Tropische Wirbelstürme im Atlantischen Ozean und im Karibischen Meer gewinnen einer Studie zufolge immer schneller an Stärke. Weil im Zuge des Klimawandels die Oberflächentemperaturen der Meere steigen, können Hurrikane nicht nur mehr Wasserdampf aufnehmen, sondern dies auch immer schneller tun, erläutert Andra Garner von der Rowan University in Glassboro (New Jersey, USA) in der Fachzeitschrift «Scientific Reports». Tropische Wirbelstürme gewinnen ihre Energie hauptsächlich aus der Verdampfungswärme des Wasserdampfes, den sie über einem Meer aufnehmen.
Die Entwicklung sei besorgniserregend – besonders deshalb, da Hurrikane ohnehin schwer früh vorherzusagen seien und zu potenziell grossen Schäden führen könnten, so Garner. Die Hurrikane Sandy (2012), Harvey (2017), Irma (2017), Ida (2021) und Ian (2022) verursachten im Zeitraum 2012 bis 2022 die höchsten Schäden. Sie entwickelten sich in weniger als drei Tagen von einem tropischen Sturm zu einem Hurrikan der Kategorie 3 oder mehr auf der Saffir-Simpson-Hurrikan-Windskala, mit Windgeschwindigkeiten von mindestens 178 Kilometern pro Stunde.
Garner hatte Angaben der Hurrikan-Datenbank «Hurdat2» ausgewertet, in der zahlreiche Werte zu allen Hurrikanen verzeichnet sind. Sie teilte die Hurrikan-Daten in drei Zeiträume ein: 1971 bis 1990, 1986 bis 2005 und 2001 bis 2020. Dabei überlappt der mittlere Zeitraum mit den anderen beiden. Dann ermittelte die Forscherin von allen verzeichneten Hurrikanen das 12-Stunden-, 24-Stunden- und 36-Stunden-Intervall, in dem der Wirbelsturm jeweils am meisten an Stärke zugenommen hatte.
So konnte sie die Intensivierungsrate, also die Steigerung der Windgeschwindigkeiten, in den verschiedenen Zeiträumen miteinander vergleichen. Während die durchschnittliche maximale Intensivierungsrate innerhalb von 24 Stunden im ersten Zeitraum bei 32,8 Kilometern pro Stunde lag, waren es von 2001 bis 2020 bereits 41,7 Kilometer pro Stunde. Die höchste Intensivierungsrate innerhalb von 12 Stunden lag in dem Zeitraum im Durchschnitt bei 29,1 Kilometern pro Stunde – und damit 28.7 Prozent höher als im Zeitraum 1971 bis 1990 (22,6 Kilometer pro Stunde).
Hurrikane haben der Analyse zufolge heute eine mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, sich innerhalb von 24 Stunden von einem schwachen (Kategorie 1) zu einem starken Hurrikan (Kategorie 3 oder mehr) zu entwickeln: Für die Jahre 1971 bis 1990 lag sie bei 3,23 Prozent, für den Zeitraum 2001 bis 2020 bei 8,12 Prozent.
«Auch Spitzenintensitätsraten, die 50 Knoten erreichen oder überschreiten, werden mit der Zeit wahrscheinlicher», schreibt Garner. 50 Knoten entsprechen 92,6 Kilometern pro Stunde. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hurrikan innerhalb von 24 Stunden in diesem Ausmass an Stärke gewinnt, lag von 1971 bis 1990 bei 2,6 Prozent. Im jüngsten Zeitraum kam es mit einer Wahrscheinlichkeit von 7,4 Prozent dazu.
Im Untersuchungszeitraum verlagerten sich auch die Regionen, in denen tropische Wirbelstürme im Atlantik und in der Karibik auftreten. So nahm die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hurrikan im Golf von Mexiko so schnell an Stärke gewinnt, in allen untersuchten Intervallen (12, 24, 36 Stunden) von 1971 bis 2020 ab. An der US-amerikanischen Atlantikküste und im südlichen Karibischen Meer nahm diese Wahrscheinlichkeit hingegen zu.
«Tropische Wirbelstürme, die sich in der südwestlichen Karibik besonders schnell verstärken, können in vielen relativ ressourcenarmen Ländern Zentralamerikas verheerende Auswirkungen haben», hebt Garner hervor. Ihre Forschungsergebnisse unterstrichen die Notwendigkeit, die Erderwärmung einzudämmen, um ein noch schnelleres Anwachsen der Stärke von Hurrikanen zu begrenzen, schreibt die Studienautorin. Sie fordert Küstenplanungs- und Kommunikationsmassnahmen, die es gefährdeten Gemeinden ermöglichen, sich auf die veränderten Gefahren durch tropische Wirbelstürme einzustellen. (rbu/sda/dpa)