von Krankheit betroffenen.

Es ist völlig irrational und unwissenschaftlich, dass diese Substanzen für eine so lange Zeit verteufelt wurden und werden, im Widerspruch zur empirischen Wissenschaft, basierend auf der medialen Hetze amerikanischer Prohibitionisten.
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tr3
09.11.2022 22:35registriert April 2019
Auch mit LSD macht man sehr gute Erfahrungen in diversen Studien.
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0 o
10.11.2022 01:28registriert November 2019
Hmm.... Wieso wohl jeder 2te Konsument von psychedelischen Substanzen psychische Vorerkrankungen wie Depressionen hat?

Ob da wohl eine Kausalität existiert?

Möglicherweise sogar ein bislang geächteter Weg der Therapie?

Ob diese Menschen vielleicht nicht nur Lust haben zu feiern, sondern Wege suchen, sich zu therapieren, weil die Medizin einen Stock im A... hat?

Ob die ganzen Substanzen wohl zu unrecht verteufelt wurde?

Ob Hoffmann und alle Psychiater, die LSD und Psylocibin legal erforschen konnten, vielleicht doch nach Wissenschaftlichen Grundlagen gearbeitet haben?

😱
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