Die Geschichte des Glühweins: Vom gewürzten Römerwein zum modernen Weihnachtsmarkt-Getränk
Der Vorläufer: Conditum paradoxum
Die Römer, die den Wein in unsere Gefilde brachten, tranken den Rebensaft nicht unverdünnt. Und sie liebten es, den damals eher sauren Wein anzureichern, etwa mit Honig – was den sogenannten Mulsum ergab. Daneben verwendeten sie auch Gewürze wie Sternanis, Zimt und Lorbeer, um den Wein haltbarer zu machen. Dieser Gewürzwein wurde allerdings in der Regel nicht heiss genossen, sondern in Zimmertemperatur gereicht, so dass man hier streng genommen nicht von Glühwein sprechen kann. Immerhin wurde Mulsum bisweilen erwärmt getrunken; dies galt als Mittel gegen Durchfall.
Ein verfeinerter Mulsum, dessen Rezept im berühmten Kochbuch aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. des Feinschmeckers Apicius – De re coquiniaria – erwähnt wird, kommt unserem Glühwein recht nahe: Bei diesem Conditum paradoxum genannten Getränk wurde Honig mit etwas Wein eingekocht und mit Pfeffer, Lorbeerblättern, Safran und Datteln gewürzt. Da solche exquisiten Gewürze für die breite Masse zu teuer waren, blieb das Conditum paradoxum einer wohlhabenden Oberschicht vorbehalten.
Das Conditum paradoxum dürfte auf ein älteres und etwas einfacheres altgriechisches Rezept zurückgehen. Die ältesten Wurzeln des Glühweins wären damit wohl im antiken Griechenland zu finden.
Gewürzte Weine im Mittelalter
Nach dem Untergang des Weströmischen Reichs ist die Quellenlage in Westeuropa für Jahrhunderte notorisch düster, und dies gilt auch für den Wein. Man kann allerdings davon ausgehen, dass die Weine wegen ihrer allgemein niedrigen Qualität weiterhin stark gewürzt wurden. Kalter gewürzter Wein galt dank seiner ätherischen Öle als Allheilmittel.
Im ausgehenden Mittelalter und in der Renaissance erfreute sich der sogenannte Hypocras in ganz Europa grosser Beliebtheit. Es handelte sich um einen stark gewürzten, meist roten Wein, der kalt oder auch warm getrunken wurde. Er gilt als direkter Vorgänger des modernen Glühweins, dem er in den Zutaten – typisch waren Zimt, Nelken, Ingwer, Kardamom, Muskatnuss und reichlich Zucker oder Honig – und im Geschmack vermutlich recht nahe kam.
Hypocras ähnelte einem Dessertwein und wurde denn auch häufig am Ende eines Festmahls serviert, um die Verdauung anzuregen. Die weisse Variante des Hypocras hiess lûtertranc oder claret. Dieser besonders in Frankreich weit verbreitete, leicht gewürzte Weisswein wurde kalt getrunken und war eher ein Tafelgetränk als ein Dessertwein.
In der frühen Neuzeit begann man in den kälteren Klimazonen damit, den Wein im Winter zu erwärmen, etwa durch Zugabe von heissen Steinen oder erhitzten Schürhaken. In diesen frühen Glühweinen wurden oft die gleichen Gewürze verwendet, die auch in den altüberlieferten Lebkuchenrezepten zu finden sind, beispielsweise Anis, Kardamomen, Macisblüten, Muskat, Nelken, Orangen- und Zitronenschalen, Piment und Zimt.
Diesen Getränken schrieb man auch heilende Wirkung zu: Im 1580 erschienen Arzneibuch des Arztes Hieronymus Bock steht, der Kräuterwein helfe «wider das Wehtun der Brust, treibt die verhaltene Mondzeit (Menstruation) der Frauen und vertreibt die Schrecken, wovon der Harn schmerzlich gefangen wird.» Zudem sei er gut gegen «feuchten Magen», vulgo: Durchfall.
Das älteste erhaltene deutsche Glühwein-Rezept
Das älteste deutsche Glühwein-Rezept, das noch erhalten ist, stammt aus dem Jahr 1843. Es fand sich im Sächsischen Staatsarchiv in einer Rezeptsammlung im Nachlass von August Josef Ludwig von Wackerbarth, einer schillernden Figur. Sein Weingut, Schloss Wackerbarth, existiert heute noch.
Achtung: Diese Rezeptangaben sind gesundheitsgefährdend, weil die Mengenangaben der Gewürze sehr hoch sind. Allein Muskatnuss kann in hohen Dosen etwa ab fünf Gramm unter anderem zu Bewusstseinsstörungen, Herzrasen und Halluzinationen führen.
Das Wackerbarthsche Glühwein-Rezept bedeutet jedoch nicht, dass der Glühwein in Sachsen erfunden wurde. Das Deutsche Weininstitut in Mainz verweist darauf, dass die Schweden schon im 16. Jahrhundert unter König Gustav Wasa dem warmen Wein die heute charakteristischen Gewürze beimischten. Dieses gewürzte Heissgetränk ist heute unter der Bezeichnung Glögg weltweit bekannt. Möglicherweise verdankten die Schweden den Glühwein aber tatsächlich den Deutschen: Gustav Wasas Gemahlin Katharina von Sachsen-Lauenburg kam aus Sachsen.
Der moderne Glühwein
Den heute omnipräsenten kommerziellen Glühwein – ein in Flaschen abgefülltes, fertiges Produkt – gibt es erst seit 1956. Damals füllte Rudolf Kunzmann in seiner Kellerei in Augsburg erstmals mit Zucker und Gewürzen versetzten Wein in Flaschen ab und verkaufte ihn als Glühwein. Beleg dafür ist ein erhalten gebliebener Bussgeldbescheid des Marktamts der Stadt Augsburg – Zucker im Wein war damals gemäss Weinrecht eine verbotene Zutat. Erst später wurde das Weinrecht geändert und der Glühwein damit legalisiert.
Der fertig abgefüllte Glühwein zu erschwinglichen Preisen erwies sich als Verkaufsschlager, denn nun musste man sich das populäre Heissgetränk nicht mehr mit aufwändig selbst besorgten Gewürzen zusammenmischen. Schnell eroberte der Glühwein die Weihnachtsmärkte, von denen er nicht mehr wegzudenken ist. Heute gibt es zahllose Varianten mit rotem oder weissem Wein oder auch alkoholfreiem Basisgetränk.
Glühwein in aller Welt
Das beliebte Heissgetränk gibt es nicht nur in den deutschsprachigen Ländern. In unterschiedlichen Varianten, oft mit regional angepassten Zutaten, gibt es Glühwein auch in Skandinavien, wo er wie erwähnt «Glögg» heisst. In Frankreich trinkt man «Vin Chaud», in England «Mulled Wine», in Spanien «Vino caliente» und in Kroatien «Kuhano Vino». Das Grundprinzip des Glühweins – gewürzter, erhitzter Wein – bleibt dabei immer gleich, wobei mitunter noch weitere Zutaten hinzukommen, beispielsweise beim Glögg, der noch zusätzlich Schnaps enthält, etwa Korn oder Wodka.
(dhr)
