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Was Tinder, Pornhub und Co. mit der Sexualität der jungen Männern machen

Erektile Dysfunktion
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«Dass Pornos immer verfügbar sind, ist ein Problem»

Das Internet und die sozialen Medien verändern unsere Sexualität. Das macht den Männern zunehmend zu schaffen, meint Urologe Dr. Markus Margreiter. Auf zur Sprechstunde.
19.09.2019, 15:3620.09.2019, 12:00
Dennis Frasch
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Herr Margreiter, Erektionsstörungen betreffen immer mehr jüngere Leute, schreiben Sie und sehen die Ursache allem voran in der Digitalisierung der Sexualität. Wieso?
Markus Margreiter: Dass die Patienten immer jünger werden, ist eine Beobachtung, die ich persönlich mache. Die Jüngsten sind um die 20. Bei Jugendlichen kommt es durch soziale Medien, Tinder und vor allem der Internet-Pornografie zu einem anderen Erleben der Sexualität.

Das heisst?
Es ist so, dass uns heute alles online zur Verfügung steht und unsere Fantasie gar nicht mehr gefordert ist. Auch lassen sich mit nur wenigen Klicks immer extremere Inhalte anschauen. Erste Studien deuten darauf hin, dass es deswegen zu einer veränderten Architektur von Gehirnarealen kommt, die für die Ausschüttung von Belohnungssubstanzen zuständig sind.

«Wenn der Pornokonsum jedoch ergänzend zum normalen Ausleben der Sexualität stattfindet, dann ist das völlig in Ordnung.»

Die Erektionsstörungen treten also auf, weil die Fantasie durch Pornos bereits übersättigt ist und das echte Leben dem gar nicht mehr das Wasser reichen kann?
Genau. Wobei ich Pornografie an sich gar nicht verteufeln möchte. Das Problem liegt in deren stetigen Verfügbarkeit im Zeitalter der digitalen Sexualität. Zudem besteht eine Schere zwischen der Realität und dem, was man in den Videos zu sehen bekommt.

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Urologe und Autor
Dr. Markus Margreiter leitete bis 2016 als assoziierter Professor die Ambulanz für Andrologie und Erektile Dysfunktion an der Wiener Universitätsklinik für Urologie. Er betreibt jetzt ein Männergesundheitszentrum in Wien. Am 21. September erscheint sein Buch «Mann 2020». Darin erklärt er, was jeder Mann selbst zur Erhaltung seiner Manneskraft tun kann, welche modernen Methoden die Medizin über Viagra hinaus beisteuern kann und wie der männliche Körper funktioniert.

Wie oft kann man Pornos schauen, ohne in ein problematisches Konsummuster zu fallen?
Es gibt bisher keine gute Definition, ab wann man von einer Pornosucht spricht. Aus medizinischer Sicht verhält sich das gleich wie bei anderen Suchterkrankungen. Es kann von einer Störung gesprochen werden, sobald es zu Problemen im normalen Leben kommt. Ein guter Indikator von Missbrauch ist, wenn die sexuelle Befriedigung nur noch über den Pornokonsum läuft und alltägliche Aktivitäten vernachlässigt werden. Wenn der Pornokonsum jedoch ergänzend zum normalen Ausleben der Sexualität stattfindet, dann ist das völlig in Ordnung.

Bei Tinder erschliesst sich mir die Verbindung zu Erektionsstörungen jedoch nicht.
Tinder führt zu einem veränderten Verständnis von Sexualität. Wir verlernen das normale Ansprechen einer Person in Alltagssituationen, die partnerschaftliche Kommunikation geht vergessen. Dies kann wiederum zu Stress im echten Leben führen.

Aber auch bei Tinder muss man sich erstmal verabreden und sich treffen, bevor es zum Geschlechtsverkehr oder anderem kommt.
Natürlich. Die Problematik ist aber, dass alles sehr auf das Oberflächliche reduziert wird. Es geht um die Millisekunden des ersten Impulses, swipe ich nach rechts oder links?

Was machen Sie mit den Männern, die mit Potenzproblemen zu ihnen kommen? Müssen die in die Psycho- oder in die Penistherapie?
Das Allerwichtigste ist, erstmal herauszufinden, wann und wie die Probleme aufgetreten sind und wie lange sie schon bestehen. Auch ist es wichtig, die medizinische Vorgeschichte zu erfragen. Gibt es Vorerkrankungen, wie sieht der Lifestyle aus? Ist der Patient Raucher oder trinkt er viel Alkohol? Gibt es Hinweise auf hormonelle Störungen?

Und dann?
Dann geht es zur psychischen Ebene: Gab es aktuelle Ereignisse, die mit Erektionsstörungen in Verbindung gebracht werden können? Sind in diesem Bereich Auffälligkeiten ausfindig zu machen, werden viele Patienten zu einem Sexualtherapeuten geschickt. Der klärt weitere Hinweise ab, die zu den Problemen geführt haben könnten. Häufiger sind jedoch die körperlichen Ursachen wie Veränderungen im Bereich der Gefäße, Hormone oder der Nerven. Das bedarf dann ebenfalls weiterer Abklärung.

«Da kommen dann zum Beispiel Viagra oder ähnliche Mittel oftmals täglich zum Einsatz.»

Was ist mit den hartnäckigen Fällen?
Bestehen die Probleme bereits seit Jahren, muss man tatsächlich ein Penis-Rehabilitationsprogramm starten, dass aus verschiedenen Therapien besteht. Da kommen dann zum Beispiel Viagra oder ähnliche Mittel oftmals täglich zum Einsatz. Zusätzlich kann man mit Stosswellentherapie das Gewebe der Schwellkörper verbessern. Bei Patienten, die schwere Veränderungen an den Gefässen haben, kann man mittels interventionellen Techniken versuchen, diese Gefässe wieder zu öffnen. Und sollte einmal keine der Therapien einen befriedigende Wirkung zeigen, gibt es immer noch die Möglichkeit von Schwellkörper-Implantaten.

Sie schreiben in ihrem Buch auch über die passende Kleidung für Hoden. In welchen Kleidern fühlen sich die Hoden denn am wohlsten?
Dass die Hoden ausserhalb des Körpers angesiedelt sind, hat einen Grund. Der Körper kann so die Temperatur der Hoden beeinflussen. Wenn es kalt ist, zieht sich der Hodensack näher zum Körper, wenn es warm ist, dehnt er sich eher aus. Wenn die Temperatur jedoch stetig erhöht ist, wie zum Beispiel durch das Tragen von sehr engen Hosen oder der häufigen Benutzung des Schosses als Abstellplatz eines Laptops, dann kommt es zur verschlechterten Samenproduktion.

Was den Urologen zum Schmunzeln bringt
«Ich liebe meine Arbeit und ein respektvoller Umgang mit den Anliegen meiner Patienten ist für mich das oberste Gebot. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, die zum Schmunzeln oder sonderbar sind. Unlängst etwa fragte mich ein Anrufer: ‹Kann ich kommen? Denn ich kann nicht kommen!› Meistens stehen die Vorfälle aber im Zusammenhang mit autoerotischen Abenteuern. So wurden mal Vogelfedern in der Harnröhre eines Patienten gefunden. Ein weiterer Patient hat sich mal an einer Glasflasche vergangen und schwere Verletzungen am Penis davongetragen.
Ein Klassiker ist die Penisfraktur. Dabei kommt es zu einem Einriss in der Schwellkörperhülle. Das passiert eigentlich immer im Rahmen von Geschlechtsverkehr, wenn man mit zu viel Wucht in das Becken des Gegenübers stösst. In sehr vielen Fällen geben die Patienten jedoch an, dass sie aus dem Bett gefallen sind».

Neue Studien zeigen, dass die Spermienqualität kontinuierlich sinkt. Dies, obwohl wir immer gesünder leben. Wie kann das sein?
Es stimmt, dass wir prinzipiell immer gesundheitsbewusster werden. Die Störungen treten jedoch auf, ohne dass wir uns dessen wirklich bewusst sind. Dies liegt einerseits an den sogenannten endokrinen Disruptoren. Das ist die Summe einer Vielzahl von Stoffen, die zum Teil über Düngemittel oder Weichmacher ihren Weg in unsere Nahrung finden. Diese Stoffe können zu einer schlechteren Spermienproduktion führen.

Und andererseits?
Das zweite Problem ist der Stress. Wir leben in einer Zeit, in der Stress allgegenwärtig ist. Dieser ständige Druck kann den hormonellen Kreislauf beeinflussen.

Wird die Menschheit also irgendwann komplett unfruchtbar?
So ein dramatisches Bild würde ich nicht zeichnen. Es gibt immer eine natürliche Selektion. Es findet zudem eine stetige evolutionäre Adaption an die geänderten Lebensumstände statt. Auch bei den Kinderwunschbehandlungen machen wir grosse Fortschritte. Durch die Medizin lassen sich also gewisse Trends abfedern.

Die Gesundheit von Männern ist von einem Randthema zu einer riesigen Industrie geworden. Wie sah das vor 20 Jahren aus?
Dr. Margreiter: Männergesundheit war damals noch nicht im Fokus des Interesses. Mittlerweile ist es in aller Munde. Das ist auch gut so, denn Männer leben im Schnitt immer noch circa fünf Jahre weniger als Frauen. Das ist kein Lifestyle-Thema, sondern eines, dass wirklich ernst zu nehmen ist.

Die Medizin hat aber auch Fortschritte gemacht.
Absolut. Ein gutes Beispiel sind Prostatakrebs oder die gutartige Prostatavergrösserungen: Operationen finden mittlerweile mithilfe von Robotern statt und es gibt neueste medikamentöse Therapien. Die Lebenserwartung bei Männern mit Prostatakrebs ist dramatisch gestiegen.

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62 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eidg. dipl. Tütenbauer
19.09.2019 15:42registriert März 2019
Penis-Rehabilitationsprogramm

Schwellkörper-Implantaten

Die Spinnen die Römer!
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ThePower
20.09.2019 00:02registriert März 2016
Ob jemand Pornos schauen möchte ist eine persönliche Entscheidung. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, keine mehr zu schauen. Warum? Erstens fand ich es irgendwann schräg, einem anderen Typen beim Vögeln zuzuschauen. Zweitens war danach immer so eine Leere anstelle der entspannten Zufriedenheit, die nach echtem Sex da ist. Drittens habe ich bemerkt, dass es mein Frauenbild nicht gerade positiv beeinflusst hat. Seitdem ich keine Pornos mehr schaue, hat sich vieles verbessert in diesem Bereich. Ich kann also wärmstens weiterempfehlen, darauf zu verzichten. Es lohnt sich😉
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Loeffel
19.09.2019 17:51registriert Oktober 2016
Habe einen harten bekommen, beim Lesen dieses Artikels. Ich glaube es war das Wort „Stosswellentherapie“, welches mir zusetzte.

Ist mit mir alles in Ordnung?
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