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Stadtrat verteidigt harten Polizeieinsatz – SP-Politiker findets «einer Demokratie unwürdig»

Die Stadtpolizei Winterthur ist mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Doch der Stadtrat sieht kein Fehlverhalten der Polizei.
Die Stadtpolizei Winterthur ist mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Doch der Stadtrat sieht kein Fehlverhalten der Polizei.Bild: KEYSTONE/MICHAEL BUHOLZER

Stadtrat verteidigt harten Polizeieinsatz – SP-Politiker findets «einer Demokratie unwürdig»

Einem Winterthurer Stadtpolizisten wird vorgeworfen, einen 14-Jährigen für dessen «Lausbubenstreich» viel zu übergriffig und mit illegalen Methoden angegangen zu haben. Auch die Eltern des Jungen soll er massiv unter Druck gesetzt haben.
11.11.2024, 06:4411.11.2024, 06:52
Selina Urech / ch media
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Nach dem Final der Euro 2024 wurde ein 14-Jähriger von der Stadtpolizei in flagranti ertappt, wie er mit einem Filzstift auf private Verkehrsschilder «FCW» anbrachte. Der Jugendliche, der zuvor noch nicht aktenkundig bei der Polizei war, wurde mit Handschellen gefesselt und in einem Kastenwagen «wie ein Schwerverbrecher» in die Polizeiwache überführt.

Völlig unverhältnismässig findet der Stadtparlamentarier Fredy Künzler (SP). Er reichte deswegen eine schriftliche Anfrage mit dem Titel «Problematischer Umgang der Stadtpolizei mit Jugendlichen» an das Stadtparlament.

Der genaue Vorfall

Künzler kritisiert nicht nur die übertriebene Härte bei der Verhaftung, sondern dass neben der «Tatwaffe», ein Filzstift, auch das Mobiltelefon des Jugendlichen konfisziert wurde. Das Durchsuchen des Handys sei nicht nur illegal, sondern auch «ein massiver Eingriff in die Privatsphäre des 14-Jährigen».

Die Eltern des Minderjährigen sind zudem erst nach fast einer Stunde durch den Beamten kontaktiert worden, wie aus dem Schreiben hervorgeht. «Das Mobiltelefon des Jugendlichen wurde von der Stadtpolizei durchsucht, obwohl jeder Polizist genau weiss, dass das illegal ist. Ein beschlagnahmtes Telefon muss immer gesiegelt werden», heisst es weiter.

Das illegale Vorgehen soll der Beamte einige Tage später versucht haben zu vertuschen: «Indem er ein Formular der Einverständniserklärung zur Suchung des Mobiltelefons rückdatieren wollte. Seine Eltern verweigerten dies, obwohl sie durch den Beamten massiv unter Druck gesetzt wurden», führt Künzler in seinem Schreiben aus.

Das Ausmass der Untersuchung sei völlig unverhältnismässig. Gerade angesichts dessen, dass der Jugendliche danach im Beisein seines Vaters die drei Verkehrsschilder mit einem Lösungsmittel und einem Lappen innert weniger Minuten geputzt und den minimalen Sachschaden am Eigentum von Dritten behoben hatte, so Künzler weiter.

Stadtrat sieht kein Fehlverhalten

Der Stadtrat hat am Freitag auf die Anfrage von Künzler reagiert. «Die Vorgehensweise des Mitarbeiters war angemessen, entsprach den üblichen Abläufen und der gesetzlichen Regelung. Es gibt darum für die Stadtpolizei Winterthur keinen Anlass, personalrechtliche Massnahmen auszusprechen», teilt der Stadtrat schriftlich mit.

Laut Stadtrat waren die Methoden des Beamten nicht illegal. Die Polizei ist laut Strafprozessordnung berechtigt, Gegenstände von beschuldigten Personen zu durchsuchen. «Die Durchsuchung sollte, wenn möglich, in Gegenwart der Person vorgenommen werden, welcher der Gegenstand gehört. Die beschuldigte Person kann eine Durchsuchung verhindern, indem sie den Zugangscode nicht herausgibt oder die Siegelung verlangt», heisst es in der Antwort.

Der Stadtrat könne aber verstehen, dass die Erfahrung für den 14-Jährigen und dessen Eltern unschön war. Die Verwicklung in ein Strafverfahren stelle per se keine angenehme Erfahrung dar. Es sei daher verständlich, dass es für die Beteiligten entsprechend belastend war.

«Die Stadtpolizei Winterthur sieht aber keinen Anlass, sich beim Beschuldigten oder dessen Angehörigen zu entschuldigen. Der Mitarbeiter handelte angemessen und das Vorgehen entsprach dem üblichen Ablauf bei Feststellung einer Sachbeschädigung durch Graffiti oder Schmierereien», hält der Stadtrat in der Antwort fest.

Künzler: «Einer Demokratie unwürdig»

Mit der Antwort des Stadtrates auf seine Anfrage ist Künzler nicht zufrieden. Gegenüber ZüriToday bezeichnet er diese als «absolut unterirdisch». In einem Facebook-Post holt er noch weiter aus. Die Antwort des Stadtrates triefe nur so vor Selbstgefälligkeit. Er vergleicht die Methoden der Polizei mit jenen eines autoritären Staates und bezeichnet sie als «einer Demokratie unwürdig».

Ob Künzler sich noch weiter für den Jugendlichen wehren wird, weiss er noch nicht. «Die politischen Möglichkeiten sind mit der schriftlichen Anfrage ziemlich ausgeschöpft», sagt der SP-Politiker. Theoretisch sei eine Aufsichtsbeschwerde noch möglich. Doch Künzler schätzt den administrativen Prozess als «selten erfolgversprechend» ein.

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