Warum Kaiser Trump nackt ist
Derzeit sind Bagger im Begriff, Teile des East Wings des Weissen Hauses abzubrechen. Das ist nötig, um einem pompösen Ballroom Platz zu machen, denn Donald Trump ist wild entschlossen, das «Haus des Volkes» – so der ursprüngliche Plan für das Weisse Haus – in ein modernes Versailles zu verwandeln.
Dabei schreckt er vor keiner Geschmacksverirrung zurück. Das Oval Office, das Büro des Präsidenten, hat er bereits mit Gold voll gepflastert, ob echt oder nicht, ist umstritten. Den Rosengarten, bisher ein gepflegter Rasen, hat er zubetoniert und in einen Club verwandelt, wie man das von Mar-a-Lago, seiner Residenz in Florida kennt. Im Hinterhof hat er zwei riesige Fahnenstangen errichten lassen, und neuerdings will er offenbar in Washington einen Triumphbogen bauen, mit dem Vorwand, damit das 250-Jahre-Jubiläum der USA feiern, in Tat und Wahrheit jedoch, um für sich selbst ein Monument für die Ewigkeit zu schaffen.
Trump will der Sonnenkönig der Moderne werden. Er will die absolute Macht und den absoluten Pomp, und sei er noch so stillos.
Dummerweise für Trump sind die USA gegründet worden auf dem Grundsatz, dass die Amerikaner weder König noch Absolutismus wollen. Kein Wunder also, hat die zweite «No Kings»-Protestwelle vom vergangenen Samstag eine Menschenmenge auf die Strasse gebracht, wie sie Amerika seit Menschengedenken nicht mehr gesehen hat. Mehr als sieben Millionen Menschen gingen in mehr als 2000 Städten auf die Strasse. Sie protestierten friedlich, und dies, obwohl Trump und die Republikaner die Proteste als «Hass auf Amerika» zu diffamieren suchten und die Teilnehmer als Antifa-Anhänger, Hamas-Freunde und Terroristen bezeichneten.
Das Gegenteil war der Fall. George Packer schreibt daher im «Atlantic» von einem Spektakel, das «würdevoll und respektvoll» gewesen sei und «getrieben von all dem, das gut in Amerika» sei. «Es ist eine Vision – vielleicht auch nur ein Trugbild – dessen, was einst war und vielleicht wieder sein könnte», so Packer weiter. «Hoffnung in dunklen Zeiten reicht, dass wir weinen könnten, und ich war nach daran, zu weinen.»
Der sich abzeichnende Sieg von Zohran Mamdani ist ebenfalls ein Lichtstrahl für die Demokraten. Obwohl die Republikaner aus allen Rohren schiessen und Mamdani als «Marxisten, Verrückten» und was weiss ich verunglimpfen, obwohl sie von ihrem Kandidaten Curtis Sliwa verlangen, im letzten Moment zurückzutreten, um Andrew Cuomo, dem ehemaligen Gouverneur des Bundesstaates New York und einem Demokraten, der jetzt als Unabhängiger kandidiert, eine letzte Chance einzuräumen.
In den USA bahnt sich eine linke Antwort auf die Tea Party an. Darunter versteht man die Protestbewegung der Konservativen auf die Gesundheitsreform von Barack Obama und die Rettung der Banken nach der Finanzkrisen. Die Tea Party hat seinerzeit die Dominanz der Demokraten gebrochen. Jetzt droht den Republikanern das Gleiche. Sollte es gelingen, das Momentum aufrechtzuerhalten, ist es gut möglich, dass die «No Kings»-Proteste das Vorspiel zu einer demokratischen Mehrheit im Kongress sind.
Der Zeitpunkt der Proteste ist jedenfalls gut gewählt. Trump mag sich Mühe geben, seine Allmachtsphantasien in die Realität umzusetzen. Tatsächlich steht er wie der sprichwörtliche Kaiser ohne Kleider da. Seine Umfragewerte sind unterirdisch. Einzelne Umfragen zeigen, dass weniger als 40 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner seiner Amtsführung zustimmen. Seit dem Amtsantritt sind sie mehr als um 15 Prozentpunkte gefallen. «Die Amerikaner sind nicht nur enttäuscht, wie er die Brot-und-Butter-Themen wie die Inflation und die Wirtschaft handhabt», stellt der «Economist» fest. «Sie mögen es auch nicht, wie er mit der Immigration und der Kriminalität – seine Kernthemen im Wahlkampf – umgeht.»
Nicht nur die Umfragen sind schlecht. Der euphorisch gefeierte Frieden im Nahen Osten ist bereits so wackelig, dass Vizepräsident J. D. Vance notfallmässig zu einer Rettungsaktion nach Jerusalem gejettet ist. Gleichzeitig deutet alles darauf hin, dass sich Trump auch in Ukraine-Krieg zum zweiten Mal von Wladimir Putin zum Affen machen lässt.
Im Handelskrieg mit China holt er sich derweil eine blutige Nase. Seine Zolldrohungen erwidert Peking kaltblütig mit einem Stopp der Ausfuhren der Seltenen Erden nach den USA. Diese Rohstoffe sind zur Herstellung von Autos, Computern und anderen Gütern unabdingbar, und sie werden zu mehr als 90 Prozent von den Chinesen kontrolliert.
Dieses Monopol zu brechen dauert Jahre, und Xi Jinping denkt nicht daran, einzuknicken. Das chinesische Aussenministerium hat kürzlich ein Video veröffentlicht, in dem Mao Zedong während des Koreakriegs erklärt hat: «Gleichgültig wie lange dieser Krieg dauert. Wir werden niemals aufgeben.»
Im Shutdown haben die Demokraten bis anhin die besseren Karten, und sie haben ein Thema gefunden: die Gesundheitskosten. Allmählich treten die Folgen der «big and beautiful bill», dem vom Kongress hauchdünn verabschiedeten Monster-Gesetz, zutage. Millionen von Amerikanern werden ihre Krankenkasse verlieren, und Millionen werden ihre Krankenkassen-Prämien explodieren sehen.
Das sorgt für Frust selbst in den «roten», von den Republikanern dominierten Bundesstaaten. Auch den Menschen, die vorwiegend Trump gewählt haben, dämmert es, dass vor allem die Superreichen und die Grosskonzerne von diesem Gesetz profitieren. Die Tatsache, dass Trump seinem argentinischen Kumpel Javier Milei gleichzeitig mit 40 Milliarden Dollar aus der Patsche hilft, macht die Stimmung nicht wirklich besser.
Und wie reagiert Trump? Gelassen, würdevoll und überparteilich? Sorry, schlechter Witz. Trump lässt ein KI-generiertes Video verbreiten, in dem man ihn mit einer Krone auf dem Kopf in einem Kampfjet sieht, wie er Scheisse auf seine Gegner abwerfen lässt. «Das war und wird es auch immer Trumps Antwort auf grundlegenden Anstand sein», so Packer.
