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«Weibliche» Hurrikane fordern mehr Todesopfer

Je nach Namen des Sturmes reagiert die Bevölkerung mit mehr Vorsichtsmassnahmen auf die Gefahr.
Je nach Namen des Sturmes reagiert die Bevölkerung mit mehr Vorsichtsmassnahmen auf die Gefahr.Bild: AP/NOAA
Unterschätzte Naturgewalt

«Weibliche» Hurrikane fordern mehr Todesopfer

Nach Tropische Wirbelstürme mit einem weiblichen Namen sind die Todeszahlen höher. Schuld daran sind unsere Stereotype, sagen Wissenschaftler.
02.06.2014, 21:21
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Hurrikane mit weiblichen Namen fallen mehr Menschen zum Opfer als solchen mit männlichen Namen. Vermutlich würden sie von der Bevölkerung als weniger bedrohlich wahrgenommen, schreiben Forscher in den «Proceedings» der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.

Die Menschen seien infolgedessen weniger bereit, Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen und zum Beispiel Evakuierungsempfehlungen zu folgen. Das System der Namensgebung sollte überdacht werden, raten die Wissenschaftler. 

Die Namensgebung

Lange Zeit bekamen Hurrikane in den USA nur weibliche Namen. Meteorologen damals hielten das aufgrund der launischen Natur der Wirbelstürme für angemessen, berichten Kiju Jung von der Universität von Illinois in Urbana-Champaign (Champaign/US-Staat Illinois) und seine Mitarbeiter.

In den 1970er Jahren wurde diese Praxis geändert. Seitdem bekommen Hurrikane abwechselnd weibliche und männliche Namen von einer bereits vor der Hurrikan-Saison festgelegten Liste.

 
 Bild: NOAA/REUTERS

«Katrina» aus Studie ausgeschlossen

Die Wissenschaftler analysierten nun in ihrer Studie, ob es einen Zusammenhang zwischen Namensgebung und der Zahl der Todesfälle durch Hurrikane gibt. Sie werteten insgesamt 92 atlantische Hurrikane aus, die zwischen 1950 und 2012 in den USA auf Land getroffen waren. Zwei Stürme schlossen sie wegen ihrer besonderen Stärke aus: Hurrikan «Katrina» aus dem Jahr 2005 und «Audrey» aus dem Jahr 1957.

«Bei der Beurteilung der Sturmintensität scheinen die Leute ihre Vorstellungen davon zugrundezulegen, wie sich Männer und Frauen verhalten»

Tatsächlich fanden die Forscher, dass schwere Hurrikane mit einem weiblichen Namen eine höhere Zahl von Todesopfern zur Folge haben als solche mit einem Männernamen. In weiterführenden Experimenten befragten die Forscher Testpersonen, um mehr über die Gründe für diesen zunächst merkwürdig erscheinenden Zusammenhang herauszufinden.

Die Befragten sollten zum Beispiel die Intensität oder Gefährlichkeit von fünf weiblichen und fünf männlichen Hurrikans vorhersagen oder angeben, bei welchem Sturmszenario sie einer Evakuierungsempfehlung folgen würden. 

«Alexander» bedrohlicher als «Alexandra»

Die Tendenz war in allen Experimenten gleich: Hurrikane mit einem Frauennamen wurden als weniger gefährlich angesehen und folglich waren die Testpersonen weniger bereit, sich selbst in Sicherheit zu bringen oder andere Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen. «Alexander» wurde zum Beispiel als bedrohlicher empfunden als «Alexandra».

«Bei der Beurteilung der Sturmintensität scheinen die Leute ihre Vorstellungen davon zugrundezulegen, wie sich Männer und Frauen verhalten», erläutert Sharon Shavitt, eine der beteiligten Wissenschaftlerinnen. «Das führt dazu, dass weibliche Hurrikane, vor allem die mit sehr weiblichen Namen wie »Belle« oder »Cindy«, sanfter und weniger heftig erscheinen.»

Die Stereotype, die dieser Einschätzung zugrunde liegen, seien subtil und nicht zwangsläufig feindselig gegenüber Frauen, erklärt die Wissenschaftlerin weiter.

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Bild: EPA/NOAA/NASA

Die Forscher fanden weiter heraus, dass die Einschätzung eines Sturms nicht mit den allgemeinen Ansichten eines Befragten über Geschlechterrollen in Verbindung stand. Auch solche Personen, die Stereotype grundsätzlich ablehnten, beurteilten Hurrikane mit Frauennamen als milder. Entscheidungsträger sollten daher darüber nachdenken, das System der Namensgebung zu ändern. (lhr/sda/dpa)

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