«Audi-Fahrer macht sich nach Crash aus dem Staub», «Unbekannter rammt Signaltafeln», «Autolenker verduftet nach Kollision» – das sind nur drei von zahlreichen Polizei-Mitteilungen, die im Juli die Redaktion von ZüriToday erreichten. Immer wieder kommt es vor, dass sich Lenkende nach einem Verkehrsunfall nicht bei der Polizei melden oder vom Ort des Geschehens entfernen, ohne sich um entstandene Schäden oder möglicherweise verletzte Personen zu kümmern.
Die Bandbreite beim unerlaubten Entfernen nach einem Verkehrsunfall ist gross. Sie reicht vom relativ harmlosen Touchieren eines Gartenzauns bis zum schweren Unfall mit Todesopfern. Das Schweizer Strassenverkehrsgesetz unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen einer «Führerflucht» und dem sogenannten «Nichtgenügen der Meldepflicht». Beides wird umgangssprachlich als Fahrerflucht bezeichnet.
Bei einer Führerflucht entfernt sich ein Autolenker unerlaubt vom Ort eines Verkehrsunfalls, bei welchem es Verletzte oder Tote gab. Dieses Verhalten ist gemäss Gesetz verboten und wird mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe sanktioniert. Es muss angehalten und zwingend die Polizei benachrichtigt werden. Ausserdem muss Erste Hilfe geleistet und der Verkehr gesichert werden.
Verlässt ein Lenker den Ort des Verkehrsunfalls, bei dem Sachschaden entstand, aber keine Personen verletzt wurden, handelt es sich um einen Fall von Nichtgenügen der Meldepflicht. Dieser Lenker wird mit einer Busse bestraft. Eigentlich müsste der Unfallverursacher sofort den Geschädigten oder die Polizei benachrichtigen.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft weist auf Anfrage darauf hin, dass der Straftatbestand einer Fahrerflucht beziehungsweise einer Missachtung der Meldepflicht stark von den konkreten Gegebenheiten des jeweiligen Falls abhängt. Auch Mitfahrer können gegebenenfalls als Mittäter rechtlich belangt werden.
Abhängig vom konkretem Fall können laut Staatsanwaltschaft verschiedene Straftatbestände möglich sein, etwa pflichtwidriges Verhalten bei Unfall, Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, Fahren in fahrunfähigem Zustand oder strafbare Handlungen gegen Leib und Leben. Je nach Konstellation müssen die Lenkenden mit einer Busse, einer Geldstrafe oder sogar mit Gefängnis bis zu fünf Jahren rechnen.
Warum entfernen sich Menschen von einem Unfallort, obwohl auf sie derart empfindliche Strafen zukommen könnten? Eine Statistik zu den Motiven der Fahrerflucht existiert laut einem Bericht von Comparis nicht. Experten sehen aber gerade in der Angst vor den harten Strafen und vor dem Verlust des Führerausweises einen wesentlichen Grund für die Flucht. Vor allem Junglenker riskieren bei Unfällen schnell den Entzug des Führerausweises. Bei vielen Autofahrern ist die Fahrerflucht aber auch eine Panikreaktion. Ebenfalls können Alkohol und Drogen Faktoren sein.
Wie viele Fälle von Nichtgenügen der Meldepflicht beziehungsweise Führerflucht pro Jahr im Kanton Zürich auftreten, konnte auf Anfrage von ZüriToday weder die Staatsanwaltschaft noch die Kantonspolizei sagen. Auch wie viele Personen erfolgreich aufgefunden werden konnten, nachdem sie sich ohne Meldung vom Unfallort entfernt hatten, können die Behörden nicht sagen.
Zahlen gibt es aus einem anderen Kanton: Gemäss einer Luzerner Statistik kam es bei insgesamt 2334 Verkehrsunfällen im Jahr 2015 in 708 Fällen zu einem pflichtwidrigen Verhalten, womit sowohl die Verletzung der Meldepflicht als auch die schwerwiegendere Führerflucht gemeint sind. In rund 90 Prozent dieser Fälle entstand lediglich Sachschaden. Bei 62 Unfällen waren Menschen betroffen.
Bezüglich der Verkehrsunfälle mit Personenschaden hat das Bundesamt für Strassen Astra eine aktuelle Statistik zusammengestellt. Demnach gab es im Kanton Zürich im vergangenen Jahr 3667 solche Unfälle. Dabei passierte es 260 Mal, dass der Hauptverursacher der Meldepflicht nicht nachkam und sich vom Ort des Geschehens entfernte. Dies entspricht 7 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden. Über die vergangenen fünf Jahre betrachtet, ist die Zahl der Führerflucht-Fälle stabil geblieben.