Vor rund einem Monat wurden an der Jahrestagung der American Meteorological Society die Ergebnisse einer internationalen Studie präsentiert, die Erfreuliches vermelden kann: Die Ozonschicht in der oberen Stratosphäre hat sich deutlich erholt und ist auf dem Weg zur vollständigen Erholung.
Was der internationalen Gemeinschaft beim Ozonloch gelungen ist, scheint bei der Klimaerwärmung nicht zu klappen: Das 2015 im Übereinkommen von Paris festgelegte Ziel, den menschengemachten Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 auf 1,5 °C zu beschränken, gilt mittlerweile als kaum mehr erreichbar. Warum kommen wir bei der Klimaerwärmung kaum vorwärts, während die Massnahmen zum Schutz der Ozonschicht anscheinend erfolgreich umgesetzt wurden?
Beide Umweltkrisen wurden von Wissenschaftlern als Problem beschrieben, bevor die breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam wurde. Das Phänomen der anthropogenen Klimaerwärmung war bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt, wurde damals aber noch nicht als problematisch betrachtet. Erst in den 1940er-Jahren gab es vereinzelt Warnungen vor den Folgen der Erwärmung. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Messdaten ab den 1950er-Jahren nahm dann auch die Sorge unter den Wissenschaftlern stetig zu; 1979 kam es dann in Genf zum ersten weltweiten Klimagipfel, bei dem die Politik aber noch weitgehend aussen vor blieb.
In den 1980er-Jahren wurden die Warnungen deutlicher und erreichten nun auch ein grösseres Publikum. 1986 hob der «Spiegel» die «Klima-Katastrophe» erstmals auf die Titelseite, 1988 wurde der Weltklimarat IPCC gegründet, der von nun an regelmässig seine Berichte veröffentlichte. Doch die zunehmende Aufmerksamkeit, die der Klimaerwärmung zuteilwurde, schlug sich nicht in entsprechenden Massnahmen nieder – während Jahrzehnten geschah ausser wohlfeilen Deklarationen so gut wie nichts.
So verstrich fast ein Vierteljahrhundert vom Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 bis zur Klimakonferenz 2015 in Paris, an der erstmals alle ratifizierenden Staaten zur Reduktion der Treibhausgasemissionen verpflichtet wurden. Diese sollen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts global auf null gesenkt werden. Doch nach wie vor bläst die Menschheit stets mehr Treibhausgase in die Atmosphäre.
Auch beim Ozonloch dauerte es eine Weile, bis die Wissenschaft die Gefahr erkannte. Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die das Ozonloch verursachten, wurden erstmals 1929 für die industrielle Produktion hergestellt. Es handelt sich um eine Gruppe von Kohlenstoffverbindungen, bei denen Wasserstoffatome durch Chlor oder Fluor ersetzt werden. Die geruchlosen und ungiftigen Gase sind nicht entzündlich und leicht zu handhaben – eigentlich wahre Wundermittel. Doch bereits 1957, knapp 30 Jahre nach Beginn der industriellen Verwendung, gab es erste Hinweise auf eine Schwächung der Ozonschicht über der Antarktis; sie stammten von der britischen Forschungsstation Halley Bay. Diese Messungen wurden jedoch zunächst kaum beachtet.
Erst in den frühen 1970er-Jahren entdeckten Frank Sherwood Rowland und Mario J. Molina bei Labormessungen den Mechanismus, der zur Schädigung der Ozonschicht führt: FCKW-Moleküle werden in grosser Höhe und bei starker Kälte durch Einwirkung des Sonnenlichts gespalten, wobei ein reaktionsfreudiges Chlorradikal (Chloratom) entsteht, das danach mit einem Ozonmolekül reagiert und dieses spaltet. Dadurch entsteht ein Chlormonoxidradikal, das wiederum ein freies Sauerstoffatom bindet, das sich sonst mit einem Sauerstoffmolekül zu Ozon verbinden könnte.
Ihre bahnbrechende Hypothese veröffentlichten die beiden Chemiker 1974, doch vorerst bewirkte dies keinen Umschwung – auch weil es Widerstand aus der Industrie gab. Erst Mitte des nächsten Jahrzehnts änderte sich dies, als Messreihen aus Halley Bay einen dramatischen Schwund der Ozonschicht über dem Südpol zeigten. Nach Publikation der Daten im Wissenschaftsmagazin «Nature» 1985 bestätigten Satellitendaten der NASA den Befund – das Ozonloch war entdeckt. Rowland und Molina erhielten 1995 zusammen mit dem Atmosphärenchemiker Paul Crutzen den Nobelpreis für Chemie.
Ganz im Gegensatz zur anderen Umweltkrise, der Klimaerwärmung, ging es nun aber schnell. Der dramatische Fortschritt der Ozonzerstörung zwang die Politik zum Handeln: Noch im gleichen Jahr wurde in Wien unter der Führung des UNO-Umweltprogramms ein Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht beschlossen. Noch wichtiger war indes die Konferenz von Montreal 1987, die selbst US-Präsident Ronald Reagan und die britische Premierministerin Margaret Thatcher unterstützten – zwei Politiker, die beide sonst kaum ökologische Positionen vertraten.
Das im selben Jahr verabschiedete Protokoll von Montreal, das Anfang 1989 in Kraft trat, verpflichtete die Unterzeichnerstaaten zur Reduzierung und schliesslich zur vollständigen Abschaffung der Emission von FCKW. Deren Produktion wurde ab 1990 komplett verboten. Dies geschah selbstredend gegen den heftigen Widerstand der Industrie, die diese Stoffe herstellte und vertrieb.
Die Massnahmen zeigten Wirkung. Nach Angaben der amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration hat die Menge der Stoffe, die für den Ozonabbau in unserer Stratosphäre sorgen, bis Anfang 2022 um rund 50 Prozent abgenommen. Damit wurden Werte erreicht, die gemessen wurden, bevor das Ozonloch zu einem Problem wurde. Bis die Ozonschicht sich wieder völlig erholt hat, wird es aber noch dauern: Aktuell sieht es so aus, dass sich die Ozonschicht – falls die derzeitigen Massnahmen bestehen bleiben – über der Antarktis bis etwa zum Jahr 2066, über der Arktis bis 2045 und in der übrigen Welt bis 2040 auf die Werte von 1980 erholen wird.
Ein nicht zu unterschätzender Grund dafür, dass sich das Ozonloch nicht zu einer derart bedrohlichen Umweltkrise wie die Klimaerwärmung entwickeln konnte, ist schlicht «unglaubliches Glück», wie es in einem Artikel der «Zeit» über den Weg zum Montreal-Protokoll heisst. So sei es bereits ein Glücksfall gewesen, dass bei der industriellen Herstellung von FCKW die Wahl auf das Element Chlor fiel und nicht auf Brom – das zwar denselben Zweck erfüllt, aber die Ozonschicht weit stärker geschädigt hätte. So sehr, dass sie bereits in den 70er-Jahren nicht mehr zu retten gewesen wäre. Glück sei es auch gewesen, dass Wissenschaftler die Gefährlichkeit der FCKW rechtzeitig erkannt hätten, obwohl sie die involvierten Mengen zu Beginn für viel zu klein hielten, als dass sie globale Probleme verursachen könnten.
Von grosser Bedeutung bei der erfolgreichen Bekämpfung des Ozonlochs war zudem der Umstand, dass das Montreal-Protokoll nicht nur Absichtserklärungen enthielt wie etwa das Abkommen von Paris, sondern auch Strafen vorsah, falls ein Unterzeichnerstaat gegen die Beschlüsse verstossen sollte. Zu den Sanktionsmitteln gehört etwa die Einschränkung des Handels mit Produkten, die geregelte Substanzen enthalten oder mit solchen Substanzen hergestellt werden; etwa Kühlschränke oder Klimaanlagen. In der Regel genügte die Androhung von Sanktionen bereits, um die Mitgliedsstaaten zur Einhaltung des Protokolls zu bewegen.
Der Hauptgrund für die schnelle Reaktion auf die Bedrohung durch das Ozonloch dürfte jedoch darin liegen, dass die FCKW in einem letztlich beschränkten Sektor eingesetzt wurden – vornehmlich als Kältemittel in Kühlschränken, als Treibgas in Sprühdosen, bei der Herstellung von Schaumstoffen oder als Reinigungs- und Lösungsmittel. Für diese Anwendungen fanden sich schnell Alternativen, etwa Fluorkohlenwasserstoffe wie H-FKW, die zwar nicht über die hervorragenden Eigenschaften der FCKW verfügten, dafür aber die Ozonschicht nicht schädigten. Einige der Alternativstoffe fördern freilich ihrerseits den Treibhauseffekt, doch ihr Eintrag ist gesamthaft vergleichsweise gering.
Ganz im Gegensatz zu diesen entbehrlichen FCKW-Gasen ist das wichtigste anthropogene Treibhausgas, CO2, nach wie vor nicht aus der Wirtschaft wegzudenken. Das geruch- und farblose Gas, das den Löwenanteil des vom Menschen zusätzlich verursachten Treibhauseffektes verursacht, entsteht bei jeder Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl oder Erdgas. Saubere Alternativen sind in aller Regel teuer und für Entwicklungsländer daher meist unerschwinglich. Dies erschwert den Übergang zur CO2-freien Energieerzeugung.
Noch ein Faktor könnte dazu beigetragen haben, dass die Reaktion auf das Ozonloch schnell und effizient ausfiel: Angst. Wie der Atmosphärenchemiker Thomas Peter von der ETH Zürich dem deutschen Sender NTV erklärte, musste quasi jeder persönliche gesundheitliche Folgen befürchten für den Fall, dass die Ozonschicht geschädigt würde – etwa Hautkrebs oder eine schwere Augenerkrankung aufgrund der aggressiven UV-Strahlung.
Die Aussicht, sich möglicherweise bald überall im Freien mit Brillen und Kleidung vor einer gefährlichen UV-Strahlung schützen zu müssen, dürfte die Akzeptanz von Massnahmen gegen das Ozonloch erhöht haben. Diese Gefahr erschien selbstredend viel konkreter als beispielsweise eine Erwärmung der mittleren globalen Temperatur um zwei oder gar drei Grad. Die Konsequenzen einer solchen Erwärmung sind zwar ebenfalls verheerend, treffen aber womöglich später ein und nicht überall auf der Erde im selben Ausmass. Die Gefahren der Klimaerwärmung bleiben daher für viele Leute – zumal in reichen Ländern, die etwa die Folgekosten von Wetterextremen leichter tragen können – eher abstrakt.
Gleichwohl sind die Risiken der Klimaerwärmung sehr wohl vorhanden. Dazu gehört auch die Gefahr, dass die Aufheizung der Atmosphäre den Ozonabbau fördert. Anzeichen dafür ist insbesondere ein Rekordverlust von Ozon in der arktischen Stratosphäre im Frühjahr 2020. Die eigentlich erwartete Erholung der Ozonschicht über der Arktis könnte daher ausbleiben. Zudem stellte ein Forscherteam der ETH Zürich bereits 2018 eine gegenläufige Entwicklung der Ozonschicht in mittleren Breiten fest. Thomas Peter, Mitautor der Studie, hält diese neuen Erkenntnisse für besorgniserregend, aber nicht alarmierend. Man müsse die Entwicklung aber im Auge behalten und weiter erforschen.
Die einzigen, die darunter "gelitten" haben, waren eine Handvoll Firmen, welche FCKW produzierten und verkauften. Deren Lobby dürfte minimal gewesen sein.
So, und jetzt überlegt mal wieviele Teil-Ursachen der Klimawandel hat und wieviele mögliche Lösungen für die Teil-Ursachen existieren und wieviele Industrien negativ betroffen sind, wenn sie vom Status Quo abkommen müssen.
Das wird beim Klima nicht so schmerzlos gehen, da lässt man lieber eine SVP die Umweltpolitik gestalten...
Heute sind die Boomer und die Gen X, welche in einer Zeit des Überflusses aufwuchsen und nie auf etwas verzichten mussten. Das spiegelt sich in allen politischen Entscheiden. Nun müssen es die Jungen ausbaden.