Die menschliche Sprache ist wohl doch nicht so einzigartig wie gedacht. Forschende der Universität Zürich wiesen nach, dass die Menschenaffen Bonobos, unsere engsten Verwandten, ihre Rufe zu komplexen Lautfolgen kombinieren, die menschlichen Wortkombination gleichen.
Es sei die erste empirische Studie, die eine solche Art von Kommunikation bei Tieren nachweise, schrieben die Forscherinnen und Forscher um Simon Townsend von der Universität Zürich (UZH) in ihrer Studie, die am Donnerstag in der Fachzeitschrift «Science» publiziert wurde.
Die Fähigkeit, einzelne Laute nicht einfach aneinanderzureihen, sondern so zu kombinieren, dass neue, eigenständige Bedeutungen entstehen, galt bisher als Merkmal der menschlichen Sprache.
In der Linguistik wird dies Kompositionalität bezeichnet. Kompositionalität kann in zwei Formen auftreten: trivial und nicht trivial. Bei der trivialen Kompositionalität behält jedes Wort seine eigenständige Bedeutung. Zum Beispiel bezeichnet «blonder Tänzer» eine Person, die sowohl blond ist, als auch Tänzer, wie die Forschenden in der Studie erklärten.
Nicht-triviale Kompositionalität hingegen umfasst eine komplexere, nuanciertere Beziehung, bei der die Bedeutung nicht einfach die direkte Summe der beteiligten Wörter ist. Ein «schlechter Tänzer» ist nicht einfach eine schlechte Person, die tanzt. Das Adjektiv verändert in diesem Fall die Bedeutung des gesamten Wort-Konstrukts.
Studien an Vögeln und Primaten haben gezeigt, dass einige Tiere in der Lage sind, einzelne Laute zu kombinieren. Allerdings gab es bislang keine direkten Belege dafür, dass Tiere nicht-triviale Kompositionalität in ihrer Kommunikation nutzen.
Für die neue Studie erstellten die Forschenden mit Analysen von 700 Aufnahmen von Bonobo-Rufen eine Art Bonobo-Wörterbuch. Für jeden Ruf bestimmten sie, was er bedeutet. Dafür haben sie wildlebende Bonobos im Dschungel beobachtet. Jedes Mal, wenn die Affen riefen, notierten sie, was dabei genau passierte. Also etwa, wie sich die Affen dabei verhielten, wie andere Affen reagierten, oder wo sich die Affen befanden. Insgesamt 300 solche Kontextmerkmerkmale notierten die Forschenden.
«Dies ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Kommunikation anderer Arten, da wir zum ersten Mal die Bedeutung von Lauten im gesamten Lautrepertoire eines Tieres bestimmen», erklärte Mélissa Berthet von der UZH, die Erstautorin der Studie, in einer Mitteilung der Universität.
In einem zweiten Schritt untersuchten sie, was die Kombinationen bestimmter Rufe bedeuten. Dabei zeigten sie, dass sich einige verhalten wie unser «schlechter Tänzer» – die Kombination schafft eine völlig neue Bedeutung, die über die Einzelteile hinausgeht.
«Unsere Ergebnisse zeigen, dass nichttriviale Kompositionalität nicht auf den Menschen beschränkt ist», schrieben die Forschenden in der Studie. Die Studie zeigt also, dass die Fähigkeit, aus kleineren Lauten komplexe Bedeutungen zu bilden, lange vor der menschlichen Sprache existierte.
Diese Erkenntnis liefere Hinweise auf die evolutionären Wurzeln der sprachlichen Kompositionalität, schrieb die UZH. «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass unsere Vorfahren diese Fähigkeit bereits vor mindestens 7 Millionen Jahren besassen – wenn nicht sogar früher», liess sich Townsend zitieren. (sda)