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Japan meldet Matcha-Mangel: Das sind die Gründe und Herausforderungen

Wie Influencer den Matcha-Boom anheizen und Japans Tradition gefährden

Matcha gilt als gesund – und flutet regelrecht die sozialen Medien. Das Ursprungsland Japan hat zunehmend Mühe, die hohe Nachfrage zu decken, und die Situation wird sich voraussichtlich auch in Zukunft nicht bessern.
30.03.2025, 17:3430.03.2025, 19:14
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Er ist Kaffees grösster Konkurrent: Matcha. Das koffeinhaltige Grüntee-Getränk besticht durch seine leuchtende Farbe – und erobert regelmässig die Social-Media-Feeds.

Das grüne Pulver aus Teeblättern wird nicht nur als Tee konsumiert, sondern landet mittlerweile auch im Essen – Torten, Kekse, Glace sind nun grün.

Unter dem Hashtag #Matchatok findet man auf TikTok über 80'000 Beiträge.
Unter dem Hashtag #Matchatok findet man auf TikTok über 80'000 Beiträge.screenshot: tiktok

Aber die steigende Nachfrage bringt auch Probleme mit sich: Das Ursprungsland Japan kommt mit der Produktion nicht mehr nach. Warum ist das grüne Pulver plötzlich so beliebt?

Jahrhundertalte Tradition

Hinter dem giftgrünen Pulver steckt weit mehr als nur ein Trend-Getränk – es verbirgt sich eine jahrhundertealte Tradition, die tief in der japanischen Kultur verwurzelt ist.

Die Geschichte reicht bis ins 9. Jahrhundert zurück und soll ihren Ursprung in China haben. Chinesische Mönche sollen Teeblätter gedämpft und zu Pulver verarbeitet haben, um sie in Form von «Teepulver» zu trinken. Diese Praxis hatte sowohl gesundheitliche als auch spirituelle Bedeutung. Der Tee soll den Mönchen geholfen haben, ihre Meditation zu vertiefen und ihren Geist zu beruhigen.

Im 12. Jahrhundert brachten Zen-Meister das Grüntee-Pulver nach Japan. Im Laufe der Zeit perfektionierten die Zen-Buddhisten die Zubereitung und entwickelten die Teezeremonien, die zu zum Symbol der japanischen Kultur und Spiritualität wurden.

In der frühen Meiji-Zeit (1868–1912) begann der Anbau von Tencha, den Blättern für Matcha, an Fahrt zu gewinnen. Diese Zeit legte den Grundstein für die intensive Matcha-Produktion, die in Japan immer wichtiger wurde – und sich später weltweit verbreitete.

Trotz des Aufschwungs blieb die Tradition erhalten: Noch heute wird Matcha in Japan mit grosser Achtsamkeit zubereitet und genossen. Teezeremonien sind nach wie vor ein fester Bestandteil der japanischen Kultur und haben ihren Platz in der Gesellschaft bewahrt.

Matcha vs. Kaffee

Inspiriert vom achtsamen Lebensstil Japans erobert Matcha selbst die Käffer die Cafés Welt. Anders als beim Kaffee, der einen schnellen Energieschub liefert, wird das Koffein im Matcha langsam freigesetzt und abgebaut. Das Energielevel bleibt also länger stabil.

Gewonnen wird das Pulver aus den Blättern der Teepflanze Camellia sinensis (Sorte Tencha). Im Vergleich zu normalem grünem Tee enthält Matcha mehr Antioxidantien, da die ganzen Blätter konsumiert werden. Das in Teeblättern enthaltene L-Theanin (eine Aminosäure) hat eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem, fördert die Entspannung und steigert die Konzentration.

Komplexer Anbau

Traditioneller Matcha wird in Japan produziert. Obwohl der Grüntee in verschiedenen Regionen Japans angebaut wird, gibt es einen Ort, der für seinen hochwertigen Matcha besonders bekannt ist: Uji, südlich von Kyoto. Dort beherrschen die Matcha-Bauern seit Jahrhunderten die Techniken für den Anbau und die Ernte von sehr hochwertigem Matcha.

Der Anbau von Matcha ist ein komplexer Prozess, bei dem Boden und Klima entscheidend für die Qualität des Tees sind. Die Pflanze benötigt einen schattigen Standort, um ihre Aromen optimal zu entwickeln. Auf starke Temperaturschwankungen reagiert die Teepflanze besonders empfindlich.

Rekordnachfrage

Japan ist einer der weltweit grössten Produzenten von Matcha. 2023 wurden rund 4000 Tonnen des grünen Pulvers hergestellt – fast dreimal so viel wie 2008. Im vergangenen Jahr erzielte Japan einen Rekordwert von 245 Millionen Dollar aus den Exporten von Grüntee – etwa ein Viertel mehr als im Vorjahr.

Neben dem Export zieht es auch viele Touristinnen und Touristen nach Japan, vor allem aufgrund des schwachen Yen. Menschen aus aller Welt nutzen die günstigen Preise, um das Land zu besuchen und die japanische Kultur sowie Produkte wie Matcha zu entdecken. Letztes Jahr besuchten 37 Millionen Menschen das Land – ein Anstieg von 47 Prozent gegenüber 2023.

Bereits im November 2024 kam es in Japan zu einem Mangel an Matcha.
Bereits im November 2024 kam es in Japan zu einem Mangel an Matcha.bild: tiktok

Trotz der Rekordproduktion herrscht in Japan ein Matcha-Mangel. Bekannte Matcha-Produzenten haben den Verkauf bestimmter Produkte eingestellt oder ihre Preise stark (bis zu 40 Prozent) erhöht.

Das Problem liegt darin, dass die Ernte von hochwertigen Matcha-Sorten nur einmal im Jahr erfolgt. Das bedeutet: Bei steigender Nachfrage kann nicht mehr geerntet werden. Den Matcha aus Japan zu imitieren, ist schwierig. Das liegt an der einzigartigen Kombination aus Klima und Boden sowie an der Anbautechnik, die über Jahrhunderte hinweg perfektioniert wurde

Social Media als Markttreiber

Der Matcha-Boom erfolgt zu einer Zeit, in der die Nachfrage nach Gesundheit, Achtsamkeit und Wohlbefinden steigt. Immer mehr Menschen suchen nach Wegen, gesünder und bewusster zu leben und mehr in Einklang mit sich selbst zu kommen – ähnlich wie im Zen.

Social Media trägt massgebend zur Popularität und zum Mangel bei: Influencerinnen und Influencer schwärmen von den zahlreichen gesundheitlichen Vorteilen des Tees und verbreiten die Philosophie dahinter. Und plötzlich ist Matcha nicht nur mehr ein Getränk, sondern ein Lebensstil. Unter dem Hashtag #Machatok findet man über 80'000 Beiträge, in denen Nutzerinnen und Nutzer zeigen, wie sie ihren Matcha zubereiten.

Eine «Matcha-Enthusiastin» erzählt auf TikTok, dass sie in Japan ganze 30 Matcha-Dosen gekauft habe.
Eine «Matcha-Enthusiastin» erzählt auf TikTok, dass sie in Japan ganze 30 Matcha-Dosen gekauft habe. bild: tiktok

Ein anderes Problem sind exzessive Käufe: Viele Videos auf Instagram und TikTok zeigen, wie Touristinnen und Touristen mit einem Koffer voller Matcha aus Japan zurückkehren, um möglichst viele Geschmacksrichtungen und Vorräte zu ergattern.

Angeheizt wird der Trend auch durch Popkultur. Shirin David singt in ihrem Song «Bauch, Beine, Po»: «Erstmal ein Matcha Latte, ich trinke morgens gerne drei.»

Drei! Warum?

Herausforderungen der Zukunft

In Japan wird die Teeindustrie durch zahlreiche Subventionen und Förderprogramme unterstützt – sowohl der Anbau als auch die Forschung. Doch das Land steht vor zwei grossen Problemen: der Klimawandel und eine alternde Bevölkerung.

Die Teepflanze benötigt stabile klimatische Bedingungen – steigende Temperaturen, unvorhersehbare Wetterextreme und längere Dürreperioden gefährden nicht nur den Anbau, sondern können auch die Qualität beeinträchtigen. Japanische Forscher arbeiten derzeit daran, klimaresistenter Teesorten zu entwickeln. Doch diese Prozesse stecken noch in den Kinderschuhen.

Auch die schrumpfende und alternde Bevölkerung in Japan wirkt sich direkt auf die Matcha-Produktion aus: Immer weniger junge Menschen sind bereit, in der Landwirtschaft tätig zu sein, während die ältere Generation der Teebauern zunehmend kleiner wird.

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lisbon
30.03.2025 18:49registriert Januar 2019
Können diese Influencer nicht auf dem Mond influencen?
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Swen Goldpreis
30.03.2025 18:00registriert April 2019
"sondern landet mittlerweile auch im Essen – Torten, Kekse, Glace sind nun grün."

Da wird etwas arg simpel zugespitzt. Matcha-Glace hatte ich schon vor 25 Jahren auf meinem ersten Japantrip. Ebenso Matcha-Kekse. Und zur gleichen Zeit konnte man das auch schon in der Schweiz kaufen. Nicht in der Migros, klar, aber in Spezialitätläden.

Und dann erst der Titel! Bei allem (teilweise berechtigten) Influencer-Hass, aber für Klimawandel und alternder Gesellschaft in Japan, den beiden Hauptproblemen hier, kann man sie nun wirklich nicht verantwortlich machen.
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Haarspalter
30.03.2025 18:35registriert Oktober 2020
War bei Japanischem Whisky auch so.

Bis ca. 2000 interessierte sich niemand ausserhalb Japan dafür.

Wohlbehütete alte Fässer reichten, um Jahr für Jahr den inländischen Bedarf zu decken.

Dann erkürte der Whisky Kritiker Michael Jackson (nicht der Moonwalker) einen Yamazaki als Whisky of the year.

Die internationale Nachfrage übertraf bei Weitem die inländische Produktion, so dass schliesslich fast alle 18- und 20-jährigen Whsiky-Fässer aufgekauft wurden - also Whiskys mit diesem Alter gar nicht mehr abgefüllt werden konnten.

Die Preise stiegen von 80$ pro Flasche auf 2000$ und mehr.
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