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1,5 Grad vs. 2 Grad Klimaerwärmung: Der riesige Unterschied

6 Beispiele, warum 2 Grad Klimaerwärmung im Vergleich zu 1,5 katastrophal sind

28.09.2023, 18:0329.09.2023, 13:59
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Wir werden das Pariser Klimaziel verpassen. Die Erde wird sich mehr als nur 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmen: «Das bedeutet, dass es nur noch mit enormen Anstrengungen möglich sein wird, die Erwärmung unter der 2-Grad-Grenze zu halten», erklärt Jochem Marotzke. Wenn es jemand beurteilen kann, dann Marotzke. Er ist Direktor für Meteorologie am renommierten Max-Planck-Institut. Aktuell sei man eher auf dem Weg in eine 3-Grad-Welt bis Ende des Jahrhunderts.

Mit diesem ernüchterndem Statement wurde gestern der 13. Extremwetterkongress in Hamburg eingeläutet. Doch was bedeutet der Unterschied einer Erwärmung von 1,5 Grad auf 2 Grad? Mehr, als es die 0,5 Grad Celsius erahnen liessen. Es folgen sechs ausgewählte Beispiele.

Mehr und längere Dürren

Boats travel through a section of the Amazon River affected by a severe drought in the state of Amazonas, near Manacapuru, Brazil, Wednesday, Sept. 27, 2023. (AP Photo/Edmar Barros)
Folgen der 2023er-Dürre im Bundesstaat Amazonas, Brasilien.Bild: keystone

Laut einer chinesischen Studie nimmt bei steigender Erderwärmung nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Dauer von Dürren zu.

  • Bei 1,5 Grad steigt die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit einer lokalen Dürre um 36 Prozent.
  • Bei 2 Grad sind es 62 Prozent.

Der Unterschied beträgt 26 Prozentpunkte. Überdurchschnittlich betroffen sind nicht bereits existierende Trockengebiete, sondern Feuchtgebiete. Als potenzielle Gebiete für Dürreherde nennt die Studie Gebiete in Nordamerika, Südamerika, dem südlichen Afrika, Australien und Europa. Eine weitere chinesische Studie aus demselben Jahr präzisiert diese Hotspot-Regionen (Amazonasgebiet, Nordostbrasilien, südliches Afrika und Mitteleuropa). Dort soll es zu durchschnittlichen Dürre-perioden kommen, die statt 2,9 Monate (bei 1,5 Grad Erwärmung) auf 3,2 Monate (bei 2 Grad) ausgedehnt werden.

Weniger Ernte

Corn crops damaged by severe flooding two weeks ago are shown on July, 24, 2023, at Paul Mazda's fruit and vegetable farm in Essex Junction, Vt. (AP Photo/Lisa Rathke)
Zerstörtes Maisfeld nach einer Überschwemmung in Vermont, USA.Bild: keystone

Laut dem IPCC (IPCC = Intergovernmental Panel on Climate Change / Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) vergrössert sich das Risiko für Hungersnöte signifikant. Dies lässt sich am Beispiel der Maisernte quantifizieren.

  • Bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad geht die durchschnittliche Maisernte in den Tropen um 3 Prozent zurück.
  • Bei 2 Grad wären dies bereits 7 Prozent.

Das komplette Aussterben von Korallenriffs

This combination of images provided by NOAA and University of Miami shows experimentally outplanted corals on January 2023, left, and the same coral on July 2023, after suffering from bleaching near M ...
Eine Koralle im Januar 2023 (l.) und ausgebleicht im Juli 2023 (r.) vor Miami. Bild: keystone
  • Laut einem grossen IPCC-Bericht sterben bei 1,5 Grad Erwärmung 70 Prozent aller Korallenriffs ab.
  • Bei 2 Grad sind es «mehr als 99 Prozent».

Konkret: Korallenriffs würden weltweit ausgerottet. Gleichzeitig steigt der Meeresspiegel bei 2 Grad um mehr als 10 Meter an – über welchen Zeitraum, ist allerdings unklar. Die Rede ist von Hunderten von Jahren.

Die Zunahme von extremen Hitzewellen

A young person enjoys the hot weather on Deal beach in Kent, Sunday, Sept. 10, 2023, as thunderstorms are set to hit parts of the UK amid a record-breaking September heatwave. (Victoria Jones/PA via A ...
Ein Junge vergnügt sich während einer Hitzewelle im September am Strand, in Kent, England.Bild: keystone
  • Bei einer Erwärmung um 1,5 Grad Celsius sind etwa 14 Prozent der Weltbevölkerung mindestens einmal alle fünf Jahre schweren Hitzewellen ausgesetzt.
  • Diese Zahl steigt bei 2 Grad auf 37 Prozent.

Eisfreies Polarmeer alle 10 Jahre

MANDATORY CREDIT: Paul Goldstein/Exodus/Rex Features
Mandatory Credit: Photo by Paul Goldstein/Exodus/REX (4438904ai)
A polar bear leaps between ice
Polar bears for International Polar Bear Day, Sp ...
Ein Eisbär springt von einer Scholle zur nächsten, Spitzbergen, Norwegen.Bild: REX DUKAS
  • Bei 1,5 Grad wird das Polarmeer alle 100 Jahre eisfrei sein.
  • Bei 2 Grad alle 10 Jahre.

Damit nimmt der Albedo-Effekt der Erdkugel ab. Albedo ist ein Mass für die Rückstrahlfähigkeit eines Körpers. Je heller ein Körper ist, desto grösser seine Albedo. Der Verlust von weissem Eis macht die Welt weniger hell, weniger Sonnenlicht wird rückgestrahlt.

Auftauender Permafrost

Auftauender Permafrost-Boden auf Barter-Island, Alaska
https://www.usgs.gov
Auftauender Permafrostboden auf Barter-Island, Alaska.Bild: USGS
  • Bei 1,5 Grad Erderwärmung taut eine Fläche von 4,8 Millionen Quadratkilometern mit Permafrost auf.
  • Bei 2 Grad sind es 6,6 Millionen.

Dies – kombiniert mit der Verringerung des Albedo-Effekts, könnte dazu führen, dass ein Kipppunkt erreicht wird und aus zwei Grad automatisch drei Grad werden. Selbstredend würde dies zu noch verheerenderen Folgen führen.

Schwarzbär crasht Geburtstagsessen in Mexiko

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Faszinierende Meerestiere
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«Die Menschheit stirbt aus, weil wir zu dumm zum Daten sind»
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188 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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flottebiene
28.09.2023 18:16registriert September 2014
Wie kann die weltweite Politik und Gesellschaft so sehr die Augen verschliessen? Es geht um unsere Existenz, verdammt!
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jyperion
28.09.2023 18:32registriert März 2015
Warum machen wir uns überhaupt gedanken über 1.5 oder 2 Grad, so wie es aktuell läuft, läuft es eher auf 4 Grad hinaus.
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Smoke
28.09.2023 18:14registriert Juli 2017
Und wir werden auch die 2 Grad nicht schaffen. Im Moment sind wir laut Projektion auf dem besten Weg zu 3,5 Grad. Gibt es wirklich gewisse Kipppunkte, die wissenschaftlich noch nicht belegt wurden, haben wir dann noch ganz andere Probleme. Aber womöglich hilft uns ja auch der Golfstrom zumindest in Europa für eine neue Eiszeit.
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«Wenn das ein Experiment wäre, hätte ich zuerst an einen Messfehler geglaubt»
2023 war ein Rekordjahr fürs Klima – bei den Temperaturen an Land, vor allem aber bei den Weltmeeren, die sich auch in diesem Jahr nicht abkühlen. Die Rekorde sind so hoch, dass es die Wissenschaft noch immer vor ein Rätsel stellt. Wir fragen den Klimaforscher Reto Knutti, inwieweit dieses schon gelöst ist.

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