Die Schlacht von
Marignano fand vor genau 500 Jahren statt. Wieso haben Sie darüber
ein Buch geschrieben?
Der Vorschlag kam
von Seiten des Verlags, obwohl diese Epoche nicht mein Spezialgebiet
ist. Als ich mich jedoch mit dem Thema beschäftigte, stellte ich
fest, dass es sich um einen unglaublichen Stoff handelt. Wir kennen
die Schweiz als kleines Land, im damaligen Europa aber spielte sie
eine bedeutende Rolle. Ausserdem enthält er zahlreiche saftige
Geschichten, ein wenig wie Hollywood.
Bei der Lektüre
bleibt ein Aspekt haften: Die alten Eidgenossen kämpften mit einer
unerhörten Brutalität. Das passt nicht zum Klischee der humanitären
Schweiz.
Sie waren die
brutalsten Soldaten, die es Anfang des 16. Jahrhunderts gab. Sie machten grundsätzlich keine Gefangenen. Wer
hilflos am Boden lag, wurde umgebracht. Das war barbarisch, selbst zu jener Zeit hat das niemand verstanden. Deswegen
waren sie auch zutiefst verhasst. Und das Erstaunliche daran ist, dass
dies von den Behörden vorgeschrieben wurde. Es handelte sich nicht
um eine Affekthandlung im Blutrausch, sondern war systematisch
geplant.
Was war das Motiv
für diese gezielte Barbarei?
Die Eidgenossen
sahen ihre Kriege sehr politisch. Es waren Schlachten gegen den Adel.
Die alte Eidgenossenschaft war ein Sonderfall innerhalb Europas: Man hatte den Adel vertrieben. Sie regierten sich selbst. Es gab keine Fürsten und keine Könige, nur den Kaiser anerkannten sie, aber der war weit weg. Es ist kein Zufall, dass die Geschichte von Wilhelm Tell von einem
Aufstand gegen ungerechte Herren handelt, obwohl es ein fiktiver Stoff ist. Er entstand genau zu jener Zeit im 15.
Jahrhundert. Daraus bezogen die Eidgenossen ihre Motivation, die Adeligen zu töten. Unter Adeligen machte man
Gefangene und liess sie gegen ein Lösegeld frei. Bauern waren im
Vergleich dazu nichts wert. Die Schweizer begehrten dagegen auf, für
sie waren die Adeligen nicht mehr wert als die Bauern, also brachte
man sie um.
Damit sorgten sie
für Angst und Schrecken.
Sie merkten, dass
sie den Adeligen Angst einjagen konnten mit der Aussicht, getötet zu
werden. Unter Rittern musste man damit nicht rechnen, man ging sehr
vornehm miteinander um.
Es war ein Mittel
zum Zweck, damit der fragile Bund überleben konnte?
Damals gab es viele derartige Bauernbünde. Auch Städte wehrten sich gegen die Fürsten. Die meisten errangen vielleicht einmal einen Sieg. Aber das war nicht nachhaltig. Es gab zur damaligen Zeit viele Stadtstaaten, die republikanisch verfasst waren, besonders in Italien, denken Sie an Venedig oder Genua, ebenso die deutschen Reichsstädte. Ihre Art, sich selbst zu regieren, glich den Verhältnissen in der Schweiz. Die Eidgenossenschaft war aber so gut wie die einzige Republik, die sich auf Dauer halten konnte und überlebte. Nur die Holländer schafften das auch. Das hatte auch mit ihren militärischen Fähigkeiten zu tun. Die Reichsstädte waren nicht in der Lage, sich militärisch gegen die Fürsten zu verteidigen. Die Eidgenossen dagegen vertrieben die mächtigste Dynastie Europas, die Habsburger, aus ihrem Gebiet.
Sie
diagnostizieren bei den Eidgenossen etwas Adoleszentes. Sie seien
schnell gewachsen, ohne reif zu werden. Spielte das auch eine Rolle?
Die Eidgenossen
hatten beispiellosen Erfolg, während 200 Jahren gewannen sie so gut wie jede Schlacht. Daraus entstand ein Rausch und ein Triumphgefühl. Das
führte zu einer gewissen Überheblichkeit, was zur Niederlage in
Marignano beitrug. Sie glaubten, auf Artillerie verzichten zu können,
und machten sich über die deutschen Landsknechte lustig, die sich angeblich wie Mäuse im Boden vergruben. Ausgerechnet diese Landsknechte haben die Schweizer am Ende geschlagen. Gleichzeitig hat der Erfolg die Eidgenossen auch einsam gemacht, sie litten unter einem Minderwertigkeitskomplex. Unter Königen waren sie Bauern, die man verachtete – und fürchtete. Barbaren.
Dieses Schwanken
zwischen Überheblichkeit und Minderwertigkeitskomplex zieht sich bis
in die heutige Zeit durch.
Da ist etwas dran.
Wir waren in gewisser Weise ein Sonderfall. Nur bei uns hatten die
Bauern so viel zu sagen, und gleichzeitig gewannen sie Schlachten.
Die Aufstände der deutschen Bauern wurden stets mit brutalsten
Mitteln niedergeschlagen. Der Bauernkrieg von 1527 war ein
eigentlicher Vernichtungskrieg. Das spielte sich in unserer
Nachbarschaft ab. Die Schweizer bekamen das mit, aber sie halfen
nicht.
Der nationalkonservative Mythos besagt, dass mit Marignano die Neutralität der Schweiz begonnen hat. Teilen Sie diese Ansicht?
So zugespitzt würde
ich das nicht sagen. Man wollte nach der Schlacht vielmehr ein neues
Heer ausheben und den Krieg fortführen. Aber es gelang nicht, weil
man intern uneinig war. Das ist der springende Punkt: Die
Eidgenossenschaft konnte sich nur mit Mühe auf eine gemeinsame
Politik einigen. Das hat die Neutralität regelrecht erzwungen. Vor
der Schlacht von Marignano zogen sich Bern, Solothurn und Freiburg
zurück, weil sie kein Interesse an der Lombardei hatten. So kann man
keine Grossmachtpolitik betreiben.
Bald darauf
begann die Reformation, die den internen Konflikt noch verschärft
hat.
Hätte Bern die
Eidgenossenschaft dominiert, wären vermutlich alle Orte reformiert
geworden. Doch Zürcher und Berner konnten sich nicht gegen die
Innerschweizer durchsetzen. Ohne sie ging militärisch gar nichts, sie waren die besten Krieger. Erst brachen sie den Habsburgern das Genick,
später wurden die Reformierten ihr Opfer. Bis 1712 gewannen immer
die Katholiken, sie töteten Huldrych Zwingli 1531 in der Schlacht
bei Kappel. Erst mit der moderneren Technologie vermochten sich die Reformierten durchzusetzen. Aber noch im Sonderbundskrieg 1847 hielten
sich die Innerschweizer für praktisch unbesiegbar. Sie rechneten
nicht damit, dass sie derart chancenlos sein würden.
An Marignano
waren zwei der wenigen Schweizer von Weltgeltung beteiligt: Kardinal Matthäus Schiner, Bischof von Sitten, und ein
Feldprediger aus Glarus namens Zwingli.
Die Schweiz machte
damals Weltpolitik, das brachte entsprechendes «Personal» hervor.
Schiner und Zwingli kannten sich und waren befreundet. Später wurde
der eine fast Papst und der andere zum Reformator.
Die Niederlage in
Marignano machte Zwingli zum Kritiker der Expansion und des
Soldwesens. Hat die Schlacht die Reformation in der Schweiz
beschleunigt?
Das ist eine These, die man noch vertiefter prüfen muss. Vermutlich trifft sie zu: Hätten die Eidgenossen in Marignano gewonnen und die Lombardei für längere Zeit halten können, wäre die Schweiz vielleicht katholisch geblieben. Sicher ist: Ohne den charismatischen Zwingli hätte es kaum eine Reformation gegeben. Martin Luther regte sich
auf über die Korruption in der katholischen Kirche. Zwingli hat das
weniger gestört, er hat selber eine Pension vom Papst bezogen. Zwingli war viel politischer. Er
empörte sich darüber, dass junge Menschen hingeschlachtet
wurden und das Söldnerwesen das eigene Land korrumpiert hat.
Marignano als
Auslöser der Reformation?
Beweisen kann man
das nicht. Aber wäre Zwingli in Marginano nicht dabei gewesen, wäre
er vielleicht katholischer Priester geblieben und hätte wie Matthäus
Schiner Karriere in der Kirche gemacht. Er war ein glänzender Redner und guter Theologe. Gleichzeitig ein Machtpolitiker allerersten Ranges.
Die Einnahmen aus dem Solddienst waren den Schweizern auch willkommen, weil sie damit die Steuern tief halten konnten. Das beförderte die Korruption.
Die Schweiz war ein
armes, gebirgiges Land. Und dann wurden auf einmal Millionenbeträge
ins Land gespült. Damit wurde es fast zerstört. Sie können die Situation mit den Scheichtümern am Golf vergleichen. Scheinbar mühelos wurde man steinreich. Marignano war in dieser Hinsicht ein Einschnitt. Man hat das Soldwesen danach zwar weiter betrieben, aber nie mehr mit den gleichen Verheerungen. Vor allem wurde es besser reguliert. Immerhin verbot aber das reformierte Zürich für 100 Jahre die Fremden Dienste. Auf lange Sicht hat das wohl den wirtschaftlichen Erfolg des Kantons begründet. Die Fremden Dienste wirkten wie eine Droge. Sie sicherten Wohlstand, ohne dass sich ein Gebiet wirtschaftlich entwickeln musste.
Man entnimmt
Ihrem Buch eine gewisse Bewunderung für die Eidgenossenschaft als
eine Art frühe Demokratie.
Für mich bedeutete das eine grosse Entdeckung. Mir war nicht bewusst, dass die Landsgemeinden so alt und vor allem so offen waren. Die meisten entstanden schon im 14. Jahrhundert. In den Länderorten wie etwa Uri oder Schwyz waren alle Männer ab 14 oder 16 Jahren wahlberechtigt. Sie hatten das Recht, über praktisch alles zu
bestimmen: Landammänner, Richter, Offiziere, Steuern, Landkauf, Krieg, Frieden ...
Was sind die Unterschiede zur heutigen Schweiz?
Das waren keine modernen Demokratien in unserem Sinne: Zum Beispiel kannte man keine Gewaltenteilung. Die Landsgemeinden fällten auch Todesurteile und fungierten als Gerichte. Aber im Vergleich zu den Verhältnissen im übrigen Europa waren das erstaunlich demokratisch verfasste Gemeinwesen. Damit aber keine Missverständnisse aufkommen: Landsgemeinden gab es nur in der Innerschweiz in den sogenannten Länderorten. In den Städten herrschten die Zünfte, wie etwa in Zürich oder Basel, in Bern waren es ein paar patrizische Familien. Hier konnten sich viel weniger Leute beteiligen. Und dennoch waren es Republiken, keine Monarchien. Das ist ein fundamentaler Unterschied.
Nach Marignano
soll man in Schwyz sogar für kurze Zeit die Frauen zur Landsgemeinde zugelassen haben.
Man weiss nicht recht warum. Ich vermute zwei Gründe: Wegen den vielen Toten in der Schlacht gab es zu wenig Männer, und die Frauen waren aufgebracht, sie hatten Männer und Söhne verloren. Man musste sie einbinden. Was uns vielleicht nicht mehr so bewusst ist: In Marignano starben rund 10'000 Schweizer. Nie zuvor und nie nachher hat die Schweiz so viele Soldaten in einer einzigen Schlacht verloren. Jede Familie war betroffen, arm und reich, Stadt und Land. In Zürich musste ein Drittel aller Räte neu gewählt werden, weil so viele in der Schlacht gefallen waren. Es war eine nationale Katastrophe.
Nicht alles war
so schön demokratisch. Es gab in der Eidgenossenschaft Städte, in
denen Aristokraten herrschten, und Untertanengebiete. Warum hat der
Bund trotzdem gehalten?
Unter anderem durch die militärische Überlegenheit der Innerschweizer. Die Topographie hat ihnen dabei geholfen. Man konnte ihr Gebiet kaum erobern. Gleiches gilt für Graubünden. Das hat die Schweiz schon früh auf einen Sonderweg geführt, was uns bis heute prägt.
Sogar über den
Beginn einer Schlacht haben sie basisdemokratisch entschieden.
Das war meine zweite grosse Erkenntnis: die sogenannten Kriegergemeinden. Auch hier war jeder Krieger wahlberechtigt: Man stimmte über alles ab. Ziehen wir uns zurück? Greifen wir an? Gehen wir nach links oder nach rechts? Nicht zuletzt aus diesem Grund scheiterte man in Marignano. Die Eidgenossen stritten viel zu lange, ob sie in die Schlacht ziehen sollten.
Dennoch hätte
laut Ihrem Buch nicht viel zu einem Sieg über die Franzosen gefehlt.
Auf längere Sicht
hätten die Schweizer trotzdem verloren. Die Verwaltung der Lombardei
interessierte sie gar nicht. Sie wollten das Land nicht, sondern nur
Geld. Und die Franzosen hätten keine Ruhe gegeben, sie wollten die
Lombardei unbedingt.
Sie deuten an,
dass ein Sieg in Marignano zum Untergang der Schweiz hätte führen
können.
Es ist das extremste
Szenario. Aber die Grossmächte hatten letztlich doch mehr Reserven.
Die Schweiz hätte auf Dauer nicht gegen Frankreich bestehen können.
Und vielleicht hätten die Franzosen in diesem Fall entschieden, die
Schweiz aufzulösen. Eine Grossmacht Schweiz hätte keine Zukunft gehabt. Man hätte sie nicht geduldet.
Stattdessen
schloss die Eidgenossenschaft nach Marignano ein Bündnis mit
Frankreich.
Sie hatte trotz der
Niederlage militärisch einen hervorragenden Ruf. Deshalb hatte
Frankreich ein Interesse daran, sie einzubinden. Die Schweiz hatte
das grosse Glück, dass sie sich genau zu jenem Zeitpunkt den
Franzosen am teuersten verkaufen konnte, als ihre militärische
Reputation den Höhepunkt erreicht hatte. Frankreich bot für das Bündnis
aussergewöhnlich gute Bedingungen. 100 Jahre später wäre das wohl nicht
mehr möglich gewesen, die Schweizer waren längst nicht mehr so
stark.
Wie wichtig war
die Allianz mit Frankreich für die Existenz der Schweiz?
Sie pflegte gleichzeitig auch ein Bündnis mit den Habsburgern, man achtete stets darauf, sich nicht zu einseitig festzulegen. Dennoch war Paris viel wichtiger, und diese Anlehnung an Frankreich hat uns wohl überleben lassen. Frankreich schützte die Schweiz. Da darf man
sich keine Illusionen machen. Doch es war eine gegenseitige Abhängigkeit: Frankreich verfügte über keine gute Infanterie. Die Schweizer galten als die besten Infanteristen Europas, sie hatten sie neu erfunden. Ohne Schweizer hätten die französischen Könige ihre vielen Kriege gar nicht führen können. Bis zur französischen Revolution stellten die Schweizer den Kern der französischen Armee. Dank der militärischen Überlegenheit
in den ersten 200 Jahren, zwischen 1315 und 1515, konnte sich die Eidgenossenschaft als Land
konstituieren und danach behaupten.
Bis 1798, dann marschierte der Bündnispartner Frankreich mit
seiner Revolutionsarmee ein und gab der alten Eidgenossenschaft den
Todesstoss.
Die Schweiz verschwand trotzdem nicht. Wer sich 500 Jahre lang behauptet, kann nicht einfach ausgelöscht werden. Darum überstand sie auch den Wiener Kongress 1815. Der Nutzen eines neutralen Kleinstaates inmitten Europas hatte sich zu diesem Zeitpunkt jahrhundertelang erwiesen. Die Grossmächte hielten es auch für zu aufwendig, dieses schwierige, gebirgige Gebiet zu besetzen, also sollte dieser strategisch wichtige Raum neutral bleiben.
200 Jahre später
kam es zu einer ähnlichen Entwicklung: Nach dem Kalten Krieg wandte
sich die damalige «Schutzmacht» USA plötzlich gegen die Schweiz,
bei den nachrichtenlosen Vermögen und beim Bankgeheimnis.
Ich erkenne auch
eine gewisse Ähnlichkeit. Seit 1291 ist die Schweiz genau einmal
erobert worden, durch Napoleon. Das ist bemerkenswert, nur wenige Länder in Europa brachten das fertig. Doch als Kleinstaat braucht man Freunde, eine Art Sponsor, sonst überlebt man nicht. Ein starker Freund ist wichtig, aber es braucht eine
Alternative, sonst kann es gefährlich werden. Man sieht das am
Bündnis mit Frankreich. Nach Ludwig XIV. wurden die Franzosen immer
überheblicher und die Bedingungen für die Schweiz immer schlechter. Ohne die
französische Revolution hätten die Franzosen uns vielleicht irgendeinmal kassiert.
Wer käme in der
heutigen Zeit als Verbündeter in Frage?
Schwierig.
Vermutlich einzelne Länder in der EU. Nicht aber die EU selber, sie ist ein Problem.
Genau das könnte
man aus dem Buch heraus lesen: Die Schweiz müsste der EU beitreten.
Diese Interpretation wäre grotesk. Eben gerade nicht. Frühere Sponsoren mischten sich kaum in unsere Innenpolitik ein. Die EU sieht sich als werdender Staat, sie würde unsere Innenpolitik aus Prinzip und systematisch verändern, die EU kann nicht anders. Aber das entspricht nicht dem Modell, das wir seit dem 16. Jahrhundert gepflegt haben. Deshalb streiten wir seit gut 20 Jahren über unser Verhältnis zur EU. Was die EU tut, ist mir einerlei. Ich habe nichts gegen die EU. Wir können das, was uns speziell macht, nicht mit der EU vereinbaren, vor allem die direkte Demokratie, aber auch unser sehr alten Föderalismus.
Trotzdem müssen
wir in absehbarer Zeit über unser Verhältnis zur EU abstimmen ...
... das tun wir doch
andauernd.
Es stehen aber
wichtige Weichenstellungen an, zur Personenfreizügigkeit und zur
institutionellen Einbindung. Wie beurteilen Sie das?
Sehr gelassen. Jedes Land hat seine Besonderheiten. Unsere sind fast nur politischer Art. Wir haben weder eine spezielle Kultur noch eine besondere Sprache, dafür die direkte Demokratie und einen ausgeprägten Föderalismus. Beide sind der Kern der Eidgenossenschaft, schon seit sehr langer Zeit. Darum tun wir uns als Land so schwer mit der EU. Ein Beitritt wäre ein enormer Eingriff in unsere DNA, das spüren die Bürger instinktiv und lehnen es ab.
Die Wahlen stehen
bevor, es könnte zu einem Rechtsrutsch kommen. Ich nehme an, Sie
würden einen solchen begrüssen?
Selbstverständlich,
das Parlament kann nicht rechts genug werden (lacht). Die NZZ hat es
diese Woche schwarz auf weiss belegt: Im Parlament kam es zu einem
Linksruck. Das Volk aber hat keine Mitte-links-Regierung unter
Führung der SP gewählt. Es stimmte für die BDP im Glauben, es
handle sich um eine bürgerliche Partei. Und nun befürwortet diese den Atomausstieg und heisst eine sozialdemokratische Sozialpolitik gut. Auch die Grünliberalen gaben sich bürgerlicher, als sie sind, die CVP sowieso. Das ist ein Problem, weil die Mehrheit der Bevölkerung politisch konservativer ist, als Parlament und Bundesrat. Das gibt Spannungen, die wir wieder lösen müssen.
Es könnte ja
sein, dass das Volk diesen Kurs bestätigt.
Das glaube ich
nicht. Das Volk hat diesen Widersinn durchschaut. Es geht ja nur um
wenige Sitze, sieben oder acht. Das entscheidet auch über die Zusammensetzung des Bundesrats.
Sie sind
natürlich für einen zweiten SVP-Sitz.
Nein, nicht unbedingt. An sich halte ich die alte, einfache Regel für die beste: Wählerstärke entscheidet arithmetisch über die Zusammensetzung des Bundesrates. Ich könnte aber auch mit
einem zweiten CVP-Sitz leben, sofern er an eine bürgerliche
Persönlichkeit geht. Das wäre sogar fast die raffiniertere
Variante. Man muss einfach zurück zum alten System, in dem die vier
grössten Parteien in der Regierung sind. Wer fähig ist, Initiativen
und Referenden durchzubringen, gehört in die Regierung. Deshalb
wurden 1891 die Katholisch-Konservativen in den Bundesrat geholt,
obwohl sie im Parlament klar in der Minderheit waren.
Fehlt nur noch,
dass Sie wie Ihr ehemaliger Chef Roger Köppel in die Politik
einsteigen.
Für diese Wahlen
ist es wohl leider zu spät (lacht laut). Aber ich bin in der FDP und schliesse
es nicht aus. Als politischer Journalist verfügt man über ein
gewisses Wertesystem. Wichtig ist, dass man es transparent macht,
nicht wie die BDP, die sich bürgerlich gibt und eigentlich links ist
(lacht).
Die Chefredaktion
der NZZ ist kein Thema mehr?
Nein, sie hat ja einen Chefredaktor. Wir haben in Basel noch sehr viel vor.
Markus Somm, Marignano. Die Geschichte einer Niederlage, Stämpfli Verlag Bern, 2015. 44 Franken. Das Buch erscheint in diesen Tagen.
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Maria B.
keplan
Hüendli