Hinter dem altrosafarbenen Sofa schlängeln sich gemalte Kirschblütenzweige der Wand entlang. Sie spiegeln sich im bronzenen Tisch, der gegenüber einem Regal steht, das mit Tassen und Blumenvasen geschmückt ist. Das Wartezimmer in Hilda Shamons Praxis für Frauengesundheit im LimmatTower in Dietikon macht deutlich: Hier soll sich die Patientin wohlfühlen. «Ich nenne meine Praxis bewusst so, weil die Prävention, das Wohlbefinden und die Gesundheit der Frau im Vordergrund stehen», sagt Shamon. Eingerichtet hat die 49-Jährige die Räume selbst. «Ich habe eine Leidenschaft für Ästhetik», sagt die Gynäkologin und lacht.
Im Sommer 2018 eröffnete sie deshalb zusätzlich eine Praxis für medizinische Ästhetik und Laser gleich neben der bestehenden. «Viele meiner gynäkologischen Patientinnen beschäftigen ästhetische Themen wie etwa Kaiserschnittnarben nach der Geburt. Deshalb kam ich auf die Idee, eine zweite Praxis für solche Behandlungen ins Leben zu rufen», sagt Shamon. Simone Längle führt dort unter anderem Laser-Haarentfernungen aber auch Vaginalstraffungen durch.
Laserbehandlungen sind heutzutage in diversen medizinischen Disziplinen populär. Dass damit aber auch im Bereich der Gynäkologie gearbeitet werden kann, wissen wenige. Liegt das daran, dass die weibliche Sexualität nach wie vor ein Tabuthema ist?
Hilda Shamon: Das ist genau das Problem. Wir leben zwar in einer Welt, in der alles sexualisiert wird. Aktiv darüber diskutiert und hinterfragt wird aber nicht. Viele Frauen sprechen aus Scham nicht darüber. Selbst viele Gynäkologen kennen sich zu wenig aus. Es ist ein Thema, das nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Medizin viel zu kurz kommt.
Simone Längle: Es gibt nach wie vor kein wirkliches Bild der weiblichen Sexualität. Pornos bilden nicht die Realität ab. Das natürliche Körpergefühl geht in unserer Gesellschaft, die stark auf Intellektuelles fokussiert, verloren. Die Neugierde und das Entdecken der eigenen Sexualität fehlt. Sex muss heute schnell und effizient sein. Das Zelebrieren des Zusammenseins hat keine Priorität. Und obwohl das Thema tabuisiert wird, ist die Sehnsucht nach einer erfüllenden Sexualität gross. Man sucht sie mit verschiedenen Partnern und findet sie nicht, weil man sich nicht auf die Tiefe einlässt.
Shamon: Sexualität ist ein Entwicklungsprozess und benötigt Vertrauen, Zeit, Selbstbewusstsein und Reife. Viele Frauen haben erst ab 40 eine erfüllende Sexualität, erleben dann ihren ersten Orgasmus überhaupt, weil sie geniessen können und sich keine Sorgen mehr um Fettpölsterchen machen. Gleichzeitig wird Sex überbewertet. Man erwartet und erhofft sich zu viel davon und kann dem Thema nicht neutral begegnen, weil man bereits Vorstellungen und Fantasien hegt.
Erhoffen sich denn viele Ihrer Patientinnen durch die Behandlung mit dem Vaginallaser ein besseres Sexualleben?
Längle: Primär geht es um eine Verbesserung der vaginalen Gesundheit, die aber auch mit einem gesteigerten sexuellen Empfinden einhergeht. Viele unserer älteren Patientinnen leiden unter einer zu trockenen Scheide, Jucken und Brennen im Intimbereich. Gerade wenn Sexualität nach Kind und Karriere wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt, treten häufig diese körperlichen Faktoren auf, die die aufsteigende Lust trüben. Die vaginale Schleimhaut ist wie der ganze Körper von der natürlichen Alterung betroffen. Die Scheidewände werden dünner, sind weniger elastisch und anfällig für Entzündungen. Der Vaginallaser schafft Abhilfe.
Shamon: Geeignet ist er auch bei Brustkrebspatientinnen, die bei vaginaler Trockenheit keine herkömmlichen Hormoncremes anwenden dürfen. Zudem kann er bei leichter Inkontinenz helfen, die sich zum Beispiel nach einer Schwangerschaft durch die Belastung des Beckenbodens zeigt. Frauen, deren Vagina sich nach der Geburt geweitet hat und die ein Missempfinden beim Geschlechtsverkehr haben, setzen neben Rückbildungsgymnastik auch auf diese Methode. Angewendet wird der Vaginallaser aber auch bei Patientinnen, die an Lichen sclerosus, einer chronischen vaginalen Hauterkrankung, leiden und dadurch gar keine Sexualität leben können. Heilen können wir die Krankheit nicht, wir können aber mit dem Laser die Symptome deutlich lindern.
Dieser Laser scheint ein wahres Wundermittel für die Frau zu sein. Wie funktioniert er?
Shamon: Er wird wie eine Vaginalsonde in die Scheide eingeführt. Die Lichtimpulse des Lasers verursachen Mikro-Verletzungen an der Scheidewand. Dadurch wird die Kollagen-Produktion in der Haut angeregt. Das macht die Scheidewand dicker und elastischer. Die Sensibilität der vaginalen Rezeptoren wird verstärkt und das bestehende Scheidengewebe wird kontrahiert. Die Festigkeit der Vagina und damit das sexuelle Empfinden werden gesteigert.
Sie sprechen von Verletzungen. Tut die Behandlung weh?
Längle: Je nach Stärke kann es vor allem beim Scheideneingang etwas piksen. Im Innern der Vagina spürt man ein Klopfen. Eine Sitzung dauert maximal 15 Minuten, nicht länger als eine gynäkologische Untersuchung. Der Eingriff benötigt keine Betäubung, hat keine Nebenwirkungen, ist ambulant und kann zum Beispiel in der Mittagspause erfolgen. Danach sollte man zwei bis drei Tage auf Sex verzichten und nicht baden gehen.
Shamon: Wir empfehlen drei bis fünf Behandlungen im Abstand von acht Wochen. Dann sollte die Wirkung von Dauer sein. Falls sie nachlassen sollte, kann man die Behandlung nach einem Jahr auffrischen. Bevor der Laser zum Einsatz kommt, müssen wir aber noch eine Krebserkrankung oder eine Infektion ausschliessen können.
Eine Sitzung ist nicht billig. Sie kostet 600 Franken.
Shamon: Ja, doch der Effekt hält an. Das Ergebnis sollte einem das Geld wert sein. Die Behandlung wird leider nicht von den Krankenkassen übernommen. Wir hoffen aber, dass das irgendwann der Fall sein wird. Ich glaube, dann würde wohl fast jede Frau zu uns kommen.
Längle: Frauen geben regelmässig Geld für Anti-Aging-Produkte und ästhetische Behandlungen im Gesicht aus. Eine erfüllte Sexualität stärkt das Immunsystem, baut Stress ab und verbessert die Durchblutung. Wieso sollte man also nicht auch in die Gesundheit der Vagina investieren?
Sie führen aber nicht nur Vaginalstraffungen durch, sondern unterspritzen auch den G-Punkt. Sie sind sozusagen Orgasmus-Garanten.
Längle: Der weibliche Orgasmus ist ein Geschenk. Es ist schön, wenn wir mit unserer Arbeit etwas nachhelfen können. Eine hundertprozentige Garantie hat man jedoch nie, da verschiedene Faktoren den Höhepunkt beeinflussen. Bei der G-Punkt-Unterspritzung handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode, die bei Frauen sehr gut ankommt. Dabei wird mit körpereigenem Plasma, das aus einer kleinen Menge Blut der Patientin gewonnnen wird, das Volumen der erogenen Zone im Innern der Scheide vergrössert. Dadurch wird die Region deutlich empfindsamer.
Den G-Punkt gibt es tatsächlich?
Shamon: Laut seinem Erfinder, dem deutschen Arzt Ernst Gräfenberg, existiert er. Es handelt sich dabei um ein Nervengeflecht an der vorderen Scheidewand fünf Zentimeter unter der Harnröhre. Es gibt aber verschiedene Stimulationsorte, der G-Punkt ist nur einer davon. Im Gespräch mit Patientinnen erfahre ich immer wieder, dass viele falsche Informationen bezüglich erogener Zonen kursieren. Viele glauben, dass Erregung nur über die Klitoris stattfindet. Nicht nur sie sorgt für einen Orgasmus. Die Stimulation der gesamten Vulva ist wichtig. Zudem ist ein grosser Teil des weiblichen Geschlechtsorgans äusserlich gar nicht sichtbar. Wir sehen zum Beispiel nur einen Bruchteil der ganzen Klitoris.
Was raten Sie Frauen, die keinen Orgasmus erleben?
Shamon: Wichtig ist, sich selber gut zu kennen und sich zu hinterfragen. In Gesprächen mit Patientinnen schneiden wir Themen wie die Sexualerziehung, das eigene Körpergefühl oder Übergriffe und Missbräuche in der Vergangenheit an. Im Zentrum steht zudem die Frage, ob die Partnerschaft erfüllend ist. Denn wenn die Kommunikation in der Beziehung nicht stimmt, kann sie im Bett ebenso nicht funktionieren. Wenn keine körperlichen oder medizinischen Probleme vorliegen, die ich beheben kann, schicke ich die Frauen zu einem Sexualtherapeuten. Erschreckend finde ich, wenn junge Frauen zu mir kommen, deren Partner sie als frigide bezeichnen, wenn sie keine Lust auf Sex verspüren. Ich muss diesen Patientinnen dann klar machen, dass sie völlig normal sind.
Die Labioplastik, also chirurgische Eingriffe im Intimbereich, meistens zur Verkleinerung der Schamlippen, ist sehr gefragt. Führen Sie denn solche Operationen auch durch?
Shamon: Nein, wir machen keine invasiven Eingriffe. Ich habe aber einige Patientinnen, die sich nach Schamlippenverkleinerungen oder Analbleichung erkundigen. Beeinflusst wird der Trend wohl aufgrund der vorherrschenden Intimrasur. Vor 20 Jahren rasierten sich Frauen nicht, dementsprechend waren die Schamlippen auch nicht so exponiert und im Fokus für Vergleiche. Heutzutage entschuldigen sich sogar viele Patientinnen, wenn sie unrasiert zum Arzttermin erscheinen. Falls ich einen Eingriff als sinnvoll erachte, also wenn die Schamlippen sehr stören beispielsweise beim Fahrradfahren, schicke ich die Patientin zu einem Spezialisten.
In Ihrer Praxis für Frauengesundheit behandeln Sie auch Schwangere oder Frauen mit Kinderwunsch. Gibt es in dem Bereich einen Trend, der sich abzeichnet?
Shamon: Ja, wir beobachten, dass Frauen wieder vermehrt früher Kinder bekommen möchten. Das liegt wohl an den Vorbildern in den Medien. Viele Supermodels und Stars werden früh Mütter und haben viele Kinder. Trotz Frauenstreik und Feminismus stellen wir einen Trend hin zur traditionellen Rollenverteilung fest. (bzbasel.ch)
Irgendwann ist auch mal gut mit Vaginas und Penissen.