Wir haben den chinesischen Tesla getestet und sind begeistert
Der Name sagt der breiten Öffentlichkeit noch nicht viel, aber das wird sich schon bald ändern. Xpeng wurde vor elf Jahren in Canton gegründet und legt ein rasantes Tempo vor. Nach Skandinavien 2021 und dann Deutschland und Frankreich nimmt die chinesische Marke jetzt die Schweiz in Angriff, mit Hedin Automotive als Partner.
Der G6, ein elektrisch betriebener Familien-SUV, kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, da europäische Kunden gerade beginnen, chinesische Autos danach zu beurteilen, was sie sind, und nicht mehr danach, was sie repräsentieren.
Eine vertraute Silhouette
Es ist schwer, beim Anblick des G6 nicht an das Tesla Model Y zu denken, vor allem, seit das Design des Amerikaners verfeinert wurde: dasselbe Leuchtband an der Front, dasselbe fliessende Heck, dasselbe Streben nach aerodynamischer Effizienz.
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings: Die Motorhaube ist modellierter, die Linienführung schlanker, und der integrierte Spoiler betont das Heck, ohne schwerfällig zu wirken. Mit einer Länge von 4,76 m und einer Breite von 1,92 m macht er auf sich aufmerksam, ohne sich als arroganter SUV aufzuspielen.
Xpeng G6 und G9: Verblüffende Gelassenheit
An Bord ändert sich die Gangart. Die Umgebung ist klar, minimalistisch, fast klinisch. Die Oberflächen kombinieren Leder und Wildleder, die Verarbeitung ist tadellos. Doch die Philosophie ist entschieden digital: Tasten sucht man vergebens, alles läuft über den 15,6-Zoll-Bildschirm als eigentliches Gehirn des Autos. Ob Klimaanlage, Fahrmodi, Öffnung des Kofferraums und der Fenster: Alles befindet sich dort.
Wer klassische Bedienelemente mag, könnte irritiert sein. Selbst die Tasten am Lenkrad ändern ihre Funktion je nach aktivem Menü – eine ganz und gar chinesische Logik, die nicht immer intuitiv ist. Aber das System bleibt nahtlos und schnell, und die Konnektivität ist umfassend: Android Auto und Apple CarPlay sind integriert. Und die hauseigene Navigation, die mit einem intelligenten Routenplaner gepaart ist, erweist sich als ebenso leistungsstark.
Das 10,25-Zoll-Kombiinstrument gegenüber dem Fahrer zeigt das Wichtigste an, während der Rückspiegel als hochauflösende Rückfahrkamera fungiert. Kein Head-up-Display, aber eine sehr schöne, übersichtliche Darstellung.
Komfort und Raffinesse in diesem Modell von Xpeng
Die Vordersitze mit Heiz-, Belüftungs- und Massagefunktion bieten Komfort auf höchstem Niveau, während die Passagiere im Fond ein grosszügiges Platzangebot und beheizbare Seitensitze geniessen. Der fünfte Passagier hat wie so oft weniger Glück. Das Lichtambiente ist individuell anpassbar, der Sound – von Dynaudio – kommt aus 18 Lautsprechern. Man fühlt sich fast wie in einer Lounge auf Rädern.
Kleine Kuriosität am Rande: Vorn gibt es weder ein Handschuhfach noch Stauraum. Der Kofferraum wiederum erweist sich als gut kalibriert: 571 Liter bzw. 1374, wenn Sie die Sitzbank umklappen. Ausreichend für die Familie oder ein langes Wochenende.
Xpeng G6: 487 PS und 800 V
Herzstück des G6 ist die 800-V-Architektur und die 80-kWh-LFP-5C-Batterie. In der getesteten Performance-Version treiben zwei Motoren alle vier Räder an und liefern insgesamt 358 kW bzw. 487 PS und ein Drehmoment von 660 Nm. Die Masse von 2,7 Tonnen hindert ihn nicht daran, in 4,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu sprinten. Der Allradantrieb bevorzugt leicht das Heck und verleiht echte Natürlichkeit beim Anfahren.
Auf der Strasse überrascht der G6 mit seiner Gefügigkeit. Er ist leicht zu bändigen, geschmeidig bei niedriger Geschwindigkeit und präzise bei hohem Tempo. Nicht der Kommunikativste im Segment, aber nie enttäuschend. Die Lenkung könnte etwas mehr Informationen vermitteln, aber das Verhalten bleibt stets ausgeglichen, berechenbar und effizient.
Und vor allem: Die Fahrhilfen wissen, wie man sich zurückhält, und sind leicht abzuschalten. Keine hysterischen Warnungen oder aufdringlichen Korrekturen, sondern diskrete Unterstützung, die sich um alles kümmert.
Der G6: Realistische Reichweite und blitzschnelles Aufladen
Die wahre Demonstration der Stärke liegt jedoch woanders: bei der Reichweite und beim Aufladen. In der Performance-Version gibt der G6 510 WLTP-Kilometer an. Auf den deutschen Strassen unserer Testfahrt zwischen München und den Autobahnauffahrten ohne Beschränkungen lag der durchschnittliche Verbrauch bei etwas über 17 kWh/100 km, was einer tatsächlichen Reichweite von 470 km entspricht. So können Sie auch lange Fahrten sorgenfrei in Angriff nehmen.
Und dann ist da noch das Aufladen. Xpeng gibt bis zu 451 kW in der Spitze an – bislang ein theoretischer Rekord, da es in der Schweiz noch keine Ladestation gibt, an der diese Leistung erreicht werden kann. Aber an einer 300-kW-Säule stellten wir fest, wie die Leistung auf 230 kW kletterte: 7 Minuten, um von 46 auf 76 % zu kommen und 150 km zurückzugewinnen. Im Klartext heisst das: ein Kaffee, ein Besuch auf der Toilette, und schon geht es weiter.
Demonstration des gesunden Menschenverstandes
Bleibt die Frage nach dem Preis, die oft entscheidend ist. Und auch hier trifft Xpeng genau ins Schwarze. Die Einstiegsversion mit Zweiradantrieb (296 PS, 525 km WLTP) kostet 47 600 Franken. Sie ist bereits reichlich ausgestattet, die einzigen Optionen sind Metallic-Lackierung (800.–) und Abschlepphaken (1190.–). Unsere Performance-Version mit Allradantrieb kostet 51 600 Franken oder 1000 mehr für die Black Edition mit ästhetischen Akzenten ... in Schwarz. Rationaler geht es nicht.
Xpeng G6 sticht Tesla Model Y aus
Der Vergleich lässt sich nicht vermeiden, da das G6 das Tesla Model Y nicht nur nachahmt, sondern auch dessen Schwächen ausgleicht: eine ansprechendere Optik, höherer Komfort, eine bessere Schalldämmung und schnelleres Aufladen.
Gegen ihn setzen die Neulinge in der Schweiz beim Zeekr 7X auf Design und beim BYD Sealion 7 auf Vielseitigkeit, während der Leapmotor C10 bei der Technologie auf der Stelle tritt. Die Europäer – allen voran Skoda Enyaq Coupé und VW ID.4/ID.5 – haben Mühe, das gleiche Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten, ohne die Rechnung zu ruinieren. Der Xpeng G6 versucht also nicht, durch Provokation zu verführen, sondern durch Konsequenz. Er macht alles richtig, oft besser als die anderen, mit einer erstaunlichen Reife für eine hierzulande noch unbekannte Marke.


