Wer kennt nicht den Wasserturm in Luzern, im Ensemble mit der Kapellbrücke das bekannteste Wahrzeichen der Stadt? Stellen wir uns einmal zu Vergleichszwecken vor, die höchste Welle des Tsunamis von 2004 träfe auf dieses 35 Meter hohe Bauwerk – es wäre komplett überflutet. Auch andere bekannte Gebäude in der Schweiz würden zum Teil tief im Wasser stehen:
35 Meter Höhe erreichten die höchsten Wellenspitzen an jenem fatalen 26. Dezember 2004. Doch bei weitem nicht überall war der verheerende Tsunami so hoch, und die schlimmsten Zerstörungen wurden auch nicht unbedingt von den höchsten Wellenbergen verursacht. Das Ausmass der Schäden hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Küstenform oder der Ebbe-Flut-Situation.
«Hafenwelle» bedeutet der japanische Begriff «Tsunami» wörtlich. Darin widerspiegelt sich die Erfahrung der japanischen Fischer, die auf dem offenen Meer keine Welle bemerkten, aber bei der Heimkehr eine zerstörte Küste antrafen. Diese Eigenart der Tsunamis hat mit ihrer Entstehung zu tun – sie haben nicht viel mit jenen Wellen gemein, die vom Wind aufgepeitscht werden.
Wie rund 90 Prozent aller Tsunamis wurde auch jener von 2004 durch ein Seebeben ausgelöst. Grund für das gewaltige Beben – es erreichte eine Stärke von 9,3 auf der Richterskala – war die plötzliche Entladung der Spannung zwischen zwei tektonischen Platten vor der Küste Sumatras. Dabei hob sich der Meeresboden auf mehreren hundert Kilometer Länge schlagartig um bis zu zehn Meter und versetzte die riesige Wassersäule darüber in Schwingung.
Vom Entstehungsort aus breiten sich die Wellen eines Tsunamis konzentrisch nach allen Seiten aus, wobei die Geschwindigkeit von der Wassertiefe abhängt: Im tiefen Ozean erreicht ein Tsunami die Geschwindigkeit eines Düsenverkehrsflugzeugs, im flachen Wasser vor der Küste aber nur noch etwa jene eines Radfahrers. Daher verändern sich auch die Wellenlänge und die Amplitude (Wellenhöhe) je nach Wassertiefe. Je flacher das Wasser ist, desto kürzer ist der Abstand zwischen den Wellenkämmen und desto grösser ihre Amplitude.
Dies ist auch der Grund dafür, dass auch starke Tsunamis auf hoher See kaum bemerkt werden: Der Abstand zwischen den Wellenbergen kann dort bis zu 700 Kilometern erreichen, während ihre Höhe nur wenige Zentimeter oder Dezimeter beträgt. Erst im Flachwasser des Küstenbereichs türmen sich die Wassermassen dann zu wahren Monsterwellen auf.
Wenn ein Wellental zuerst auf die Küste trifft, kommt es zu dem seltsamen Phänomen, dass sich das Meer zunächst zurückzieht. Zahlreiche Menschen kamen im Dezember 2004 um, weil sie dieses Schauspiel von Nahem beobachten wollten und dann von der Welle überrascht wurden.
Gefährlich ist im Übrigen auch nicht allein die Zerstörungsgewalt der Welle, die über die Küste hereinbricht, sondern auch der Sog, wenn das Wasser zurückströmt und dabei Trümmer, Autos und Menschen ins offene Meer hinausschwemmt. Diesem Sog fielen 2004 ebenfalls viele Menschen zum Opfer, die den Einbruch der Welle noch überlebt hatten.
Wie ein Tsunami durch ein Seebeben entsteht und wie die Welle auf die Küste trifft, zeigt dieses Video: