Der damals 25-jährige Pilot Ralph Tate Jr. erinnert sich: «Ich sehe dunkle Linien unter uns, sehr schnell, und dann – ich verstehe es erst später, es waren Gletscherspalten und sie wurden automatisch zu einem Gletscher...». Er sollte acht Passagiere und vier Mannschaftsmitglieder von Wien über Marseille nach Pisa fliegen. Nach dem Start machte der schnell vereisende rechte Motor aber massive Probleme, sodass die Maschine in München zwischenlanden musste.
Die Fluggäste trugen die Verzögerung mit Fassung. Es waren dies amerikanische Armeeangehörige mit Familienmitgliedern und einige Zivilisten. Unter anderem flogen die elfjährige Alice-Mary McMahon mit ihren Eltern und Ralph Tates Mutter Marguerite Gaylord Tate mit. Letztere wollte mit ihrer Freundin Alberta Snavely, der Frau des leitenden Generals der amerikanischen Luftstreitkräfte in Wien, ein paar erholsame Tage in Rom verbringen.
Der spektakulären Landung nur wenige Meter vor der nächsten Gletscherspalte ging ein mehrstündiger und äusserst gefährlicher Irrflug voran. Ralph Tate glaubte sich in den französischen Alpen. Das wäre die vorgegebene Route gewesen. Wie sich die Maschine in die Berner Alpen verirrt hatte, kann rückblickend nicht vollständig erklärt werden. Zu diesem Zeitpunkt war es ausländischen Flugzeugen verboten, in den Schweizer Luftraum einzudringen.
Fest steht jedoch, dass der Flug der DC-53 extrem risikoreich war. Bei schlechtem Wetter, einer miserablen Sicht und einer Route zwischen Berggipfeln hindurch grenzte es an ein Wunder, dass die Maschine nicht schon früher in eine der vielen Felsflanken gekracht war.
Mit rund 280 Stundenkilometern schob sich das Flugzeug schliesslich über den Gletscher und in den Schnee hinein. Als es endlich zum Stehen kam, war es völlig still in der Maschine. Nichts von ihrer Umgebung sehend, konnten die Passagiere nicht abschätzen, wie hoch die Distanz zum Boden war.
Ebenfalls scheint es ein Wunder, dass sich niemand ernsthaft verletzt hatte. Ein paar Schrammen und gebrochene Knochen, weiter nichts. Und quasi als Zugabe war das Funkgerät noch intakt. Sofort begannen Funker und Pilot mit dem Notruf. Sie vermuteten ihre Position irgendwo in den französischen Alpen.
Während der Hilferuf bei den entsprechenden Behörden in Frankreich nur schwach hörbar war, kam das Signal überraschend klar beim Meiringer Flugplatzchef Viktor Hug an. Dieser machte sofort Meldung, dass in der Nähe offensichtlich ein Flugzeug in Not war. Diese Information wurde bei der Abteilung für Flugwesen und Fliegerabwehr zu Beginn nicht wirklich ernst genommen und Hugs Vorschlag, etwas zur möglichen Rettung der Verunglückten zu tun, abgelehnt.
In der Folge dauerte es ganze drei Tage, bis Bewegung in die Rettungsaktion kam. Während Amerikaner und Franzosen im Gebiet rund um den Mont Blanc und im Monte-Rosa-Gebiet fieberhaft nach der DC-53 suchten, wollten sich die Verunglückten selbst retten. Sie mussten allerdings schnell erkennen, dass ein Gang ohne konkretes Ziel über den tief verschneiten Gletscher kräftezehrend und gefährlich war.
Schlussendlich schenkte die militärische Obrigkeit Viktor Hug Glauben. Die Dakota C-53 mit allen Überlebenden wurde auf dem Gauligletscher geortet. Mittlerweile war auch das Interesse der Öffentlichkeit enorm. Die Amerikaner «fluteten» Meiringen mit allerlei technischen Hilfsmitteln und Personal. Bald prägten sogenannte «Snowcats», amerikanische Jeeps, und Soldaten das Strassenbild des an sich beschaulichen Dorfes im Berner Oberland. Doch das ganze Material war am Berg unbrauchbar und so blieb den Amerikanern nichts anderes übrig, als Hilfsgüter über der Unglücksstelle abzuwerfen.
Als ein rund 60 Kilogramm schwerer Kohlesack den Flügel der notgelandeten Dakota traf, baten die Verunglückten darum, sofort mit dem Abwurf von schweren Gegenständen aufzuhören. Die Gefahr, getroffen zu werden, war zu gross. Nachdem sie einen Flugzeugabsturz überstanden hatten, wollten die Überlebenden auf keinen Fall einen solchen sinnlosen Tod sterben.
Unterstützung kam auch vonseiten der Schweiz: Ein Hilfstrupp, bestehend aus einheimischen Bergführern und Mitgliedern der Festungswachtkompanie 16, machte sich bei Schneegestöber und Dunkelheit auf den beschwerlichen Weg Richtung Unfallort. Der Hilfstrupp erreichte die Unfallstelle nach einem 13-stündigen, kräftezehrenden Aufstieg.
Eine Rückkehr ins Tal war am selben Tag nicht mehr möglich und so musste die ganze Gruppe bei eisiger Kälte auf dem Gletscher übernachten. Gleichzeitig wurde in Meiringen fieberhaft an einer Rettung aus der Luft gearbeitet. Alle Hoffnungen lagen auf einem Kleinflugzeug namens Fieseler Storch.
Der Fieseler Storch A-97 verfügte dank seiner speziellen Bauweise über die Eigenschaft, auf kurzen Distanzen starten und landen zu können. Das hatte sich ein Team rund um Viktor Hug bereits während des Zweiten Weltkriegs zunutze gemacht und mit der Installation von Kufen statt der vorgegebenen Räder experimentiert. Zu den deutschen Flugzeugen war die Schweiz nur per Zufall gekommen. Als sich 1943 zwei deutsche Militärpiloten auf dem Weg nach Italien im Engadin verflogen hatten und in Samedan landen mussten, konfiszierten die Schweizer die «Störche» kurzerhand.
Hug hatte bereits 1944 mit Versuchen begonnen, auf Tiefschneefeldern zu starten und zu landen. Damit war die Schweiz das erste Land mit Erfahrungen für Schneelandungen im Hochgebirge.
Das so mit Kufen und zusätzlich einer Art Hilfskis ausgestattete Flugzeug landete sechs Tage nach dem Unglück bei schönstem Bergwetter punktgenau in der Nähe des Flugzeugwracks der DC-53 auf dem Gletscher. In mehreren Flügen brachten die Schweizer Militärpiloten alle Verunglückten sicher nach Meiringen. Mit dem letzten Flug wurde sogar das Gepäck «gerettet».
Während Menschen und Gepäck von der Unfallstelle geborgen wurden, verblieb der Grossteil der Dakota C-53 selbst auf dem Gauligletscher. Eigentlich wollten die Amerikaner das Flugzeug zerstören, um zu verhindern, dass Wissen über militärische Technologien in falsche Hände geriet. Die Schweiz wehrte sich dagegen und argumentierten, dass eine solche Aktion ihre Souveränität verletzen würde. Schliesslich einigten sich die Länder darauf, das Wrack auf dem Gletscher zu lassen. So kommt es, dass bis heute immer wieder – durch das Abschmelzen des Gletschers freigegebene – Wrackteile geborgen werden müssen.
Die Rettungsaktion auf dem Gauligletscher war eine beachtliche Leistung von Mensch und Maschine, die in der Öffentlichkeit gebührend gefeiert wurde. Hollywood nahm sich des Themas an und inszenierte einen – dramatisch aufgerüsteten – Film mit dem Titel Broken Journey. Wichtiger aber ist, dass diese Geschichte den Startschuss für die zukünftige moderne Bergrettung aus der Luft setzte.