Die globale Fleischproduktion hat sich im letzten halben Jahrhundert von 84 Millionen Tonnen (1965) auf 330 Millionen Tonnen (2017) fast vervierfacht. Bis 2050 rechnet die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) mit einer Steigerung auf 455 Millionen Tonnen. Die Folgen für die Umwelt sind fatal. Vor allem die Rindfleischproduktion ist aufgrund der Futtermittelherstellung, der Landgewinnung und der Methangaserzeugung der Wiederkäuer mit einem enormen Treibhausgas-Ausstoss verbunden.
Erfreulich hingegen erscheint, dass es in den letzten Jahren den pflanzenbasierten Ersatzprodukten wie dem «Beyond Burger» oder «Planted Chicken» gelang, die Kaufhäuser zu erobern. Der weltweite Markt dafür soll sich in den nächsten Jahren verdoppeln.
Die Frage bleibt: Können damit die Treibhausemissionen tatsächlich verringert werden?
Die Berechnung des CO2-Fussabdrucks von Nahrungsmitteln ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Je nach Standort, Herstellungsweise und berücksichtigten Faktoren werden für dasselbe Produkt sehr unterschiedliche Treibhausgasmengen eruiert. Eine vielzitierte Studie des IFEU-Instituts für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg (im Auftrag von Unilever) kommt zum Beispiel zu folgendem Schluss: Ein Kilo Rindfleisch aus Deutschland ist für 12,29 Kilo CO2-Äquivalent (CO2eq) verantwortlich. Eine andere Untersuchung kommt für dänisches Rindfleisch auf die dreifache Menge: 42,4 Kilogramm CO2eq.
Aufgrund der enormen Unterschiede – obige Beispiele sind noch harmlos – werden wir für diesen Artikel die Daten von Joseph Poore der Universität Oxford und Thomas Nemecek des Schweizer Forschungszentrums für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt Agroscope verwenden.
Die beiden Forscher sichteten 1530 Studien – mit 570 davon kreierten sie den wahrscheinlich umfangreichsten Datensatz zu diesem Thema. Über 38'000 Bauernbetriebe aus 119 Ländern sind darin berücksichtigt. Für die Verpackung und den Transport flossen die Daten von weiteren 153 Studien ein. Ihre Metastudie wurde im Wissenschaftsmagazin «Science» publiziert. «Science» ist neben «Nature» das wichtigste wissenschaftliche Publikationsorgan der Welt.
Die Daten der Fleischersatzprodukte stellte uns die Schweizer Organisation Eaternity zur Verfügung. Das ETH-
Spin-off ist darauf spezialisiert, den ökologischen Fussabdruck von Nahrungsmitteln zu eruieren.
Beide Datensätze entstanden unter Berücksichtigung derselben Standards (IPCC 2013 / 100 Jahre). Deshalb sind sie wie geschaffen für einen Vergleich.
Bei der Rindfleischproduktion werden zwei Arten unterschieden. Die reine Fleischproduktion (ohne Milchschöpfung) und die Fleischproduktion als Nebenprodukt der Milchprodukte-Industrie. In den Daten der beiden Autoren wird deshalb zwischen «beef herd» und «dairy herd» unterschieden – die Emissionsunterschiede sind eindrücklich.
Das Verhältnis der weltweiten Mengen-Produktion liegt bei 56,35 Prozent (beef) zu 43,65 Prozent (dairy). Der dadurch errechenbare Durchschnittswert für beide Produktionsarten beträgt 70,6 Kilogramm CO2eq. Das ist wesentlich höher als die vom IFEU berechneten Werte für Deutschland.
Und wie sieht der Wert für das pflanzenbasierte Ersatzprodukt aus?
Der Wert des Ersatzprodukts auf pflanzlicher Basis liegt mit 1,79 Kilogramm CO2eq pro Kilogramm Produkt wesentlich tiefer als beim echten Fleisch. In einem Faktor ausgedrückt: Es entstehen rund 40 Mal (39,44) weniger CO2-Äquivalent als beim tierischen Vorbild.
Die Produktion von Schweinefleisch geschieht mit weit weniger CO2-Beigemüse. Im Schnitt sind es 12,3 Kilogramm pro Kilogramm Produkt. Auch die Abweichung der 10. und 90. Perzentile ist wesentlich geringer als beim Rindfleisch.
Als Vergleichswert haben wir den Durchschnitt zweier Schnitzel-Alternativen gewählt. Nicht überraschend liegt dieser in der Region der Rindfleischalternative. Die Unterscheidung zwischen Rind- und Schweinefleischalternative findet noch nicht grossflächig statt.
Auch beim Schweinefleisch ist der Unterschied der Treibhausgasproduktion mit mehr als Faktor zehn enorm.
Der jährliche Konsum von Schweinefleisch liegt mit 15,6 Kilogramm pro Kopf weltweit wesentlich höher als beim Rindfleisch.
Deutlich weniger CO2 als bei den vorherigen Beispielen fällt bei der Produktion von Geflügel an. Interessanter Fakt: Weltweit wird gleich viel Geflügel wie Schweinefleisch konsumiert (15,6 kg). Rindfleisch ist mit 9,1 kg die klare Nummer drei.
Uns liegen zwei Werte zum populären Schweizer Geflügel-Ersatzprodukt vor: Der höhere Wert (1,9 kg CO2eq pro Kilogramm Produkt) beinhaltet auch die Emissionen, welche bei der Produktion der Verpackung und des Transports entstehen. Der tiefere Wert (1,19 kg CO2eq) beinhaltet diese Werte nicht. Weil Poore und Nemecek in ihrem Datensatz Verpackung und Transport ebenfalls berücksichtigen, wollen wir das für diesen Vergleich auch tun.
Das Sparpotential mit Fleisch-Ersatzprodukten ist enorm. 7,07 Gigatonnen CO2 könnten damit pro Jahr gespart werden. Das wäre der Fall, wenn der gesamte Konsum von echtem Fleisch damit ersetzt würde – was aktuell selbstverständlich utopisch ist.
Trotzdem: Gerade der Vergleich mit dem internationalen Flugverkehr oder dem Gütertransport zeigt, dass der weltweite Fleischkonsum auf den Klimawandel den wesentlich höheren Einfluss hat. 7,07 von 36,4 Gigatonnen pro Jahr – das ist knapp ein Fünftel der gesamten weltweiten CO2-Produktion.
Sämtliche Autos dieser Welt verursachen pro Jahr ungefähr gleich viel.
Nach unserem Stand des Wissens existieren keine Daten nach IPCC-2013er-Norm (100 Jahre) für die Fleischproduktion in der Schweiz. Thomas Nemecek lieferte uns aber Zahlen nach IPCC-2007-Norm. Aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsnormen werden wir auf einen direkten Vergleich zu den obigen Daten verzichten. Eine grobe Einschätzung kann aber getätigt werden.
In Poores und Nemeceks Datensatz lassen sich auch die weltweiten Durchschnittswerte nach der 2007er-Norm finden. Nach diesem veralteten Standard produziert Schweizer Rindfleisch ziemlich genau die Hälfte der CO2eq-Emissionen des weltweiten Durchschnitts. Beim Schweinefleisch sind es 71 Prozent, beim Geflügel gar nur 35 Prozent.
Die Produktion von Schweizer Fleisch scheint deutlich emissionsärmer auszufallen als im weltweiten Durchschnitt. Damit verringert sich selbstverständlich auch das Einsparpotenzial mit pflanzlichen Alternativen. Doch die Differenzen bleiben enorm. Es ist noch viel Luft nach oben.