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Ed Sheeran kritisiert Neuauflage von Do They Know It's Christmas?

Singer Ed Sheeran arrives at the Los Angeles Dodgers Foundation's 2024 Blue Diamond Gala, Thursday, May 2, 2024, at Dodger Stadium in Los Angeles. (AP Photo/Chris Pizzello)
Ed Sheeran
Ed Sheeran war vor zehn Jahren bei der Neuauflage von «Do They Know It's Christmas?» dabei. Jetzt hat er seine Meinung geändert. Bild: keystone

Neue Kritik an «Do They Know It's Christmas?» – diesmal auch von Ed Sheeran

19.11.2024, 20:4421.11.2024, 22:22
Daniel Huber
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Im November 1984 strahlte der britische Fernsehsender BBC eine Reportage über die Hungersnot aus, die damals in Äthiopien herrschte und der möglicherweise bis zu einer Million Menschen zum Opfer fielen. Die drastischen Bilder schockierten das Publikum – auch die Popstars Bob Geldof und Midge Ure, die beschlossen, ein Weihnachtslied zu schreiben und den Erlös an die Hilfe für die Hungernden zu spenden.

Dies war der Beginn des Projekts «Band Aid», an dem sich zahlreiche Musiklegenden wie Sting, Phil Collins oder David Bowie beteiligten. Das Lied «Do They Know It’s Christmas?» wurde Ende November veröffentlicht. Die Single kletterte in Grossbritannien und diversen weiteren Ländern an die Spitze der Charts, in denen sie danach jahrelang jeweils zur Weihnachtszeit zuverlässig wieder auftauchte. In späteren Jahren wurden Folgeversionen des Songs veröffentlicht – so etwa 2014 zum 30-jährigen Bestehen des Hilfsprojekts.

«Do They Know It's Christmas».Video: YouTube/Christmas Music Videos

Sheeran ist wieder dabei – gegen seinen Willen

Auch dieses Jahr, anlässlich des 40. Jahrestags, soll eine Neuauflage erscheinen. Der Produzent Trevor Horn hat darauf Stimmen aus den Aufnahmen von 1984, 2004 und 2014 zusammengeschnitten, auch von bereits Verstorbenen wie George Michael und Sinead O'Connor. Auf dem sogenannten Ultimate Mix ist auch die Stimme von Ed Sheeran zu hören, gemischt mit dem Gesang von Sting aus der Originalversion von 1984. Sheeran hatte bei Band Aid 30 im Jahr 2014 mitgewirkt, neben Coldplay, Sinead O'Connor, Sam Smith, One Direction und Rita Ora.

Wie es scheint, hat Horn jedoch zumindest Sheeran nicht zuvor um Erlaubnis gefragt. Der britische Sänger teilte in einer Story auf seinem Instagram-Account mit, niemand habe seine Zustimmung eingeholt:

Story von Ed Sheeran auf seinem Instagram-Account.
https://www.instagram.com/teddysphotos/
«Meine Zustimmung zu dieser neuen Band Aid 40-Veröffentlichung wurde nicht eingeholt und hätte ich die Wahl gehabt, hätte ich die Verwendung meiner Stimme respektvoll abgelehnt. Ein Jahrzehnt später hat sich mein Verständnis des damit verbundenen Narrativs geändert, wie @fuseodg wortgewandt erklärt. Dies ist nur mein persönlicher Standpunkt, ich hoffe, er ist zukunftsweisend. Liebe Grüsse an alle x.»Screenshot: Instagram

Rapper Fuse ODG sagt wieder Nein

In seiner Stellungnahme bezog sich Sheeran auf einen Instagram-Post des britischen Rappers Fuse ODG, der ghanaische Wurzeln hat. Fuse ODG hätte vor zehn Jahren zusammen mit Sheeran an Band Aid 30 teilnehmen sollen, hatte damals aber eine Beteiligung abgelehnt, weil das Lied nicht widerspiegele, was Afrika wirklich sei. Der Rapper hatte insbesondere auf die Zeile «In Westafrika gibt es dieses Weihnachten keinen Frieden und keine Freude» hingewiesen und betont, er sei jedes Jahr in Ghana zum Zweck des Friedens und der Freude. Der Text sei also eine eklatante Lüge.

«Heute vor 10 Jahren sagte ich NEIN zu Bob Geldofs Projekt ‹Band Aid - Do They Know It's Christmas›, weil es eine Kampagne ist, die Afrikaner entmenschlicht und unseren Stolz und unsere Identität im Namen der Wohltätigkeit zerstört. Er hat sich entschlossen, eine weitere Version zu veröffentlichen, was zeigt, wie sehr er immer noch nicht aus den Punkten gelernt hat, die ich ihm über die negativen Auswirkungen seines Projekts auf Afrika und seine Diaspora deutlich gemacht habe. Der White Saviour Complex (etwa: weisser Retterkomplex) ist eine unglaublich gefährliche Sache, die jetzt auf individueller und unternehmerischer Ebene zum Tragen kommt. Afrikanische Probleme sollten von Afrikanern gelöst werden. Wir begrüssen jeden, der wirklich versucht, den Kontinent zu unterstützen, aber es muss ein Geist der Zusammenarbeit und nicht der Bevormundung sein, Solidarität und nicht Wohltätigkeit. Im Jahr 2024 werden wir auf keinen Fall stillhalten und zulassen, dass andere unsere Geschichte weiter erzählen. Wir wissen, dass es Weihnachten ist.
.......
‹We Know It's Christmas› ist eine Single, mit der wir unsere Errungenschaften und unseren kollektiven Fortschritt in den letzten zehn Jahren feiern. Es ist an der Zeit, die Kontrolle über unsere Geschichte zurückzuerobern. Alle Einnahmen aus dieser Single gehen an innovative Basisprojekte, die darauf abzielen, Gemeinschaften in ganz Afrika zu verbessern.»

Fuse ODG räumte ein, Band Aid möge zwar Sympathie und Spenden generieren. Doch dabei würden «schädliche Stereotypen» aufrechterhalten, «die das Wirtschaftswachstum, den Tourismus und die Investitionen in Afrika bremsen und den Kontinent letztlich Billionen kosten und seine Würde, seinen Stolz und seine Identität zerstören.» Zudem stamme der Löwenanteil der Gelder, die nach Afrika fliessen, von Afrikanern in der Diaspora und nicht aus Spenden und auch nicht aus der Entwicklungshilfe.

In einem Gespräch mit BBC Radio 1 sagte der Rapper, «Do They Know It's Christmas» zementiere die Vorstellung, dass Afrika von Hunger und Armut geplagt werde, was nicht der Wahrheit entspreche. Als er als Kind zum ersten Mal die Band-Aid-Videos gesehen habe, seien die Bilder so negativ gewesen, dass er sich davon distanzieren wollte, Afrikaner zu sein, «weil es darin keinen Sinn für Stolz gab». Nun hat Fuse ODG einen eigenen Song als Antwort auf «Do They Know It's Christmas» aufgenommen – «We Know It’s Christmas».

Die Kritik ist nicht neu – und sie kommt auch aus Afrika

Die Kritik an «Do They Know It's Christmas» – und dem Band-Aid-Projekt insgesamt – ist allerdings alles andere als neu. Schon früh wurden Stimmen laut, die dem Lied eine kolonialistische, westlich-zentrierte Sichtweise und herablassende stereotype Beschreibung Afrikas vorwarfen. In der Fassung von 2014 wurden darauf mehrere kritisierte Textpassagen geändert, etwa die von U2-Sänger Bono vorgetragene Zeile «Well tonight thank God it’s them instead of you» («Gott sei Dank sind sie es heute Abend und nicht du»). Zudem legte der Text nun den Schwerpunkt auf Ebola und nicht mehr den Hunger.

An dieser 2014er-Fassung kam auch aus Afrika vernichtende Kritik. So fragte «Al Jazeera» mehrere Personen aus verschiedenen afrikanischen Ländern, ob sie wüssten, dass Weihnachten sei, und was sie von solchen westlichen Wohltätigkeits-Liedern hielten. Selbstredend kannten alle Befragten Weihnachten, und alle kritisierten den Song in harschen Tönen. Einige Auszüge:

«Man höre sich nur den grotesken Tonfall des Textes an, der von der ‹Last des weissen Mannes› trieft. Es war vor 30 Jahren furchtbar, und es ist heute noch furchtbar.»
«Auch die Vorstellung, dass Afrika im Jahr 2014 von abgehalfterten C-Pop-Künstlern gerettet werden muss, ist ein perverses Beispiel für einen Messias-Komplex.»​
Abdullahi Halakhe, Politikanalyst, Kenia
«Ich denke, dass solche von Prominenten geleiteten Initiativen mehr Schaden anrichten als das ‹Gute›, für das sie gedacht sind. Und noch schlimmer ist, dass es schwer vorstellbar ist, dass die Menschen, die dahinter stehen, den Schaden, den sie anrichten, nicht sehen.»
«Afrikas einzige Hoffnung auf Erfolg im Kampf gegen die Armut ist ein nachhaltiges, strukturiertes und gerechtes Wirtschaftswachstum, das durch Investitionen und Tourismus erreicht wird. Es ist schwer vorstellbar, wie ein paar Dollar, die hin und wieder aufgetrieben werden, den Schaden aufwiegen können, der durch die Beschädigung des Images des Kontinents angerichtet wird.»
Dawit Gebreselassie, Finanzanalyst, Äthiopien
«Dies ist ein weiteres klassisches Zeichen für die weisse westliche Rettermentalität, in diesem Fall mit Prominenten, die die Menschen in Afrika ‹retten›. Damit wird nicht nur den Menschen in den afrikanischen Ländern, die eigentlich die Hauptakteure sind und den Wandel herbeiführen, die Handlungsfähigkeit genommen, sondern es werden auch Stereotypen von Konflikten, Armut und Krankheit als die einzige Geschichte des Kontinents aufrechterhalten.»
«Wenn es Bob Geldof und anderen wirklich darum ginge, die Ebola-Bekämpfung zu unterstützen, anstatt ihr eigenes Profil als moderne Heilige zu schärfen, würden sie hinter den Kulissen Geld spenden.»
Chitra Nagarajan, Menschenrechtsaktivist, Nigeria
«Es war damals eine Beleidigung und ist auch heute noch eine Beleidigung. Es wäre am besten, es dort zu belassen, wo es hingehört: auf dem Müllhaufen der Geschichte.»
«Westliche Wohltätigkeitslieder wie das von Geldof vorgeschlagene sind nicht nur herablassend, sondern auch überflüssig und unoriginell. Jetzt einen Ebola-Song zu produzieren, um Geld zu sammeln, fast ein Jahr nach dem ersten gemeldeten Fall in Guinea, ist bestenfalls verspätet. Es riecht nach dem ‹weissen Retterkomplex›, denn es negiert die Bemühungen vor Ort, die vor ihm unternommen wurden.»
Robtel Neajai Pailey, promovierter Forscher, Liberia

Pailey weist überdies auf afrikanische Musiker hin, die bereits Songs mit Ebola-Bezug veröffentlicht hätten. Und richtet den folgenden Aufruf an Geldof:

«Wir haben das im Griff, Geldof, also halt dich zurück. Wenn du wirklich helfen willst, kauf eine Unmenge von CDs mit den beiden Liedern und schick sie deinen Freunden als Weihnachtsgeschenke mit dem Hinweis: ‹Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme.› Anstatt zu versuchen, relevant zu bleiben, täten Geldof und Co. gut daran, den Einfallsreichtum der einheimischen Künstler anzuerkennen und aufzuhören, das Rampenlicht zu stehlen!»

Kritik kann auch humorvoll sein, wie dieses 2012 veröffentlichte Musikvideo zeigt – eine hübsche Parodie auf Band Aid:

«Africa For Norway - New charity single out now!»Video: YouTube/SAIH Norway

Geldof verteidigt seinen Song

Bob Geldof hat die Kritik an Band Aid verschiedentlich zurückgewiesen. Den Vorwurf, es handle sich um ein Beispiel des «White Saviour Complex», bezeichnete er im Februar dieses Jahres als «Blödsinn»:

Diesen Monat reagierte er mit einer Stellungnahme auf einen kritischen Artikel im Medien-Netzwerk «The Conversation», in dem es heisst, der Text des berühmten Charity-Songs habe «viele der alten kolonialen Klischees recycelt». Dabei sei die Hungersnot in diesem Fall in erster Linie das Ergebnis von Massenmigration und Not gewesen, die durch einen Krieg zwischen Äthiopien und Tigre verursacht worden seien. Nach Band Aid sei die Beschaffung von Spendengeldern immer mehr zu einem Spektakel geworden, Spender seien zu «Rettern» umgedeutet worden und Prominente hätten angefangen, die Unterstützung von Wohltätigkeitsorganisationen als einen wichtigen Teil ihres Starprofils zu betrachten. All dies sei problematisch, da es echte Lösungen für gesellschaftliche oder ökologische Probleme erschwere.

In seiner Replik argumentiert Geldof, endemischer Hunger sei eine Tatsache, Wasserknappheit sei eine Tatsache, und Regen sei zusehends unzuverlässig. Der Klimawandel treffe die Ärmsten zuerst und am schlimmsten. Kriege würden diese Bedingungen noch verschärfen. Im Hinblick auf Weihnachten und Äthiopien schreibt er:

«Weihnachten wird in ganz Äthiopien nach dem eigenen Kalender gefeiert, d. h. zwei Wochen nach unserem Fest. Religiöse und andere traditionelle Zeremonien wurden in den Jahren 1984–1986 und in jüngerer Zeit in denselben Gebieten aus mehr oder weniger denselben schrecklichen Gründen aufgegeben. Dies sind keine ‹kolonialen Klischees›, sondern empirische Tatsachen. Der Beitrag Ihres Korrespondenten ist in der Tat ein Klischee. Dasselbe Argument wurde im Laufe der Jahre viele Male vorgebracht und ruft die gleiche ermüdende Reaktion hervor.»

Den Song «Do They Know It’s Christmas?» verteidigt er dann leidenschaftlich:

«Dieser kleine Popsong hat Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Menschen am Leben erhalten. Tatsächlich hat Band Aid gerade heute Hunderttausende von Pfund gespendet, um denjenigen zu helfen, die vor dem Massengemetzel im Sudan fliehen, und genug Geld, um weitere 8000 Kinder in denselben betroffenen Gebieten Äthiopiens wie 1984 zu ernähren. Die erschöpften Frauen, die nicht vergewaltigt und getötet wurden, und ihre in Panik geratenen Kinder sowie alle männlichen Personen über 10 Jahren, die die Massaker überlebt haben, und diese 8000 Kinder aus Tigray werden heute Nacht dank dieser wunderbaren kleinen Aufnahme sicherer, wärmer und behütet schlafen. Wir wünschten, es wäre anders, aber es ist nicht so. Von wegen ‹koloniale Klischees›.»

Immerhin hat Geldof zugegeben, dass zumindest der musikalische Gehalt des Welthits «Do They Know It’s Christmas?» fragwürdig ist. 2010 sagte er dem «Daily Telegraph» in Australien, er sei «für zwei der schlimmsten Lieder der Geschichte verantwortlich. Das andere ist ‹We Are the World›.»

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80 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rikki-Tiki-Tavi
19.11.2024 20:55registriert April 2020
Ob nun die Neuauflage wirklich nötig ist, darüber lässt sich sicherlich streiten. Aber wer 1984 und 1985 dabei war, als das Original auf den Markt kam, als die US-Sänger mit "we are the world" antworteten, die Metaller mit "Hear'n'aid", und dann der grossartige Konzerttag am 13.7.1985 around the world stattfand, da war der Gedanke von Bob Geldof richtig und wurde unvergesslich umgesetzt.
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001243.3e08972a@apple
19.11.2024 21:54registriert Juli 2024
Der Song kommt aus einer anderen Zeit und sollte Original unverändert da belassen und genossen werden.
Kreiert was Neues 👍🏻
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Snowy
19.11.2024 21:17registriert April 2016
Korrekt.
Gut, dass wir dies endlich einsehen.

Entwicklungshilfe ist fast immer nicht nachhaltig - meistens sogar kontraproduktiv
Die Wissenschaft ist sich diesbezüglich mittlerweile einig. Jede/r der Afrika gut kennt, ahnte es ohnehin schon lange: Hilfsgelder aus dem Norden zementieren bestehende Ungerechtigkeiten und ersticken neue Innovation

Was Afrika braucht, wären gerechte Zölle und wirtschaftliche ZUSAMMENarbeit.
Dafür bräuchte es aber politische und wirtschaftliche Stabilität und weniger Korruption. Aber leider sind genau diese zwei Punkte in weiter Ferne in vielen Ländern Afrikas.
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