Die am 16. Januar 1901 geborene Rösli Streiff wuchs als Tochter einer Glarner Fabrikantenfamilie in einem sportbegeisterten Umfeld auf. Ihr Vater war Mitglied des 1893 gegründeten Skiclubs Glarus, dem ersten der Schweiz. Streiff und ihre drei Geschwister waren sportlich aktiv, sei es beim Reiten, Klettern oder Skifahren. Bereits im Alter von fünf Jahren stand Streiff auf Skiern, die ihr Vater eigens für sie angefertigt hatte.
Nach ihrem Schulabschluss besuchte die Glarnerin kaufmännische Abendkurse, absolvierte Aufenthalte in der Romandie und in England und begann in der elterlichen Bleicherei in Glarus zu arbeiten. Der spätere Gründer der Lauberhorn-Rennen in Wengen, Ernst Gertsch, der Ende der 1920er-Jahre in Glarus als Tennislehrer aktiv war, lud Streiff nach einer gemeinsamen Skitour zur Teilnahme am Sommerrennen auf dem Jungfraujoch ein, wo Streiff 1928 ihr erstes alpines Skirennen absolvierte.
Nach ersten Versuchen im Wettkampf-Skisport trat sie dem Anfang 1929 in Mürren gegründeten Schweizerischen Damen-Skiclub (SDS) bei. Die Gründerinnen des SDS hatten den Verein mit dem Zweck des organisatorischen Zusammenschlusses der Schweizer Skifahrerinnen sowie der besseren Ausbildung im Renn- sowie im Breitensport ins Leben gerufen. Bereits kurz danach führte der SDS erste interne Rennen durch, bot Skikurse an – zuerst für Rennfahrerinnen, später für Fahrerinnen unterschiedlicher Niveaus – und brachte den Schweizerischen Skiverband (SSV, heute Swiss Ski) dazu, zu Beginn der 1930er-Jahre auch Frauenrennen in Abfahrt und Slalom ins Programm der nationalen Meisterschaften zu nehmen.
Diese schnellen institutionellen Fortschritte hingen neben dem grossen Engagement der Skifahrerinnen wohl auch mit der, im Vergleich zu den nordischen Skidisziplinen oder anderen Sportarten wie Fussball, erstaunlich frühen Akzeptanz von Frauen im sich etablierenden alpinen Skisport der 1920er- und 1930er-Jahre zusammen. Darüber hinaus waren die Pionierinnen und frühen SDS-Mitglieder sehr gut vernetzt, lebten in den aufstrebenden Tourismusorten wie Mürren oder stammten aus Familien, die dort ein Chalet besassen. Sie fuhren gemeinsam mit den Kurdirektoren Ski und waren sozial gut gestellt, wie etwa Rösli Streiff.
Wie alle Skirennfahrerinnen war sie jedoch als Amateurin die meiste Zeit im Büro der elterlichen Bleicherei anzutreffen, nicht auf der Skipiste. Bei den Männern hingegen waren die besten Fahrer oft Skilehrer. Beim Verband machten sich gewisse Verantwortliche Sorgen, dass bei internationalen Wettkämpfen die Schweizer Dominanz der Männer von den Frauen getrübt werden würde. So hielt sich das Engagement des Verbands in Sachen Frauen im Skisport in Grenzen. Eine Lücke, die der SDS teilweise füllte.
Nachdem die Fédération Internationale de Ski (FIS) an ihrem Kongress 1930 in Oslo die alpinen Disziplinen Abfahrt und Slalom offiziell für internationale Rennen zugelassen hatte, fanden vom 19. bis zum 22. Februar 1931 in Mürren im Berner Oberland die ersten Alpin-Weltmeisterschaften statt – sowohl für Männer als auch für Frauen. Während der SSV das Männer-Nationalteam zusammenstellte, oblag diese Aufgabe bei der Frauenequipe dem SDS. Rösli Streiff gehörte zum siebenköpfigen Team, unter anderem mit Ella Maillart oder der späteren administrativen Direktorin des SSV und FIS-Funktionärin Elsa Roth. Während die Männer tatsächlich den Wettkampf dominierten, klassierten sich die Fahrerinnen nicht in den vorderen Ranglistenregionen.
1932 verlief vor allem für Rösli Streiff weitaus erfolgreicher. Bei der ersten Austragung der «Kombinierten Abfahrts- und Slalomrennen des S.D.S. für Fahrerinnen aller Länder» am 15. Januar in Grindelwald gewann sie sowohl die Abfahrt wie auch den Slalom und damit auch die Kombinationswertung. Die danach jährlich stattfindenden Rennen waren auf internationaler Ebene die einzigen reinen Frauenrennen. Sie entwickelten sich zu einem wichtigen Termin im Skikalender und trugen wesentlich zur Popularisierung des Frauenskisports bei. 1932 allerdings nahmen noch vorwiegend Einheimische teil, zehn der zwölf Teilnehmerinnen kamen aus der Schweiz.
Bei den grossen Skirennen der Schweiz 1932 in Zermatt Ende Januar wiederholte Streiff ihren Dreifachtriumph und dominierte die nationale Konkurrenz erneut. Gleich nach der Preisverteilung musste sie weiter nach Brig, um den nächsten Zug in Richtung Italien zu erwischen.
Rösli Streiff reiste gemeinsam mit drei weiteren Frauen und den Mitgliedern der Männer-Nationalmannschaft nach Cortina d’Ampezzo, wo vom 4. bis zum 6. Februar die zweiten Weltmeisterschaften ausgetragen wurden. Beim Abfahrtsrennen am ersten Wettkampftag gehörten die Schweizerinnen nicht zu den Besten, die Glarnerin wurde Achte.
Durch einen überlegenen Sieg im Slalom zum Abschluss sicherte sich Streiff nicht nur den Slalom-Titel, sondern auch den Kombinationssieg. Jahre später gab die Skifahrerin ihr Erfolgsrezept preis: Der Schweizer Kombinationsweltmeister der Männer bei den Rennen von Cortina, Otto Furrer, habe ihr und den anderen Schweizerinnen geraten, den Slalom im Stemmbogen zu absolvieren, um möglichst nahe an den Toren vorbeizufahren und damit eine schnelle Zeit zu erreichen.
Für die Reisekosten der Frauen nach Italien kam der SDS auf, der SSV war weiterhin zurückhaltend, was die Unterstützung der Frauen im Skirennsport anging. Erst 1942 wurde die rennsportliche Ausbildung der Frauen in den Verband integriert. Zu diesem Zeitpunkt war Rösli Streiff bereits seit sechs Jahren nicht mehr Teil des Ski-Nationalteams.
Nach ihrer Karriere als Amateur-Rennfahrerin meldete sie sich 1939 zur ersten Frauenrekrutenschule und diente als Lastwagenfahrerin im Frauenhilfsdienst. Nach dem Tod des Vaters übernahm sie gemeinsam mit einem ihrer Brüder in den 1950er-Jahren für fünf Jahre die Leitung der Bleicherei Streiff, wo sie insgesamt 37 Jahre arbeitete.
Rösli Streiff blieb bis ins hohe Alter sportlich aktiv, reiste viel, fuhr Alpinski in Mürren oder Wasserski in Kanada. Zu ihrer Aktivzeit gab es keinen grossen Medienrummel um sie – im Gegenteil: als Korrespondentin der NZZ berichtete sie teilweise über ihre eigenen Rennen. Doch etwa ab der Mitte der 1970er-Jahren fand die Geschichte der ersten Ski-Weltmeisterin der Schweiz ihren Weg in verschiedenste Schweizer Medien und Streiff wurde mit über 70 noch zur gefragten Interviewpartnerin von Zeitungen, Radio und Fernsehen.
Bis zu ihrem Tod kurz nach ihrem 96. Geburtstag berichtete sie regelmässig über den Skisport von früher, als die Rennfahrerinnen noch zu Fuss zum Start hochsteigen mussten und sich bei Rennen überholten, sie gab Anekdoten zum Besten und betonte stets die grosse Kameradschaft, die unter den Konkurrentinnen geherrscht habe.
Ihre mediale Neuentdeckung fällt just in jene Zeit, als der Skisport in der Schweiz boomte, medial stark inszeniert wurde und nostalgische Erinnerungen an vergangene Zeiten ihren Teil zur kollektiven Erinnerung einer «Skination Schweiz» beitrugen. Die verspätete Rezeption von Streiffs Pionierleistungen und ihre bescheidene und doch selbstbewusste Art liessen sie in der Öffentlichkeit erst im hohen Alter zu jener Ski-Heldin werden, die sie eigentlich bereits seit Jahren war.