Der Berufungsprozess um den BVK-Korruptionsskandal hat begonnen. Zum Auftakt der Gerichtsverhandlung wurde der Angeklagte Daniel Gloor einvernommen. Der ehemalige Anlagechef der Zürcher Beamtenversicherungskasse (BVK) ist überzeugt, dass er in erster Instanz kein gerechtes Urteil erhalten hat. «An mir wurde ein Exempel statuiert», sagte der 59-Jährige am Dienstag vor dem Zürcher Obergericht. Das erstinstanzliche Urteil war tatsächlich überraschend: Das Bezirksgericht Zürich verurteilte ihn im November 2012 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Dieses Strafmass lag sogar über dem Antrag der Anklage, die nur sechs Jahre gefordert hatte.
Gloor wurde verurteilt, weil er während Jahren ein System der Günstlingswirtschaft am Laufen hielt. Er liess sich mit insgesamt 1,7 Millionen Franken bestechen und schanzte Geschäftsfreunden im Gegenzug lukrative BVK-Mandate zu oder investierte Pensionskassengelder in deren Anlagevehikel. Der Pensionskasse des Kantons Zürich bescherte er so einen Millionenverlust.
Der Vermögensverwalter, der einst mehr verdiente als ein Zürcher Regierungsrat, sitzt heute in Chur im vorzeitigen Strafvollzug und fertigt Holzspiesse. Es gehe ihm gut, auch gesundheitlich, sagte er. Seine Frau bezieht Sozialhilfe und arbeitet teilweise als Putzfrau.
Ihm sei es nie um Konsum oder Luxus gegangen, sagte Gloor am Dienstag in der Befragung. Er sei mit wenig Geld aufgewachsen, habe sogar die eigenen Eltern finanziell unterstützen müssen. Das habe ihn geprägt. «Ich wollte Sicherheit und Unabhängigkeit», sagte Gloor. Dass er von seinen Geschäftsfreunden während rund 15 Jahren Geld und Gefälligkeiten entgegengenommen hatte, bezeichnete der 59-Jährige dennoch als «groben Fehlentscheid». Immerhin: Mit den Schmiergeldern leistete er sich teure Ferien und ein Haus in Frankreich.
Er bekenne sich zu seinen Taten, aber er fordere eine mildere Strafe. Er wolle, dass die volle Wahrheit an den Tag komme, sagte Gloor in einer ersten Befragung. Der Beschuldigte wirkte zwar immer noch selbstbewusst, aber längst nicht so kämpferisch, wie beim ersten Prozess vor dem Zürcher Bezirksgericht. Er habe nie jemanden aktiv um Geld gebeten, beteuerte er. Die Aktiven seien seine Geschäftsfreunde gewesen. «Aber am gesamten Sachverhalt ändert das natürlich nichts, das ist mir klar.»
Natürlich sei er wegen der Zahlungen seiner Geschäftsfreunde «nicht mehr ganz objektiv» gewesen. Grundlage für seine Entscheidungen seien aber immer Fakten gewesen, nicht Freundschaften.
Neben der «inaktiven Rolle» wählte Gloor als Strategie neu den Zweifel, ob er überhaupt je den Status eines Beamten gehabt habe. So könnte er nicht der ungetreuen Amtsführung schuldig gesprochen werden. Als ihn das Gericht darauf aufmerksam machte, dass er in früheren Befragungen aber den Beamtenstatus bejahte, verwies Gloor auf das noch kommende Plädoyers seines Anwalts.
Gloors Aussage steht damit diametral im Gegensatz zu jener seines alten Freundes, der ihm mit Abstand am meisten Geld zugesteckt hat. Dieser sagte gegenüber der Staatsanwaltschaft aus, Gloor habe ihn «zu einem Sklaven» gemacht, weil immer der Verlust des BVK-Beratungsmandats gedroht habe. Gloor verlor kurz die Fassung, als ihm diese Sätze vorgelesen wurden. Die Aussage, er habe jemanden als Sklaven behandelt, sei «ganz mies, unterste Schublade, eine Schweinerei».
Vor Gericht erschienen am Dienstag auch zwei weitere seiner ehemaligen Geschäftsfreunde. Die drei wurden wegen Bestechung zu bedingten und teilbedingten Strafen verurteilt, akzeptieren ihre Urteile jedoch nicht. Sie stellen sich im Grossen und Ganzen auf den Standpunkt, keine direkten Gegenleistungen erwartet zu haben. Nur einer von ihnen entschuldigte sich für seine Bargeldcouverts.
Ein vierter alter Freund zog seine Berufung ans Obergericht mittlerweile zurück und akzeptiert sein Urteil. Ein fünfter Beschuldigter wurde vom Bezirksgericht freigesprochen. Allerdings nicht, weil das Gericht von dessen Unschuld überzeugt gewesen wäre, sondern weil die Bestechungen zum Zeitpunkt des Urteils im November 2012 bereits verjährt waren.
Der ehemalige Anlagechef Gloor sitzt gegenwärtig im vorzeitigen Strafvollzug und fertigt Holzspiesse. «Es geht mir aber gut, auch gesundheitlich», sagte er. Der Jurist, der einst mehr verdiente als ein Regierungsrat, ist heute mittellos. Seine Frau arbeitet als Putzfrau und bezieht Sozialhilfe.
(dwi/sda)