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Seit 1970 hat die Menschheit fast 70% der Wirbeltier-Bestände vernichtet

Menschengemachtes Artensterben
Die Menschheit hat laut WWF in den vergangenen 50 Jahren fast 70 Prozent aller bekannten Wirbeltier-Bestände vernichtet. Grafik: WWF

Artenkiller Mensch: Seit 1970 haben wir fast 70 Prozent der Wirbeltier-Bestände vernichtet

13.10.2022, 01:0215.10.2022, 12:31
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Die Menschheit hat nach Angaben der Umweltorganisation WWF in den vergangenen Jahrzehnten fast 70 Prozent aller bekannten Wirbeltier-Bestände vernichtet. Die Ursachen für dieses massive Artensterben seien «allesamt menschengemacht», heisst es im Living-Planet-Report, den der WWF am Donnerstag in Berlin veröffentlichte.

Die Menschheit zerstöre damit ihre eigene Lebensgrundlage «mit dem Presslufthammer» und heize die «Zwillingskrise» aus Artensterben und Klimawandel weiter an.

Der geschäftsführende Vorstand des WWF Deutschland, Christoph Heinrich, hob hervor, dass Gesundheit, Wirtschaft und die gesamte Existenz der Menschheit von der Natur abhingen. Die Natur sei «wie ein Turm, in dem jeder Baustein eine Tier- oder Pflanzenart darstellt». «Je mehr Steine aus dem Turm herausgeschlagen werden, sprich je mehr Arten aussterben, umso instabiler wird er», führte Heinrich aus.

Über 31'000 Bestände ausgewertet

Der WWF veröffentlicht den Living-Planet-Report seit 1998, er erscheint alle zwei Jahre. Für die neueste Ausgabe werteten Experten der Umweltorganisation zusammen mit der Zoologischen Gesellschaft London mehr als 31'000 Bestände von mehr als 5200 Arten von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien aus. Am stärksten von der Artenkrise betroffen sind demnach Süsswasserarten. Ihre Bestände gingen seit 1970 im Durchschnitt um 83 Prozent zurück.

Als geografischen Hotspot des Artensterbens nennt der Bericht Süd- und Zentralamerika. Dort schrumpften die untersuchten Tierbestände demnach um durchschnittlich 94 Prozent.

Artenkrise und Klimakrise verknüpft

Ausser der Zerstörung von Lebensräumen und Umweltverschmutzung sei die Klimakrise mit Auswirkungen wie zunehmenden Hitzewellen und der Versauerung der Meere einer der Hauptgründe der Artenkrise, heisst es in dem Report. Andererseits habe eine veränderte Artenzusammensetzung auch Auswirkungen auf das Erdklima, etwa weil absterbende Wälder weniger klimaschädliches CO₂ speichern könnten. «Artenkrise und Klimakrise sind schicksalhaft miteinander verknüpft», warnt der WWF-Bericht.

Als Beispiele für besonders stark gefährdete Tierarten nennt der WWF den Westlichen Flachlandgorilla: Sein Bestand im Nki-Nationalpark in Kamerun sei allein in den Jahren 2005 bis 2019 um 69 Prozent zurückgegangen. In Brasilien ging die Zahl der Amazonasdelfine zwischen 1994 und 2016 um 67 Prozent zurück. In Europa litt die Feldlerche besonders unter Umweltveränderungen: Ihr Bestand verkleinerte sich von 1980 bis 2019 um 56 Prozent.

Westlicher Flachlandgorilla
Von Pierre Fidenci - [1], CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6095330
Westlicher Flachlandgorilla.Bild: Wikimedia/Pierre Fidenci

Artensterben kann gestoppt werden

Als Chance, das Artensterben zu stoppen, nannte der WWF die Uno-Biodiversitätskonferenz. Bei dem Treffen im Dezember im kanadischen Montréal soll ein globales Abkommen zum Erhalt der biologischen Vielfalt ausgehandelt werden.

Dass das Artensterben gestoppt werden kann, zeigen laut WWF etwa die wachsenden Bestände von Seeadlern in Norddeutschland. Gab es 1945 in Schleswig-Holstein nur ein Revierpaar, seien es 2010 immerhin 57 gewesen. Der Bestand der Kegelrobben in der Ostsee sei allein von 2013 bis 2019 um 139 Prozent gestiegen. In Nepal wuchs der Tigerbestand laut dem Bericht von 121 Exemplaren im Jahr 2009 um 91 Prozent auf 235 Tiger 2018. (sda/afp)

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30 Kommentare
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Alter Mann
14.10.2022 23:04registriert September 2020
Ich frage mich wie wollen wir den Wildtieren gerecht werden wenn wir schon die "Wildmenschen" Ureinwohner ausrotten. Wir nennen uns Menschen und verteidigen Menschenrechte für welche Menschen?
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Rethinking
15.10.2022 07:26registriert Oktober 2018
„ Als geografischen Hotspot des Artensterbens nennt der Bericht Süd- und Zentralamerika.“

Naja, das wird wohl auch darum dein, weil wir in Europa schon lange vieles ausgerottet haben…
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