Welcher Antrieb sich bei Fahrzeugen im Strassenverkehr durchsetzen würde, war um 1900 noch völlig offen. In den USA fuhren ungefähr je ein Drittel mit Dampf-, Benzin- und Elektroantrieb. Die ersten Benzinautos waren alles andere als zuverlässig, aufwändig im Betrieb und mussten mühsam angekurbelt werden.
Das Elektroauto war dagegen bei voller Batterie nach dem Umlegen des Hauptschalters sofort fahrbereit. 1899 war es das vom belgischen Ingenieur und Rennfahrer Camille Jenatzy (1868-1913) konstruierte Elektroauto «La Jamais Contente», welches als erstes Strassenfahrzeug schneller als 100 km/h fuhr.
Zu den früh elektrifizierten Verkehrsträgern gehörte insbesondere die Eisenbahn. Die Schweiz besitzt keine Kohlevorkommen und musste deshalb den damals mit Abstand wichtigsten Energieträger importieren. Um die Auslandsunabhängigkeit zu stärken und der Stromindustrie ein neues Betätigungsfeld zu eröffnen, wurde die Elektrifizierung der Bahnen bereits früh massiv vorangetrieben. Trams und kleinere Bahnen machten den Anfang. Die erste elektrifizierte Strecke in der Schweiz war die «Tramway Vevey-Montreux-Chillon» im Jahr 1888.
Bereits 1906 und 1913 gingen die verschiedenen Streckenabschnitte der Simplon-Lötschberg-Achse mit der «weissen Kohle» in Betrieb. Die SBB bauten für die Elektrifizierung ihrer Linien sogar eigene Kraftwerke, wie etwa das 1920 fertiggestellte Ritom-Wasserkraftwerk im Kanton Tessin. Die Schweiz nahm bereits in der Zwischenkriegszeit im internationalen Vergleich eine führende Rolle ein.
In der Schweiz waren die Anfänge der Herstellung von Elektrofahrzeugen stark mit dem Namen Johann Albert Tribelhorn (1868-1925) verbunden. Der in einem Waisenhaus in St.Gallen aufgewachsene Tribelhorn wanderte 1889 nach Buenos Aires aus, wo er Chef der mechanischen Werkstätte der argentinischen Telegrafengesellschaft wurde. 1899 kehrte er nach Olten zurück und gründete ein Jahr später die «Schweizerische Accumulatorenwerkstatt Tribelhorn AG». 1906 verlegte er die Produktion an die Ufer des Zürichsees nach Feldbach, Gemeinde Hombrechtikon.
Neben Strassenfahrzeugen konstruierte er rund 26 elektrische Boote. Die Kundenzeitschrift, für welche Tribelhorn die meisten Artikel gleich selbst verfasste, hiess «Das Elektromobil». Es wurden Standard-Fahrzeugtypen angeboten, letzten Endes war jedoch fast jeder Wagen individuell auf die Bedürfnisse der Kundschaft zugeschnitten. Besonders beliebt waren Omnibusse für Hotels, Krankenwagen, diverse Nutzfahrzeuge, Feuerwehrautos und Lieferwagen. Ärzte bildeten die Spitze der Kundenstruktur bei den Personenwagen. Die Vorteile liegen auf der Hand: die Hände bleiben beim Startvorgang unverletzt und sauber, die Fahrzeuge bewegen sich ruhig fort und produzieren keine Abgase.
Über die höchste Dichte an Tribelhorn-Fahrzeugen verfügte wohl die Tourismusstadt Luzern, wo sämtliche Erstklasshotels mindestens einen Elektrowagen besassen. 1912 standen für die Elektrofahrzeuge 24 Ladestationen, mehrheitlich in der Deutschschweiz, zur Verfügung. Während des Ersten Weltkrieges, als die Zugpferde für die Armee gebraucht wurden, nahm die Anzahl bestellter Tribelhorn-Lastwagen sprunghaft zu. Einem für die Veteranenheime konzipierten elektrischen Rollstuhl gelang der Durchbruch jedoch nicht.
Das glänzende Geschäftsjahr nach Kriegsende bewog Tribelhorn dazu, in Altstetten eine neue Fabrik zu bauen. Der Erfolg blieb jedoch aus. 1921 musste die Firma Tribelhorn Konkurs anmelden. Die Nachfolgerin «Elektrofahrzeuge AG EFAG» hatte nur noch fünf Festangestellte, 1926 übernimmt Tribelhorns Sohn Leon Ricardo die Direktion.
In der Zwischenkriegszeit verkörperte das Elektroauto die Antithese dessen, was als fortschrittlich galt. Automobilclubs waren beliebt, Elektroautos verkörperten dagegen wenig Heroisches. Der Verbrennungsmotor von Benzin und Diesel hatte sich klar durchgesetzt; Kostenwahrheit war kaum ein Thema. Die Elektrifizierung wurde vor allem im Haushaltsbereich vorangetrieben. Elektrowagen galten dagegen als altmodisch, langsam und teuer. Trotzdem blieben sie in verschiedenen Nischen beliebte Arbeitstiere. Elektrische Hubwagen, Plattformwagen, Schlepper, gewerbliche Kleintransporter und Lieferwagen leisteten wertvolle Dienste.
Weitere Unternehmen wie die Schweizerische Industriegesellschaft Neuhausen (SIG) und die Firma Oehler in Aarau stiegen ins Geschäft mit Elektrofahrzeugen ein. Die EFAG wurde 1937 in Neue Elektrische Fahrzeuge AG NEFAG umbenannt. Inhaberin und Direktorin war ab 1972 Margrit Weiss-Schaad, eine promovierte Mathematikerin. Obwohl sie gegen Widerstände in der männerdominierten Branche ankämpfen musste, wusste sie sich durchzusetzen und führte das Unternehmen erfolgreich weiter. 1980 wurde die Firma an die Mowag in Kreuzlingen verkauft, welche den Bau von Elektrofahrzeugen fortführte.
Nicht zuletzt infolge der Ölpreiskrisen und der Veröffentlichung des Berichts «Die Grenzen des Wachstums» des Club of Rome erlebte die Elektromobilität in den 1970er-Jahren eine neue Blüte. Das Potential der Elektrofahrzeuge wurde während der Tour de Sol ab 1985 der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt. Das Rennen mit den von Tüftlern gebauten und mit Solarantrieben ausgestatteten Prototypen war ein viel beachtetes Medienereignis. Die erste Tour de Sol führte von Romanshorn über Winterthur nach Genf; die letzte Tour führte 1993 von Luzern nach Adelboden. Regelmässiger Teilnehmer war auch die Ingenieurschule Biel, welche 1996 an der World Solar Challenge in Australien mit dem «Spirit of Biel/Bienne III» den Solar-Geschwindigkeitsweltrekord von 161 km/h aufstellte.
Die Tour de Sol liess die Schweiz ins Zentrum des Fachinteresses rücken und beflügelte den Bau von Elektrofahrzeugen. Kreative Formen wie der GL-88, das «Ei» der Horlacher AG, das dreirädrige «Twike» der Twike AG sowie das mit Muskelkraft und einem Elektromotor betriebene Hybrid-Fahrrad für vier Personen «ZEM 4cycle» entstanden. 2009 wurde in Huttwil das erste ausschliesslich für E-Bikes konzipierte Werk Europas errichtet. «Flyer» ist geradezu der Inbegriff des Schweizer Elektrovelos.
Im Jahr 2010 fand im Verkehrshaus der Schweiz im Beisein von Bundesrat Moritz Leuenberger erstmals das nationale Forum der Elektromobilität statt. Mit der «Charta von Luzern» unterzeichneten rund 300 Teilnehmende aus Forschung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine Absichtserklärung, um in der Schweiz den Weg für die Elektromobilität zu ebnen. Seither ist viel passiert: Elektroautos sind längst keine Exoten mehr, sondern stehen mittlerweile wie einst der Benziner für Fortschritt und Modernität.
Doch auch Elektroautos sind nicht nur das Gelbe vom Ei: Ihre Zunahme wird viel – idealerweise aus erneuerbaren Energien erzeugten – Strom fressen. Die Herstellung der Batterien ist nicht unproblematisch; das Aufladen sowie der flächendeckende Aufbau der Infrastruktur brauchen ihre Zeit. Nichtsdestotrotz wird die Elektromobilität einen wichtigen Anteil zum Erreichen der Energiewende leisten. Das Potential scheint nahezu unbegrenzt zu sein: 2015/16 gelang Bertrand Piccard und André Borschberg im Solarflugzeug «Solar Impulse» die Weltumrundung. Auch die Robotermissionen auf dem Mars fuhren fast allesamt mit maxon-Elektroantrieben aus Sachseln/Obwalden über den roten Planeten.
Danke.