Dass die Klimaerwärmung zu einer existenziellen Bedrohung für die Menschheit geworden ist, hat sich herumgesprochen. Es gibt jedoch verschiedene Methoden, wie man versuchen kann, die Katastrophe noch zu verhindern. Derzeit sorgen die Aktivisten, welche sich auf die Strasse kleben, für Schlagzeilen. Die Mitglieder von Inyova, einem Zürcher Start-up Finanzunternehmer, versuchen es auf die klassisch-kapitalistische Art: Sie ermöglichen den Aktionären die Ausübung ihrer Rechte. Die üben dann Einfluss auf die Unternehmen aus.
Vermögensverwalter streichen in der Regel ihre Performance heraus, will heissen, sie betonen, wie gut es ihnen gelungen ist, das Vermögen ihrer Kunden zu vergrössern. Inyova reicht das nicht: «Was wir anstreben, sind messbare Verbesserungen der Welt», sagt Tillmann Lang, CEO und Mitbegründer von Inyova. «Wir überlegen uns, was das Finanzsystem dazu beitragen kann, existenzielle Probleme wie die Klimakrise zu bewältigen.»
Fossile Brennstoffe sind der zentrale Faktor in der Klimaerwärmung. Sie sind für 89 Prozent der schädlichen Emissionen verantwortlich. Wer die Klimaerwärmung stoppen will, muss daher den Hebel bei den Erdöl-Multis ansetzen. Dass es dabei durchaus möglich ist, via Aktionäre zum Ziel zu kommen, hat der Hedgefonds Engine No.1. im Sommer 2021 bewiesen. Dem bis dato unbekannten Fonds ist es gelungen, dem Erdöl-Riesen Exxon drei alternative Verwaltungsräte aufs Auge zu drücken, und dies, obwohl Engine NO. 1 gerade mal 0,02 Prozent der Exxon-Aktien kontrolliert.
Die Strategie des umweltbewussten Hedgefonds zielte darauf ab, andere und weit gewichtigere Aktionäre zu überzeugen, mitzumachen. Und tatsächlich stiegen BlackRock und Vanguard, die Giganten unter den Vermögensverwaltern, auf das Ansinnen ein und unterstützten zur Verblüffung der Wall Street und Exxon den jungen Hedgefonds.
Das Vorgehen von Engine NO.1. ist auch das Vorbild von Inyova. Das Zürcher Finanzunternehmen greift jedoch keinen Öl-Multi direkt an, es wählt den Umweg über das Werbeunternehmen Publicis, den drittgrössten multinationalen Werbedienstleister und Medienkonzern aus Frankreich mit weltweit 88’500 Mitarbeitern. Publicis ist auf den ersten Blick gesehen ein vorbildliches Unternehmen. Der Anteil der Frauen an der Belegschaft beträgt rund 50 Prozent und man gibt sich alle erdenkliche Mühe, im eigenen Unternehmen den ökologischen Flussabdruck auf ein Minimum zu reduzieren.
Der Schwarze Peter liegt jedoch beim Umstand, dass Publicis auch für die fossile Industrie tätig ist. So spielte der Werbegigant eine wichtige Rolle bei der Neupositionierung von Total, dem französischen Erdölkonzern. Dieser nennt sich neuerdings TotalEnergies und versucht so den Eindruck zu erwecken, zumindest mit einem Bein aus dem dreckigen Ölgeschäft ausgestiegen zu sein.
In diesem Zusammenhang spricht man von «Paltering». «Gemeint ist damit, dass man ein irreführendes Bild erzeugt, ohne direkt zu lügen», sagt Lang. Tatsächlich gehen trotz unverfänglichem Namen bei TotalEnergies nach wie vor 70 Prozent aller Investitionen ins fossile Geschäft. Via seine Kundengelder ist Inyova auch Aktionär bei Publicis. Deshalb soll nun der Versuch unternommen werden, den Werbegiganten davon zu überzeugen, die Mandate und das Greenwashing von Ölmultis abzugeben.
Das sei locker zu verkraften und könne sich für Publicis sogar lohnen, sagt Lang. «Bloss drei Prozent des Umsatzes stammt aus diesem Geschäft, und dieser Betrag kann durch neue Geschäfte kompensiert werden.» Es sei auch ratsam, führt Lang weiter aus. «Der Weltklimarat und der UN-Generalsekretär haben die problematische Rolle der Werbeagenturen bereits erkannt», so Lang weiter. «Städte wie Amsterdam und Liverpool verbieten bereits Werbung für fossile Brennstoffe.»
Werbefirmen sind auf junge und kreative Mitarbeiter angewiesen, und diese haben keine Lust, für Unternehmen tätig zu sein, welche der Umwelt schaden. «Auch geschäftlich gesehen macht es daher Sinn, das Paltering für Erdöl-Multis einzustellen», sagt Lang.
Bereits im Frühjahr hat Inyova eine ähnliche Aktion durchgeführt. Konkret wurde versucht, BMW zu überzeugen, eine amerikanische Mobilitätsprofessorin in den Verwaltungsrat aufzunehmen. Das Unternehmen ist nicht gelungen. «Aber wir haben ein grosses positives Echo erhalten – und sehr viel gelernt», sagt Lang.