Luise hat das Schloss Wartegg auf dem Rorschacherberg hinter sich gelassen und in Florenz eine neue Heimat gefunden. Nach anderen Liebhabern verliebt sie sich in einen jungen Musiker und Komponisten, in Enrico Toselli. Dieser ist gerade mal 23-jährig und demnach 12 Jahre jünger als Luise: Er stammt aus Florenz, trägt schwarze Locken, feine Stoffe und einen akkurat gezwirbelten Schnurrbart.
Dieser Toselli war ein Schnellstarter; in jungen Jahren galt er am Klavier als musikalisches Wunderkind, und schon im Alter von 17 Jahren komponierte er die Serenata op. 6.1, die als «Toselli-Serenade» in die Geschichte seichter Kaffeehausmusik eingeht. Luise schwärmt für ihn: «Meine Liebe ist tief und unwandelbar, mein Glaube an dich stark und unerschütterlich.» Der Hof ihres Ex-Mannes in Sachsen tobt, und auch ihr Bruder Leopold stellt sich gegen die Beziehung: Er sei «sprachlos über die unerhörte Affäre», zitiert ihn das Wiener Tagblatt.
Doch der Widerstand ist vergeblich, Luise und Enrico wollen heiraten. Deshalb reisen sie mit einer «Special Licence» nach London, wo die katholische Kirche keinen Einfluss hat. Sie heiraten auf dem Standesamt an der Henrietta Street im Londoner Stadtteil Covent Garden. Für traditionelle Italiener, die sonst die Hochzeiten mit grossen Feiern, lautem Orgelspiel, vielköpfiger Verwandtschaft, wertvollen Geschenken, üppigem Festmahl, Tanz und Musik inszenieren, ist diese Hochzeit ein einziges Trauerspiel.
Toselli selbst nennt es eine «Posse», weil er nicht Englisch spricht und kein Wort des Standesbeamten versteht: «Wie ein Papagei sprach ich die Sätze nach, und das mag wohl eine so komische Wirkung auf die Anwesenden ausgeübt haben, dass selbst der Standesbeamte sich des Lachens nicht erwehren konnte.» Aber die Hochzeit ist rechtens, Luise und Enrico verlassen das Standesamt als Ehefrau und Ehemann.
Gar nicht sprach- und schon gar nicht tatenlos ist Leopold in seinen eigenen «Beziehungsaktivitäten». Luises Bruder hat 1912 auch seine zweite Frau Maria Magdalena Ritter sitzengelassen. Bei einer Kur in Hessen findet sie im Hotelzimmer ein knappes Telegramm ihres Ehegatten, das kaltschnäuzig seine plötzliche Trennung ankündigt: «Ich kehre nicht mehr zurück, kein Grund zur Besorgnis, weiteres durch F …». Mit «F» ist Leopolds Vertrauensanwalt Dr. Emil Frischauer gemeint, der sich um die rechtlichen Aspekte der Trennung kümmern soll. Diese unschöne Abfuhr findet den Weg in die Zeitungen, welche die pikanten Details des abrupten Endes der Ehe noch so gerne ausbreiten.
Doch das ist nicht alles. Leopold spricht bei der Sittenpolizei in München vor. Er hat sich nämlich abermals in eine Frau aus dem Milieu verliebt; sie heisst Maria Schweikhardt, und Wölfling will sie «aus der sittenpolizeilichen Aufsicht» entlassen haben, weil er sich um sie kümmern will! Erneut glaubt Wölfling, eine Frau aus dem Milieu retten und befreien zu müssen.
Wiederholt weilt Leopold in der Schweiz, schliesslich ist er noch immer Bürger von Regensdorf. Doch hält er sich nicht mehr an die einstigen Abmachungen. Zur Erinnerung: Bei seiner Einbürgerung im Jahre 1908 hatte er versprochen, monatlich 600 Franken in Regensdorf abzuliefern. Davon will er seit 1913 nichts mehr wissen.
Die Gemeinde Regensdorf klagt deshalb gegen Wölfling, allerdings vor einem Münchner Gericht, was aufgrund des Kriegs die Angelegenheit verkompliziert und viel Geduld erfordert. Merkwürdig aber ist, dass Wölfling zu dieser Zeit – wir sprechen vom Jahr 1916 – nicht nur in Berlin, sondern gelegentlich auch in Zürich wohnt, nämlich in einer Villa mit Backsteinfassade an der Stapferstrasse 21 in der Nähe der Kirche Oberstrass.
Nun schalten die Rechtsanwälte der Gemeinde Regensdorf einen Gang höher: Sie beantragen die Pfändung aller Vermögenswerte Wölflings! Allerdings verfügt der ehemalige Erzherzog über wenig verfügbare Geldmittel: Gemäss Pfändungsprotokoll hat er nur noch Bargeld in der Höhe von 930 Reichsmark. Im Februar 1917 findet das Münchner Gericht nach zweijährigen Verhandlungen doch noch zu einem Urteil: Wölfling muss die aufgelaufenen Schulden bezahlen und die Gerichtskosten übernehmen. Wie diese Angelegenheit weitergeht, ist leider nicht überliefert. Aber Wölfling bleibt bis ans Ende seines wechselhaften Lebens im Jahre 1935 Bürger von Regensdorf.
Auch Luise stolpert von einem Unglück ins nächste. Als sie sich wieder einmal mit ihrem Ehemann Toselli streitet, flieht sie während 42 Stunden ohne Unterbruch: Sie eilt wie ein gehetztes Tier von Italien in die liberale Schweiz, nach Montreux ins Hotel Palace.
Dort versteckt sie sich mit dem kleinen Sohn Emanuele Filiberto und zwei Dienstboten, «um sich vor Toselli in Sicherheit zu bringen», wie sie sagt. Denn ihr Ehemann soll sich mit den Zofen von Luise vergnügt haben. Luise nimmt Kontakt mit einem alten Bekannten auf, nämlich mit dem Genfer Rechtsanwalt und Ex-Bundesrat Adrien Lachenal, der sie und ihr Bruder bereits nach ihrer Flucht 1902 aus dem Palast beraten hat. Mit ihm bespricht sie auch die Erlangung des Schweizer Bürgerrechts, das ihr Bruder Leopold bereits erworben hat. Doch Lachenal erklärt ihr, dass das nicht möglich sei, weil sie nicht in der Schweiz wohne. Die Scheidung hingegen könne er sofort einleiten.
Gleichzeitig bittet Luise per Brief eine Freundin in Rom, den schweizerischen Gesandten Giovanni Battista Pioda II. aufzusuchen. Denn sie befürchtet, dass ihr impulsiver Mann ihre Ausweisung aus der Schweiz fordern könnte. Der Schweizer Gesandte Pioda zeigt Verständnis und verspricht Schutz: Die offizielle Schweiz werde sich gegen eine allfällige Ausweisung stellen. Das Deutsche Volksblatt kommentiert daraufhin schweizkritisch: «Die Schweiz ist ein beliebter Aufenthaltsort für Durchgeher verschiedener Art, von der Schweiz aus wurde schon so manche Affäre eingeleitet.»
Ihr zurückgelassener Ehemann Enrico Toselli lässt sich nicht so einfach abschütteln. Er fragt da und dort nach – und er findet sie schliesslich in Montreux. Sofort eilt er in die entsprechende Vier-Zimmer-Wohnung in der fünften Etage im Palace. Dann geschieht einmal mehr das Unerwartete: Enrico Toselli spricht sich mit Luise aus, sodass sie sich wieder versöhnen. Tags darauf muss Rechtsanwalt Lachenal vor den Pressevertretern alle Scheidungsabsichten seiner Klientin dementieren.
Das soll jemand verstehen! Das «Neue Wiener Journal» nennt Luise ganz richtig eine «Nomadin des Gefühls», ihre «innere Unruhe ist stärker als sie selbst. Das Brausen in ihrem kranken Herzen hat die Stimme der Vernunft leider so oft übertönt.» So geht ihr Leben weiter, geprägt von ihrer höchst erstaunlichen «inneren Unruhe», bis sie dann 1947 in Belgien einsam und verarmt verstirbt.