1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde zu Ehren Walter Mittelholzers, der 1937 bei einer Klettertour in der Steiermark tödlich verunglückt war, beim Flughafen Dübendorf feierlich ein Denkmal eigeweiht. Damit wurde Mittelholzers Status als Schweizer Nationalheld von General Henri Guisan, Bundesrat Elio Celio und weiteren anwesenden Ehrengästen öffentlich zementiert.
Natürlich war der Standort des Denkmals kein Zufall: Mittelholzer hatte sich als Pilot und Unternehmer um den Auf- und Ausbau der zivilen Luftfahrt der Schweiz und den Flugplatz Dübendorf in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verdient gemacht. Er war Mitbegründer, Direktor und Chefpilot der Zürcher Fluggesellschaft Ad Astra Aero. Mit der Fusion der Ad Astra Aero und der Balair zur Swissair von 1931 wurde Mittelholzer technischer Direktor dieser ersten nationalen Airline.
Seine Berühmtheit verdankte Mittelholzer allerdings weniger den leitenden Funktionen in Fluggesellschaften. Entscheidender waren seine internationalen Flugexpeditionen und seine Talente als Fotograf, Autor, Filmemacher und Vermarkter seiner selbst. In der Schweiz schuf und bewirtschaftete er einen Markt für Luftbilder.
Zwar hatte der Schweizer Ballonfahrer und Pionier der Luftbildfotografie Eduard Spelterini bereits vor dem Ersten Weltkrieg ausgezeichnete Aufnahmen aus der Luft gemacht. Nach dem Krieg entwickelte Mittelholzer als Fotograf und erfahrener Luftaufklärer aber das Konzept rasch weiter. Gezielt fertigte er etwa Luftaufnahmen von Fabriken an, um diese dann an deren Inhaber zu verkaufen. Als begeisterter Bergsteiger fotografierte er aus wackligen Propellerflugzeugen und grosser Höhe die Alpen.
Im Zeitalter von Google Earth ist es schwer nachzuvollziehen, welche Anziehungskraft die damals aussergewöhnliche Vogelperspektive ausübte. Mittelholzers Luftaufnahmen hielten den ungewohnten Blick auf die an sich vertraute Umgebung und Landschaft in einer Weise fest, die als reale Erfahrung nur dem ganz exklusiven Personenkreis von Piloten und Flugpassagieren vorbehalten war.
Für Mittelholzer selbst ist die Luftbildfotografie ein bildlich festgehaltener Perspektivenwechsel im übertragenen Sinn. Sie wird zum Mittel einer vollkommeneren Wahrnehmung der Welt:
Diese Sätze schrieb Mittelholzer für seine Publikation «Alpenflug» von 1928. Das Buch ist mit fast 200 Luftbildern von Alpengipfeln und -tälern illustriert und verkaufte sich tausendfach.
Bestseller waren auch Mittelholzers Bücher, die er in kurzen Abständen über seine Flugexpeditionen ins Ausland veröffentlichte: «Im Flugzeug dem Nordpol entgegen» (1924), «Persienflug» (1926), «Afrikaflug» (1927), «Mittelmeerflug» (1930), «Kilimandjaro Flug» (1930), «Tschadseeflug» (1932) und «Abessinienflug» (1934).
Wie der «Alpenflug» haben auch diese Titel umfangreiche Bildteile. Allerdings beschränkte sich Walter Mittelholzer hier nicht auf Bilder aus der Luft. Ausserhalb der Schweiz fotografierte und filmte er auch am Boden. In Afrika und im Mittleren Osten wurde er zum Reportage-Fotografen der eigenen Expedition sowie von «Land und Leuten».
Die öffentlichen Erwartungen an die Berichte und Bilder, die Mittelholzer in der Fremde erstellte, waren hoch. So schrieb die NZZ am 22. März 1927 über den Zürcher Empfang für Walter Mittelholzer – die zwei weiteren Expeditionsteilnehmer am Afrikaflug, Arnold Heim und René Gouzy, werden nur am Rande erwähnt – nach der Rückkehr aus Kapstadt:
Vor der kolonialen Kulisse exotischer, «unbekannter» Länder sollte Mittelholzer also eine ganze Reihe zugeschriebener Schweizer Tugenden verkörpern und öffentlich sichtbar machen. Und die NZZ berichtet weiter, wie Mittelholzer, ganz Volksheld, diesem Erwartungsdruck standhielt:
Rückblickend scheint es, dass das erst Jahre später eingeweihte Denkmal schon zu diesem Zeitpunkt in der Luft lag.