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Schweizer Söldner in Nordamerika

Zwei Söldner des Regiments Karrer, 1763. Handzeichnung nach 1850.
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Zwei Söldner des Regiments Karrer, 1763. Handzeichnung nach 1850.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Schweizer Söldner in Nordamerika

Obwohl offiziell nicht erlaubt, waren in der Zeit des Spätbarocks Schweizer Söldner auch in Nordamerika aktiv. Im Krieg zwischen Frankreich und amerikanischen Ureinwohnern fielen Schweizer Kämpfer des Infanterie-Regiments Karrer in Mississippi.
21.08.2022, 17:2721.08.2022, 17:56
Adrian Baschung / Schweizerisches Nationalmuseum
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Louisbourg, eine ehemalige Festungsstadt Frankreichs am äussersten Zipfel der kanadischen Provinz Nova Scotia: Archäologinnen und Archäologen graben im Jahr 2017 auf einem dazugehörigen Friedhof und finden unter den Gräbern ein Skelett eines 30- bis 34-jährigen Mannes. Eigentlich nichts Aussergewöhnliches auf einem Friedhof des 18. Jahrhunderts. Jedoch verweisen beim Skelett gefundene Zinnknöpfe auf die militärische Vergangenheit des Verstorbenen.

Mittels forensischer Methoden und Recherchen in der Geschichte des Forts vermuten die Forschenden, dass es sich bei diesem Individuum um einen Soldaten handelte, welcher aus dem heute schweizerischen bzw. süddeutschen Raum stammte. Der junge Mann war höchstwahrscheinlich ein Söldner in einem Regiment, welches in der Schweiz ausgehoben und im heutigen Kanada während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Einsatz war: das Marine-Infanterie-Regiment Karrer.

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Karte von Nova Scotia um 1749. Die Festung Louisbourg liegt am südlichen Ufer der Insel Cape Breton.
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Karte von Nova Scotia um 1749. Die Festung Louisbourg liegt am südlichen Ufer der Insel Cape Breton.Karte: Library of Congress

Der Söldnerhandel war spätestens seit dem 16. Jahrhundert ein lukratives Geschäft in der Eidgenossenschaft. Eidgenössische Kämpfer waren hoch begehrt unter den kriegführenden Mächten Europas. Entsprechend floss auch viel Geld in das Gebiet der heutigen Schweiz, vor allem in die Taschen der Oberschicht, welche den Handel mit Soldaten organisierte, Truppen aushob und auch als Offiziere in die jeweiligen Dienste der zahlenden Mächte trat.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts konnte auch ein einfacher Mann zu Geld kommen. Da die Kriegszüge zu dieser Zeit noch kurzfristige Unternehmen darstellten, welche nach dem erledigten Einsatz beendet wurden, konnte mit Sold und auch mit Plünderungen rasch mehr Vermögen angehäuft werden als mit der täglichen Arbeit. Das erklärt, weshalb der Solddienst auch für Männer aus dem Volk attraktiv sein konnte.

Allegorie auf das Söldnerwesen, um 1625. Der Söldner links in seiner typischen, schwarz-roten Kleidung hat zwar einen prall gefüllten Geldsack an seiner Seite, ist aber gleichzeitig in Ketten gebunden ...
Allegorie auf das Söldnerwesen, um 1625. Der Söldner links in seiner typischen, schwarz-roten Kleidung hat zwar einen prall gefüllten Geldsack an seiner Seite, ist aber gleichzeitig in Ketten gebunden. Verschiedene Könige und sogar der Papst umwerben seine Dienste.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Dies änderte sich jedoch mit dem Aufbau stehender Heere im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts. Der Solddienst wurde auf mehrere Jahre in einer Truppe festgelegt. Garnisonsdienste, lange und entbehrliche Feldzüge in europaweiten Konflikten wurden zum Normalfall in fremden Diensten. Damit stieg auch das Risiko, bei einem solchen Engagement körperlich, geistig und finanziell auf der Strecke zu bleiben. Die Begeisterung für fremde Dienste wurde so gedämpft.

Der wohl einflussreichste Partner der Eidgenossenschaft im Soldhandel war ohne Zweifel das französische Königreich. Seit dem 17. Jahrhundert wurden Schweizerregimenter für den französischen König und sein stehendes Heer im Gebiet der heutigen Schweiz rekrutiert. Mittels Soldverträgen, auch Kapitulationen genannt, wurden zwischen der französischen Krone und den eidgenössischen Ständen Grösse, Zusammensetzung, Führung und Einsatz dieser Regimenter festgelegt.

Dabei war den Eidgenossen besonders wichtig, dass diese offiziell ausgehobenen Schweizer Truppen nicht in Konflikten ausserhalb Europas eingesetzt wurden, dass möglichst keine Schweizer Regimenter gegeneinander antreten mussten und dass diese Regimenter rasch repatriiert werden konnten.

Hier fällt das oben erwähnte Regiment Karrer aber aus dem Rahmen. Der Gründer und erste Inhaber des Regiments war Franz Adam Karrer (1672-1741), in Röschenz BL gebürtig und ab 1711 im Kanton Solothurn ansässig. Mit 14 Jahren begann dieser seine militärische Laufbahn in französischen Diensten und rückte sukzessive in den Offiziersrang auf. 1719 gelang es ihm, mit einer Privatkapitulation mit dem französischen Marineminister Joseph Fleuriau d’Armenonville (1661-1728) ein eigenes Regiment aufzubauen.

Dieses war nicht mit den offiziellen Kapitulationen der eidgenössischen Stände vereinbart, wurde von diesen jedoch geduldet. Dieses Freiregiment konnte dementsprechend zur See und in den französischen Kolonien eingesetzt werden.

Ausschiffung des Regiments Karrer bei Louisbourg um 1730.
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Ausschiffung des Regiments Karrer bei Louisbourg um 1730.Bild: flintlockandtomahawk.blogspot.com

Und die französische Krone war auf Truppen in ihren Kolonien Nordamerikas angewiesen. Die zur Zeit des Spätbarocks von Frankreich beanspruchten Gebiete in Amerika erstreckten sich vom heutigen Kanada bis an das Mississippi-Delta nach New Orleans. Dieses riesige Gebiet musste nicht nur überwacht, sondern auch gegen indigene Stämme und die britischen Expansionen im Osten verteidigt werden.

Ab 1721 wurde das Regiment Karrer direkt dem französischen Marine-Ministerium unterstellt und zwei Kompanien nach «Neufrankreich» verschoben. Dort mussten die Schweizer Söldner an verschiedenen Stützpunkten der Franzosen entlang des Mississippi und des Sankt-Lorenz-Stroms, aber auch im heute kanadischen Louisbourg, Dienst verrichten.

Fahne des Schweizer Regiments Karrer.
Fahne des Schweizerregiments Karrer.Bild: Schweizerisches Nationalmuseum

Die Einsätze waren hart, was stark mit der schlechten Versorgungslage zusammenhing. Auch waren die Schweizer oftmals schwierig zu führen, da sie aufgrund vertraglicher Sonderbedingungen über Privilegien verfügten, die durch die Offiziere oft nicht garantiert wurden. So kam es 1744 in Louisbourg zu einer Meuterei der dort stationierten Karrer-Truppe.

Ansicht von Louisbourg um 1778.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Atlantic_Neptune,_published_for_the_use_of_the_Royal_Navy_of_Great_Britain,_LOC_75332517-9.tif
Ansicht von Louisbourg um 1778.Bild: Library of Congress

Im Zuge des ausgebrochenen Krieges zwischen Britannien und Frankreich wurde auch in den Kolonien Nordamerikas gekämpft. Da die britische Marine die Seewege kontrollierte, wurde die Versorgungslage in Louisbourg prekär. Auch persönliche Streitigkeiten führender Offiziere innerhalb der Festungsstadt führten zu Unmut und Misstrauen unter den Soldaten. Die Missstände führten kurz nach Weihnachten 1744 dazu, dass die Schweizer meuterten.

Die Soldaten traten ohne ihre Offiziere zusammen und marschierten unter dem Schmettern der Trommeln aus ihren Quartieren, Bajonette auf das Gewehr gepflanzt und Säbel in der Hand. Offiziere, welche die Meuternden zur Raison bringen wollten, wurden zusammengeschlagen. Auch reguläre französische Soldaten schlossen sich dem unzufriedenen Haufen an. Die Stadt stand kurz vor der Revolte. Erst die Zusage der Garnisonsführung, die Mängel öffentlich auszusprechen und anzuhören, konnte die Meuterer etwas beruhigen.

Unter den Klagen wurde auch die schlechte Versorgungslage mit Nahrung beim Namen genannt. Dabei spielte Fisch eine wichtige Rolle. Bei einer erfolgreichen Aktion im Frühling desselben Jahres gegen eine britische Festungsstadt wurde eine grosse Menge an Kabeljau erbeutet, welche den Soldaten zur Verteilung versprochen wurde. Die Aufständischen verwiesen jedoch darauf, dass die Offiziere den grössten Teil dieser Beute für sich beansprucht hätten.

Der Aufstand wurde schliesslich ohne Blutvergiessen gelöst, indem den Meuterern eine Summe von sieben- bis achttausend Livres aus der königlichen Kasse ausbezahlt wurden, eine Summe, die heute ungefähr 35'000 bis 40'000 Schweizer Franken entspräche. Die Aufständischen legten in der Folge die Waffen nieder und kehrten wieder in ihre Winterquartiere zurück. Von einer Bestrafung sah die Führung ab, um den Unmut nicht wieder anzuheizen.

In den 1960er-Jahren begann die Kanadische Regierung, Teile des historischen Forts Louisbourg wiederaufzubauen. Die Barracken, in denen das Schweizer Regiment Karrer 1744 stationiert war, sind heute T ...
In den 1960er-Jahren begann die kanadische Regierung, Teile des historischen Forts Louisbourg wiederaufzubauen. Die Barracken, in denen das Schweizer Regiment Karrer 1744 stationiert war, sind heute Teil eines Museums.Bild: Dennis Jarvis

Das Regiment Karrer wurde auch in militärischen Konflikten mit indigenen Ureinwohnern von Neufrankreich eingesetzt. So traten Schweizer Söldner, zusammen mit regulären französischen Truppen, Freiwilligen und Verbündeten des Stammes der Chahta am 26. Mai 1736 zum Sturm auf ein Dorf der Chickasaw an, welches sich nahe dem heutigen Tupelo, Mississippi, befand, dem späteren Geburtsort von Elvis Presley.

Unter der Führung des Gouverneurs Jean-Baptiste Le Moyne de Bienville (1680-1767), eines Mitbegründers der Stadt New Orleans, wurde ein unkoordinierter Angriff auf das Dorf gestartet, welcher als Schlacht von Ackia in die Geschichte der USA eingehen sollte. Der Angriff wurde durch die Chickasaw gekonnt abgeschlagen, sodass sich die Franzosen unter Verlusten zurückziehen mussten. Unter den Verwundeten und Gefallenen befanden sich auch Söldner der Regiments Karrer.

Karte des Angriffs der Schweizer Söldner und der französischen Truppen auf das Dorf der Chickasaw. Die Kampagne scheiterte aus Sicht der Angreifer, auch Söldner des Schweizer Regiments kamen ums Leben ...
Karte des Angriffs der Schweizer Söldner und der französischen Truppen auf das Dorf der Chickasaw. Die Kampagne scheiterte aus Sicht der Angreifer, auch Söldner des Schweizer Regiments kamen ums Leben.Karte: Wikimedia
Barock. Zeitalter der Kontraste
16.09.2022 – 15.01.2023
Landesmuseum Zürich
Barock ist mehr als eine Frage des Stils. Diese Kulturepoche zwischen 1580 und 1780 ist von grossen Kontrasten geprägt: Opulenz und Innovation auf der einen, Tod und Krisen auf der anderen Seite. Andauernde Religionskriege und globaler Handel führen zu Machtgewinn und zu kulturellem Austausch, aber auch zu Hungersnöten und Ausbeutung. Die Schweiz ist dabei mittendrin: Ihre Architekten realisieren bedeutende Werke in ganz Europa, Künstlerinnen und Wissenschaftler sind international vernetzt, in Kleidung und Interieur spiegelt sich die französische Hofkultur wider und die weltweite Zirkulation von Waren und Wissen verändert das Leben nachhaltig. Die Ausstellung im Landesmuseum präsentiert kostbare Objekte aus der barocken Architektur, Gartenkultur, Mode und Kunst und fokussiert dabei auf deren historischen Kontext, um diese schöpferische Epoche in ihrer ganzen Ambivalenz zu beleuchten.
>>> Weitere historische Artikel auf: blog.nationalmuseum.ch
watson übernimmt in loser Folge ausgesuchte Perlen aus dem Blog des Nationalmuseums. Der Beitrag «Schweizer Söldner in Nordamerika» erschien am 12. August.
blog.nationalmuseum.ch/2022/08/schweizer-soeldner-in-nordamerika
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Olympiade der indigenen Völker
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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Biindli
21.08.2022 18:52registriert Oktober 2015
Jeden Sonntag meine Lieblingsartikel. Vielen Dank für die spannenden Geschichts-Beiträge.
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Fisherman
21.08.2022 19:49registriert Januar 2019
Wie immer sind die Artikel des Nationalmuseums sehr interessant.
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